
Claudia Pechstein über Karriereende Claudia Pechstein über Karriereende: "Es ist ein Tag, den ich lange herbeigesehnt habe"
Claudia Pechstein hat ihre Eisschnelllauf-Karriere beendet. Die Beilegung eines langjährigen Doping-Streits habe das möglich gemacht und ihr Genugtuung verschafft, erzählt die Berlinerin im Interview.
rbb: Claudia Pechstein, nach mehr als 33 Jahren im Weltcup, acht Olympia-Teilnahmen und unzähligen Rekorden haben Sie Ihr Karriereende bekanntgegeben. Wie klingt das für Sie jetzt, kurz nach der Verkündung?
Pechtein: Es ist ein Tag, den ich lange herbeigesehnt habe. Ich habe immer gesagt, dass ich so lange mache, bis der Fall zu Ende ist - das ist jetzt passiert. Es ist natürlich schon Wahnsinn, weil das 16 Jahre lang zu mir gehört hat. Ich bin heute sehr dankbar, dass es so weit ist, dass ich meine Karriere beenden kann. Nach 50 Jahren auf dem Eis darf man irgendwann auch mal abtreten. Gerne stehe ich aber weiter als Trainerin auf dem Eis.

Haben Sie sich vor diesem Tag auch ein bisschen gefürchtet?
Nein. Er war wirklich langersehnt. Es war in den letzten vier bis fünf Jahren schon sehr hart, die Leistung aufrechtzuerhalten. Es ist mir nicht immer leicht gefallen, an den Start zu gehen und Vollgas zu geben. Ich glaube aber, dass es mit dem Fall im Nacken eine wahnsinnige Leistung war, Erfolge zu erringen. Darauf bin ich sehr, sehr stolz. Für mich fällt eine Last ab, dass der Fall beendet ist. Es ist aber Freude pur, die Schlittschuh an den Nagel hängen zu können.
Bei der letzten Verhandlung im Oktober 2024 hatte man schon das Gefühl, es könnte sich eine Wende im Fall und ein Ende andeuten. Damals haben Sie den Saal sehr emotional und unter Tränen verlassen. Heute dominiert ihr Lachen. Wie sieht es emotional in Ihnen gerade aus?
Wir wussten damals, dass am 24. Oktober auf gar keinen Fall ein Urteil gefällt werden würde. Die Tränen kamen auf, als ich mir noch einmal anhören musste, was ich in den letzten Jahren alles durchlebt habe. Es war trotzdem damals schon ein super Tag, weil ich den Senat bereits hinter mir hatte - das hatten nur nicht alle Medien verstanden. Es ist jetzt egal, was war. Der Fall ist endlich beendet. Wir haben eine Versöhnung mit der ISU (Internationale Eislaufunion, Anm. d. Red.), die wohl niemand für möglich gehalten hat. Klar hat es lange gedauert, aber was lange währt, wird endlich gut. Auch wenn es noch eine Weile dauern wird, das zu realisieren.

Spüren Sie auch ein Gefühl von Freiheit?
Ja, definitiv. Seit dem 27. Februar stehe ich morgens ohne den Fall Pechstein im Kopf auf. Das ist eine pure Befreiung, auch für meine Familie. Ich denke, wir werden jetzt mal eine richtige Party machen, um das auch herauszulassen.
Sie haben immer auch eine Entschuldigung der ISU gefordert. Jetzt heißt es, Sie hätten sich versöhnlich geeinigt. Sind Sie damit zufrieden?
Versöhnung ist noch ein besseres Wort als Entschuldigung. Zu einer Versöhnung gehört doch viel mehr dazu. Es war ein großer Schritt der ISU, diesen Weg auch so gemeinsam zu gehen. Ich finde Versöhnung in dem Fall wirklich passend - ich bin zufrieden.

Die ISU erkennt auch Ihre Blutanomalie an.
Auch das ist Genugtuung pur. Ich habe nie an der Gerechtigkeit gezweifelt und konnte jeden Tag in den Spiegel schauen. Das ist das, was für mich zählt. Die ISU hat neue Köpfe und wahrscheinlich auch die Nase voll davon, dass ich immer noch präsent war. Die wollten das beenden, jetzt gab es die Versöhnung und das ist schön für alle.
Sie hatten stets das Motto "Siegen oder sterben". Auf manche Menschen wirkt das verbissen, Sie waren nie "Everybody's Darling". Fühlen Sie sich manchmal auch falsch verstanden?
Mir wird das immer klar auf Terminen oder in Talkrunden, wenn die Menschen danach zu mir kommen und ganz verwundert sind, wie locker und menschlich ich ihrer Meinung nach bin. Das ist das, was für mich zählt. Die Medien stecken einen oft in eine Schublade und da kommt man nicht raus. Das gilt auch für den Stempel, den ich wohl mein ganzes Leben lang tragen werde, aber damit komme ich klar und gehe trotzdem meinen Weg. Als erfolgreicher Mensch und Sportler muss man Ecken und Kanten haben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jonas Schützeberg.
Sendung: rbb24 Abendschau, 10.03.25, 19:30 Uhr