Nikita Volodin und Minerva Hase jubeln mit der EM-Goldmedaille zwischen den Zähnen. Quelle: imago images/AFLOSPORT

Interview | Eiskunstlauf-Europameisterin Minerva Hase Eiskunstlauf-Europameisterin Minerva Hase: "Jeder Stress, jede Träne, jeder Schweiß hat sich jetzt gelohnt"

Stand: 31.01.2025 11:29 Uhr

Nachdem das Berliner Eiskunstlauf-Paar Minerva Hase und Nikita Volodin eine EM-Medaille letztes Jahr unglücklich verpasste, gelang ihm in diesem Jahr der Gold-Coup. Minerva Hase über eine unruhige Nacht neben der Medaille und große Erwartungen.

rbb: Minerva Hase, Sie und Ihr Partner Nikita Volodin sind frischgebackene Eiskunstlauf-Europameister im Paarlauf. Wo geht man an einem Donnerstagabend in Tallinn feiern?
 
Hase: (lacht) Tatsächlich war ich gestern gar nicht feiern. Meine Mama, meine Oma und viele Menschen aus unserem Fanclub waren vor Ort mit dabei. Die haben uns in der Hotel-Lobby empfangen und wir saßen ein Stündchen zusammen und haben die Zeit genossen. Wir sind dann aber tatsächlich schnell aufs Zimmer und schlafen gegangen, weil wir echt kaputt vom Tag waren.

Das Eiskunstlauf-Paar Minerva Hase und Nikita Volodin bei seiner Kür. (Foto: IMAGO / CEPix)
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In Ihrer Instagram-Story haben Sie gezeigt, dass Sie neben der EM-Medaille aufgewacht sind. Wie schläft es sich neben dieser besonderen Auszeichnung?
 
(lacht) Viel Schlaf habe ich nicht bekommen, ich war noch sehr aufgeregt. Es war aber auf jeden Fall schön, jedes Mal wenn ich wach war, einen kleinen Blick auf die Medaille zu erhaschen.

Nach dem Triumph sah man Sie wechselweise ungläubig, freudestrahlend und mit ein paar Tränen auf dem Gesicht. Was ging Ihnen unmittelbar nach dem entscheidenden und erfolgreichen Lauf durch den Kopf?
 
Es ist sehr viel Druck von einem abgefallen. Wir haben es vor der EM nicht so kommuniziert, aber wir wollten schon die Goldmedaille holen. Wir wussten, dass das möglich ist. Wir sind jetzt beide mehr als 20 Jahre im Eiskunstlauf-Sport aktiv. Nur wenige schaffen es überhaupt zu einer EM. So ein Titel ist ein Traum, von dem ich nie erwartet hätte, dass ich ihn mir erfüllen könnte. Die viele harte Arbeit über die ganzen Jahre, jeder Stress, jede Träne, jeder Schweiß hat sich jetzt gelohnt, um hier ganz oben stehen zu dürfen.

Das Eiskunstlauf-Paar Minerva-Fabienne Hase und Nikita Volodin holten mit ihrem Kurzprogramm den vorläufigen ersten Platz bei der EM. (Foto: IMAGO / AFLOSPORT)
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Nach dem Kurzprogramm lagen Sie bereits auf Gold-Kurs. In die entscheidende Kür sind Sie dann allerdings mit einem kleinen Fehler gestartet.
 
Wir waren an beiden Tagen sehr angespannt und haben versucht, nicht zu sehr über Punkte oder Medaillen nachzudenken. Man kann den Körper aber nur bis zu einem gewissen Grad austricksen. Der Fehler am Anfang hat mich dann noch mal ein bisschen wachgerüttelt, wirklich komplett fokussiert zu sein für den Rest der Kür. Das war ärgerlich, aber ich war froh und auch ein bisschen stolz, den kleinen Fehler direkt abgehakt und weitergekämpft zu haben. Ich habe mir zum Glück keine Sorgen gemacht, ob es reicht oder nicht.

Vor der EM wurden Sie überall als Favorit auf den Titel gehandelt. Wie ist es, mit diesen Erwartungen und Gold vor Augen für den entscheidenden Lauf als letztes Paar aufs Eis zu gehen?
 
