Spieler des FC Bayern München kommen Benedict Hollerbach nach dem 1:0 entgegen (Bild: picture alliance/dpa/Andreas Gora)

Analyse | Union-Pleite gegen Bayern Analyse der Union-Pleite gegen Bayern: "Nicht widerstandsfähig"

Stand: 21.04.2024 08:35 Uhr

Der 1. FC Union kommt beim Heimspiel gegen die Bayern mit 1:5 unter die Räder. Gleich mehrere ungewohnte Schwächen in der Defensive bringen im Abstiegskampf neue Sorgen für die Köpenicker. Von Till Oppermann

Nenad Bjelica erinnerte in den Tagen vor Unions Heimspiel gegen den FC Bayern eher an einen Mönch als an einen Bundesligatrainer. Gebetsmühlenartig wiederholte er bei jeder Gelegenheit: "Es geht um die Existenz". Doch alle Versuche, die Mannschaft mit diesem Mantra auf den Abstiegskampf einzuschwören, blieben vergeblich.

All das, was Union in der Vergangenheit oft auszeichnete, ließ seine Mannschaft beim 1:5 gegen den Rekordmeister vermissen. Schwach in den Zweikämpfen, schlecht organisiert und mit großen Abständen zu den Gegenspielern wurden die Köpenicker Spieler zu Zuschauern. So spielt kein Team, das den Ernst der Lage erkannt hat.

Union-Spieler Robin Gosens sitzt enttäuscht auf dem Spielfeld (Bild: Imago Images/Matthias Koch)
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Schon das 0:1 offenbart die Probleme

Dementsprechend enttäuscht klang auch Mannschaftskapitän Christopher Trimmel, als er die Niederlage nach dem Spiel analysieren sollte. "Das tut weh, weil uns die Art und Weise sehr wichtig ist", klagte er. Insbesondere die zweite Hälfte setzte dem Österreicher zu. Zwar hätten schon in der ersten Hälfte hätten viele Dinge nicht gestimmt, so Trimmel - aber: "Da sind wir wenigstens aggressiv gewesen."
 
Zumindest phasenweise: Denn nach einer couragierten Anfangsphase, in der Union bereits nach 50 Sekunden für große Gefahr im Bayern-Strafraum gesorgt hatte, offenbarte das 0:1 in der 28. Spielminute schon vor der Pause gleich mehrere der Probleme der Eisernen.

Union arbeitet nicht im Kollektiv

Da wäre zum Beispiel Robin Gosens, dessen Weigerung nach einem versandeten Union-Konter zurück in die eigene Hälfte zu sprinten, bestes Anschauungsmaterial dafür lieferte, dass eben nicht alle in Köpenick den Abstiegskampf mental annehmen. Aus der Ferne sah der Linksverteidiger trabend zu, wie Leon Goretzka zur Münchner Führung einschoss. Trotzdem wäre es falsch, ihm allein die Schuld für das Gegentor in die geschonten Schuhe zu schieben.

Wir haben uns vorgenommen ins Gegenpressing zu gehen und nur die Hälfte macht mit.

Denn auch das gruppentaktische Verhalten seiner Mitspieler war nicht ausreichend. Während Gosens, Benedict Hollerbach und Kevin Volland nach Ballverlust in vorderster Front ins Gegenpressing gegangen waren, zog sich das Mittelfeld um Andras Schäfer und Lucas Tousart zurück. So entstand in der Zentrale eine große Lücke für den Gegner. Bis zum Einschlag hinter Frederik Rönnow bekamen die Unioner keinen Druck auf die ballführenden Bayern. "Wir haben uns vorgenommen ins Gegenpressing zu gehen und nur die Hälfte macht mit", schimpfte Gosens bei "Sky".

Defensivspieler wie Slalomstangen

Besonders bitter wurde es dann bei Harry Kanes Freistoßtreffer kurz vor der Pause. Nachdem sich die Unioner trotz eines klaren Fouls ausdauernd bei Schiedsrichter Sven Jablonski beschwert hatten, fehlte ihnen in der Mauer die Konzentration. Danilho Doekhi drehte sich beim Schuss weg und ließ den Ball passieren.
 
So ist man auch gegen schwächere Gegner als den FC Bayern nicht konkurrenzfähig. Zumal sich die Unioner nach dem Seitenwechsel - wie von Trimmel kritisiert - komplett aufgaben. Bei den Toren zum zwischenzeitlichen 0:3, 0:4 und 0:5 glichen die Defensivspieler Slalomstangen, die die beste Offensive der Liga nur umlaufen musste.

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Als die Fernsehkameras in der 70. Minute auf Vereinspräsident Dirk Zingler schwenkten, saß der mit leerem Blick und wütend gerunzelter Stirn in seiner Loge. Verständlicherweise, denn einmal mehr in dieser Saison bewiesen die Spieler auf dem Feld, dass Widerstandsfähigkeit für sie ein Fremdwort zu sein scheint. Nur drei mickrige Punkte holten die Köpenicker in den 20 Spielen, in denen sie in dieser Saison in Rückstand gerieten. In dieser Hinsicht ist keine Mannschaft in der Bundesliga schlechter.

Ehrentor macht Bjelica Hoffnung

Was die Unioner in der zweiten Halbzeit gegen Bayern darboten, haben ihre Fans in dieser Saison schon einmal gesehen. Im November gerieten die Eisernen in Leverkusen wehrlos mit 0:4 unter die Räder. Es war das letzte Spiel des langjährigen Trainers Urs Fischer, der verzweifelt um seine Freistellung bat, weil er das Team nicht mehr erreichte. Fast ein halbes Jahr danach bot sich am Samstag in der Alten Försterei ein ähnliches Bild. Fischers Nachfolger Nenad Bjelica ist aber trotz der Leistung seines Teams weiter gewillt, für den Klassenerhalt zu arbeiten.
 
Vielleicht auch deshalb, weil den Unionern anders als im November kurz vor Schluss zumindest noch ein Tor gelang. Yorbe Vertessen traf zum 1:5 und beendete verhinderte damit in letzter Sekunde, dass seine Mannschaft vier Spiele in Folge ohne eigenen Treffer geblieben wäre. "Wir haben immer wieder gut den gegnerischen Strafraum attackiert", sagte Bjelica nach dem Spiel betont positiv.
 
In Hinblick auf die Endspiele gegen die direkte Konkurrenz aus Mönchengladbach, Köln und Bochum möchte er im Training weiter an der Effizienz in der Offensive arbeiten. Die Fans gaben ihm und seiner Mannschaft auf einem Banner ein neues Mantra für die nächsten Tage vor: "Mit aller Gewalt, Klassenerhalt" - egal wie.

Sendung: rbb UM6, 21.04.2024, 18 Uhr