Wahl am Sonntag Das sind die fünf Präsidentschaftskandidaten von Hertha BSC im Check
Am Sonntag entscheiden Herthas Mitglieder, wer in die großen Fußstapfen des verstorbenen Kay Bernstein tritt. Hinter Interimspräsident Fabian Drescher hat sich ein buntes Quartett von Herausforderern gesammelt. Ein Vergleich.
Fabian Drescher – der große Favorit
Der Kandidat: Fabian Drescher ist in der ungewöhnlichen Situation, sich für ein Amt bewerben zu müssen, das er quasi schon innehat. Der 42-Jährige übernahm nach dem Tod von Kay Bernstein als Interimspräsident. Am Sonntag will der Rechtsanwalt nun das "Interims-" aus seinem Titel streichen lassen. Den Grund beschreibt der Familienvater im Stile Loriots sehr salbungsvoll: "Ein Leben ohne Hertha ist möglich, aber sinnlos."
Fünf Kandidaten bewerben sich um das Präsidentenamt von Hertha BSC und damit um die Nachfolge von Kay Bernstein. Dabei ist eine ganz spezielle Anforderung kaum zu erfüllen. Von Ilja Behnischmehr
Das Profil: Der gebürtige Berliner predigt mit Nachdruck den von Vorgänger Bernstein eingeschlagenen sogenannten "Berliner Weg". Seit 2016 ist er Mitglied des Präsidiums, gewann dort über die Jahre sukzessive an Verantwortung. Drescher trägt sie mit einer unaufgeregten Art, spricht lieber von Ruhe und Stabilität als vehemente Brüche mit dem bisherigen Kurs zu fordern.
Die Ziele: Drescher hat sich eine Herthaner-Dreifaltigkeit auf seine blau-weiße Fahne geschrieben: Den Nachwuchs fördern, sich wirtschaftlich weiter konsolidieren und in die Bundesliga zurückkehren. Wirtschaftliche Risiken würde er auf der Jagd nach dem Aufstieg kaum billigen - nicht zuletzt, weil er Hertha langfristig vom "Wohl und Wehe etwaiger Investoren" unabhängig machen will. Hinzukommen der Frauenfußball und die Stadionpläne, die Drescher vorantreiben will.
Die Fragen: Führt am Sonntag überhaupt ein Weg an Drescher vorbei? Ansonsten blieben die Fragen im Hertha-Umfeld die gleichen, wie in den vergangenen Jahren. Ergänzt durch eine weitere: Würde Drescher bei aller Konstanz genug neue Impulse bieten beziehungsweise zulassen?
Uwe Dinnebier
Uwe Dinnebier – der Geschäftsmann
Der Kandidat: So manch ein Hertha-Fan dürfte Uwe Dinnebier bislang vor allem aus dessen Radiowerbungen kennen. Knapp zwei Dutzend Autohäuser in der Region tragen den Namen des Unternehmers und dienen ihm als Paradebeispiel für seine unternehmerische Kompetenz. Hertha verfolge er seit rund 25 Jahren, sagte der 61-Jährige im rbb-Podcast "Hauptstadtderby", allerdings erst seit rund zwei Jahren als Mitglied.
Das Profil: Dinnebier versteht Hertha in erster (und vermutlich auch zweiter) Linie als Unternehmen, das es zu optimieren gilt. Wenig überraschend dominieren die Finanzen seine Herangehensweise an ein mögliches Präsidentenamt – und auch seine harsche Kritik an Fabian Drescher. Der sei "so weit weg von unternehmerischem Denken, wie man nur sein kann", sagt er.
Die Ziele: "Die finanzielle Situation deutlich verbessern", sagt Dinnebier im Hertha-Steckbrief zur Wahl am Sonntag. Dinnebier will den Wirtschaftsrat neu ins Leben rufen, neue Wege in Sachen Vermarktung gehen und eine "schnelle und pragmatische Lösung" in Sachen Investor finden. Die Kommunikation mit der Vereinsbasis sei ihm dabei wichtig – so wie der Aufstieg, das neue Stadion und das Überflügeln des 1. FC Union.
Die Fragen: Reicht unternehmerischer Einfallsreichtum, um genug Hertha-Fans von sich zu überzeugen? Mit einer tiefen Verbundenheit zur Hertha-Gemeinschaft dürfte Dinnebier bei den Mitgliedern eher nicht punkten.
Stepan Timoshin
Stepan Timoshin – der junge Herausforderer
Der Kandidat: Mit seinen 23 Jahren machte sich Stepan Timoshin zuletzt in den Boulevardmedien als "Sneaker-Millionär" einen Namen. Günstig einkaufen und teurer wieder verkaufen – was bei Herthas Transfers zuletzt nur selten funktionierte, perfektionierte der in Riga geborene Timoshin auf dem Sneaker-Markt. "Seit meiner Jugend mache ich zwei Dinge: Ich arbeite hart und gehe zu Hertha", sagt er.