Das ist Fluch und Segen zugleich. Natürlich freut man sich, dass man nach dem Kurzprogramm schon vorne liegt und den ersten Schritt gemacht hat. Es ist insofern eine große Ehre, als letzte aufs Eis gehen zu können. Nichtsdestotrotz ist es auch super schwer, weil alle schon gelaufen sind und am Ende unserer Kür wissen, für welchen Platz es für sie selber reichen wird. Das ist nicht einfach da rauszugehen. Wir haben damit in dieser Saison aber schon etwas Übung und Routine, weil wir schon mehrfach als letztes gelaufen sind. Wir halten uns in den letzten Minuten beschäftigt und denken nicht zu viel nach.

Haben Sie die starke Kür der Italiener zuvor mitbekommen?
 
Ein bisschen. Ich habe versucht, nicht hinzugucken und nicht zu sehr auf die Reaktion der Italiener zu achten. Man hat anhand der Stimmung in der Arena aber schon gespürt, dass es kein schlechter Lauf war.

Minerva Hase und Nikita Volodin bei den Deutschen Meisterschaften (Quelle: IMAGO / CEPix)
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Im letzten Jahr haben Sie die EM-Medaille trotz großer Hoffnungen noch verpasst. Spuken die Gedanken daran ein Jahr später vor einem entscheidenden Lauf noch durch den Kopf?
 
Ja. Vor allem auch in den letzten Wochen im Training. Unser Hauptfehler damals war, dass die Hebung runtergegangen ist. Diese Saison hatten wir damit wirklich keine Probleme. Eine Woche vor der Abfahrt zur EM war es dann aber plötzlich wieder im Kopf drin. Auf einmal hatten wir hier und da wieder Wackler mit dieser Hebung - das ist echt faszinierend. Wir haben dann mit unserem Trainer genaue Punkte erarbeitet, auf die wir achten sollen, damit wir nicht an zu viele Details gleichzeitig denken. Wenn man zu viel nachdenkt, passieren die meisten Fehler. Vor der Kür haben wir aber schon beide gemerkt: Okay, hier ist es letztes Jahr gescheitert, lass' uns noch einmal stärker konzentriert sein. Das hat zum Glück geholfen.

Wie verhindern oder verringern Sie Nervosität vor Ihren Läufen mittlerweile?
 
Ich habe vor allem im letzten Sommer zu Beginn der Saison mit einer Sportpsychologin gearbeitet. Wir haben das letzte Jahr aufgearbeitet und geschaut, was ich besser machen kann. Mir hilft es am meisten, meine Gefühle gegenüber meinen Trainer offen zu kommunizieren. Die müssen wissen, wie es in mir aussieht, um mir helfen zu können. Ich habe gemerkt, dass, wenn ich etwas laut ausspreche, die Angst aus dem Kopf verschwindet. Meine Trainer reden mir gut zu und versuchen, Druck in etwas Positives umzuwandeln.

Ihr Triumph bei der EM ist der größte Erfolg für die Deutsche Eislauf-Union seit den Titeln von Aljona Savchenko und Bruno Massot bei Olympia und der WM vor knapp sieben Jahren. Die Vergleiche mit dem erfolgreichen Paar fallen immer häufiger.
 
Es ist doch schön, dass wir so große Namen in unserem Land haben. Aljona war ja nicht nur mit Bruno sehr erfolgreich, sondern auch mit Robin Szolkowy schon eine Größe. Ich fühle mich geehrt, dass ich nun auch meine Fußabdrücke in Deutschland hinterlassen darf. Wir sagen aber auch immer, dass wir nicht eins zu eins wie sie werden. Wir versuchen unser Bestes, um unsere eigene Version zu perfektioniere und ansatzweise in die Richtung dieser Paare zu laufen. Mit der EM haben wir einen Schritt in die richtige Richtung gemacht.

Im März stehen in den USA die Weltmeisterschaften an. Auch in Boston dürften die Erwartungen an die Europameister hoch sein.
 
Wir werden es ähnlich wie bei der EM machen und weniger an Platzierungen und Medaillen denken. Das Hauptziel ist es, gemeinsam mit den anderen deutschen Paaren die zwei oder drei Startplätze für die Olympischen Spiele für Deutschland zu holen. Alles, was dazukommt, ist ein 'Add-On'.

Vielen Dank für das Gespräch.
 
Das Interview führte Jonas Bürgener, rbb Sport.

Sendung: rbb24 Inforadio, 31.01.25, 18:15 Uhr