
Interview | Bob Hanning Italiens Handball-Nationaltrainer über Capuccino-Regeln, Mindset und Mode: "Es tut weh, im grauen Shirt auf der Bank zu sitzen"
Bob Hanning gilt als einer der besten Talente-Entwickler im Handball überhaupt. Und so versteht er auch seinen neuen Job als Nationaltrainer Italiens. Doch die Aufgabe hat ihre Tücken. Vor allem abseits des Platzes.
rbb|24: Bob Hanning, Ihr Debüt als Handball-Nationaltrainer Italiens ist geglückt, es gab in der EM-Qualifikation direkt einen 35:30-Sieg in Lettland. Aber auch gewichtige Probleme. Das Essen in Italien sei zu gut, sagten Sie in der Vorbereitung auf das Spiel, "es käme eine überragende Mahlzeit nach der anderen". Wie läufts auf der Waage?
Bob Hanning: In Lettland konnte das Desaster stabilisiert werden. Auf Sardinien, wo wir gerade gelandet sind, bin ich allerdings noch nicht vorbereitet.
Am Sonntag, 16. März, geht es dort erneut gegen die Letten. Vor dem ersten Spiel waren es gerade einmal vier Tage Training, die Sie mit dem Team hatten. Was kann man in so einer kurzen Zeit überhaupt schaffen? Außer gut zu essen natürlich. Ihr Torwart Domenico Ebner sprach von "neuen Systemen, neuen Konzepten".
Wir versuchen, auf dem Bestehenden aufzubauen. Ansonsten sind das erstmal kleinere Stellschrauben, wie beim Überzahlspiel zum Beispiel. Das war auch erfolgreich. Und wir haben an einem weiteren Deckungssystem gearbeitet. Das ist aber im Spiel noch gar nicht zum Einsatz gekommen. Ehrlich gesagt geht es im Moment nicht mal so viel um Handball, sondern ganz viel um das Mindset.
Italien war eine Überraschung bei der Handball-Weltmeisterschaft Anfang des Jahres, überstand die Vorrunde. Und das, obwohl es die erste Qualifikation seit 28 Jahren überhaupt war.
Und jetzt geht es darum, ein Verständnis für die Dinge zu schaffen, die notwendig sind, um sich immer wieder zu qualifizieren. Da braucht es ganz viele Gespräche. Was ich wirklich an den Jungs liebe, ist, dass sie Lust haben auf die Aufgabe, Lust haben, sich zu entwickeln. Aber ganz oft fällt der Satz: Wir haben das bisher so und so gemacht, weil wir eine kleine Handball-Nation sind. Und ich sage dann: Wir machen das, weil wir Italien sind!
Da muss es doch kolossal nerven, dass Sie nicht die Landessprache beherrschen.
Das Gute ist, dass hier wirklich alle Englisch sprechen. Ich bin im Vorfeld, auf dem Campus des Verbandes, auch schon auf junge Spieler getroffen. Da waren Gespräche auf Englisch fast nicht möglich. Das hat mich ein bisschen erschrocken. Aber die Generation, die hier bei der Nationalmannschaft ist, kann das. Trotzdem muss ich immer mal gucken, ob sie es auch wirklich verstanden haben. Ob die E-Mail im Posteingang oder nicht doch im Spam-Ordner gelandet ist, sozusagen.
Haben Sie denn zumindest den Text der Nationalhymne drauf?
Das ist so eine geile Hymne und so fantastisch, mit welcher Inbrunst die Spieler mitsingen. Deshalb habe ich mir fest vorgenommen: Bis zum Spiel gegen Spanien (7. Mai; Anm. d. Red.) werde ich den Text auswendig können.
Wenn wir uns schon vom rein Sportlichen entfernen - italienische Mode ist ja völlig zurecht weltberühmt. Auch die Outfits italienischer Nationalmannschaften sind oft todschick. Aber natürlich eher schlicht gehalten. Sie hingegen sind fast schon berüchtigt für Ihre häufig herausfordernd bunte Erscheinung.
Das tut weh, das bereitet mir auch Schmerzen, im grauen Shirt auf der Bank zu sitzen. Unglaubliche Schmerzen, aber gerade noch zu ertragen.

Sie lachen.
Handball hat in Italien einfach keinen Stellenwert. Das zu ändern wird jetzt auch die Aufgabe von Stefano Poldini sein, dem neuen Präsidenten des italienischen Handball-Verbandes. Es geht um Strukturen, um noch mehr Professionalisierung. Und dann hoffe ich, dass Dolce & Gabbana von selbst auf die Idee kommt, uns auszustatten.
Das Rückspiel gegen Lettland findet im Westen Sardiniens satt, in der Palasport Sa Rodia in Oristano - 2.900 Zuschauer auf zwei Tribünen.
Ich bin ja Jugendtrainer durch und durch. Aus unserem Füchse-Town in Berlin heraus habe ich knapp 50 Spieler in die erste und zweite Bundesliga gebracht im Laufe der Jahre. Da haben wir einen Zuschauerschnitt von 47. Das werde ich auf jeden Fall mal verdoppeln. Aber das ist mir auch völlig egal. Wichtig ist, dass wir gemeinsam eine Geschichte schreiben können. Weil ansonsten ist mir meine Lebenszeit zu knapp.
Schnellrate-Runde zum Abschluss. Um mal zu testen, wie viel Italien schon in Ihnen steckt. Also: Wie heißt der italienische Rekordmeister im Handball?
Warten Sie, warten Sie.
Okay.
Sagen Sie es nochmal.
Der italienische Rekordmeister im Handball heißt?
Äh - Trieste.
Richtig. Bis wann darf man nach Ansicht vieler Italiener noch Cappuccino trinken?
Das habe ich gelernt, ich habe nämlich neulich einen bestellt am Nachmittag und da habe ich mir direkt etwas anhören dürfen. Also die richtige Antwort lautet: Verboten ab Mittags!
Exakt! Wer hat das berühmte Sanremo Schlagerfestival gewonnen diesen Februar?
Boah. Also. Das ist …
Ja?
Olly!
Mit dem Lied "Balorda nostalgia", korrekt. Aber um ehrlich zu sein: Es hat jetzt schon den Eindruck gemacht, als hätten Sie das Telefon auf laut gestellt und jemand hätte von hinten reingerufen.
Sie sehen, wir treten schon als Team auf.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview wurde geführt von Ilja Behnisch.
Sendung: rbb24, 14.03.2025, 22 Uhr