Das Profil: … hat Timoshin früh geschärft. Mit klaren Worten und rauem Ton kritisiert er Herthas Führung und seine Mitbewerber. Er bemängelt deren (fehlende) Hertha-Leidenschaft und sagt: "Hertha BSC ist der schlimmste Sanierungsfall, ein Saustall, der in Ordnung gebracht werden muss."
Die Ziele: Ein von Timoshin verkündeter Fünf-Punkte-Plan lautet wie folgt:
1. Strategische Entscheidungen durch Mitgliederentscheide
2. Das Nachwuchsleistungszentrum weiter stärken
3. Sich aus dem "Würgegriff von 777 befreien"
4. Beratende Expertengremien bilden
5. Das Olympiastadion für "sozial-benachteiligte" Menschen zugänglicher machen.
Die Fragen: Wie genau sollen diese allesamt lobenswerten Vorhaben Realität werden? Diese Frage ließ der jüngste unter den präsidialen Anwärtern bislang weitestgehend offen …
Wolfgang Sidka
Wolfgang Sidka – der Ex-Profi
Der Kandidat: … dürfte zumindest Herthas älteren Mitgliedern sehr bekannt sein. Ganze 237 Spiele absolviere Wolfgang Sidka ab Mitte der 1970er-Jahre für die "Alte Dame". Als Trainer führte der Berliner Tennis Borussia ins DFB-Pokal-Halbfinale und Werder Bremen in den Europapokal. Und auch als Präsident arbeitete Sidka bereits: von 2021 bis 2023 beim VfB Oldenburg in der Regionalliga Nord und der 3. Liga.
Das Profil: "Als Spieler war ich ein Teamplayer. Diesen Teamgeist möchte ich auch bei Hertha einbringen", sagt Sidka in seinem Hertha-Steckbrief. Der 70-Jährige nimmt die Rolle des Ex-Profis und Herthaners dankbar ein, erzählt von den erfolgreichen 70er-Jahren und sagt im "Hauptstadtderby" selbstbewusst: "Ich bin der Berliner Weg."
Die Ziele: "Die 1. Bundesliga! Und das auf Dauer!" Sidka will aufsteigen und auf dem Weg das Miteinander bei Hertha weiter stärken und prägen. Er sieht sich dabei als Bindeglied – zwischen Mitgliedern, Verein, Geldgebern und Politik. Auch die Toiletten- und Eingangssituation im Olympiastadion wolle er sich vornehmen – so lange, bis die Stadiondebatte entschieden vorangetrieben wurde.
Die Fragen: Wie viel sind Sidkas Erfahrungen im deutschen Profi-Fußball vor der Jahrtausendwende heute noch wert? Und kann seine unbestreitbare Hertha-Leidenschaft fehlende Erfahrung als Unternehmer kompensieren?
Olaf Brandt
Olaf Brandt – der umstrittene Außenseiter
Der Kandidat: Olaf Brandt ist der größte Außenseiter unter den Außenseitern im fünfköpfigen Kandidatenfeld. Der 55-Jährige betreibt "Ollis Imbiss" am Olympischen Platz, hat sich zuletzt aber vor allem als Corona-Maßnahmen-Kritiker mit Beziehungen in die "Reichsbürger"-Szene einen Namen gemacht. Herthas Fahne trage er im Herzen, sagt er. Schals in Hertha-Farben trug er in den vergangenen Jahren mehrfach als Redner bei Kundgebungen, die von Rechtsradikalen veranstaltet wurden.
Das Profil: … wird von den oben beschriebenen Aktivitäten überstrahlt. Am ehesten kann man Brandt wohl als den am größten denkenden Kandidaten beschreiben. Statt Leuten, die "dilettantisch und amateurhaft arbeiten", müsse man sich selbstsicher geben. "Dieses Zelebrieren: Wir sind die Hauptstadt", sagt Brandt.
Die Ziele: Den Berliner Weg fortführen, vor allem aber sportlich endlich wieder Erfolge feiern. Und Brandts proklamierter genauer Plan? Aufstieg bis spätestens 2026, Einzug ins DFB-Pokalfinale 2028, Deutscher Meister bis 2030.
Die Fragen: Wer ist "die Wirtschaft", zu der Brandt laut eigener Aussage gute Beziehungen pflegt und die Herthas rasanten Aufstieg möglich machen soll? Namen will er "aus taktischen Gründen" vorerst keine nennen.
Sendung: rbb UM6, 17.11.2024, 18 Uhr