Thomas Springstein Comeback eines umstrittenen Sprint-Trainers
Thomas Springstein wurde 2006 wegen Dopings einer Minderjährigen zu einem Jahr und vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. 17 Jahre danach hat er nun zusammen mit seiner Frau Grit Breuer in Rostock einen Leichtathletik-Verein gegründet. Aber hat ein Trainer, der in Dopingskandale verstrickt war, viele Jahre später eine zweite Chance verdient? Und wenn ja, wie?
Der ehemalige Startrainer spaltet auch heute mit 65 Jahren noch die Meinungen in der Leichtathletik-Szene. So auch am vergangenen Wochenende bei den Norddeutschen Meisterschaften der unter Zwanzigjährigen in Hamburg.
"Ja, ich habe da ziemliche Bauchschmerzen, schließlich ist das einer der heftigsten Dopingfälle gewesen. Einige sagen, er hat eine zweite Chance verdient. Aber es gibt einen Ehrenkodex und deshalb würde ich persönlich keine Halle mehr betreten, wenn ich so etwas angestellt hätte", sagte Trainer Jan Dreier von LK Weiche Flensburg dem NDR.
Reaktionen fallen unterschiedlich aus
Sein Kollege Andreas Fuchs aus Kronshagen empfindet das genaue Gegenteil: "Grundsätzlich finde ich das toll, dass er sich für seine Tochter, für junge Menschen wieder engagiert. Wir haben sowieso viel zu wenig Trainer. Ich finde das sehr respektabel und in Ordnung."
Dirk Schulz, Siebenkampf-Landestrainer aus Schleswig-Holstein, spricht von einem beklemmenden Gefühl. "Es wäre schon schwer bei Leuten, die bekennen, was falsch war. Aber ich kenne kein solches Bekenntnis und deswegen fällt es mir auch schwer, dabei kollegial entspannt zu sein."
Andreas Grieß, Landestrainer Lauf Hamburg, wägt ab: "Bei allen moralischen Themen darf kein Gras drüber wachsen, gleichzeitig leben wir zum Glück in einer Gesellschaft, wo Menschen auch eine zweite Chance bekommen dürfen. Grundsätzlich ist er willkommen, aber ich würde jetzt keinen Kaffee mit ihm trinken."
Sperren für Krabbe und Breuer
Thomas Springstein und Doping, das hat inzwischen eine rund 40-jährige Geschichte. Studiert hat der Sprinttrainer in Leipzig an der DDR-Kaderschmiede DHfK. Vor der Wende ist er beim SC Neubrandenburg, der damals offenbar über ein ausgewachsenes Dopingprogramm verfügt.
Nach der Wende wird Springstein Bundestrainer und Stützpunkttrainer in Neubrandenburg. 1992 geben mehrere seiner Athletinnen im Trainingslager in Südafrika identische Urinproben ab. Unter anderem die Doppelweltmeisterin Katrin Krabbe und Europameisterin Grit Breuer. Ein halbes Jahr später werden sie wegen der Einnahme des in der Kälbermast gebräuchlichen Mittels Clenbuterol überführt und wegen Medikamentenmissbrauchs gesperrt.
2006 wird Thomas Springstein wegen Dopings einer Minderjährigen zu 16 Monaten auf Bewährung verurteilt. Laut Gericht gab er der damals 16-jährigen Anne-Kathrin Elbe ein Fläschchen mit Vitaminpillen, die sich nach einer Untersuchung als Testosteron-Präparat herausstellten.
Eigenen Verein OSL Rostock gegründet
Bislang waren Thomas Springstein und seine heutige Ehefrau Grit Breuer mit ihrer Tochter beim 1. LAV in Rostock. Doch dort gab es offenbar unterschiedliche Auffassungen über die Trainingsgestaltung. Nun trainiert die 15-Jährige auf denselben Anlagen, aber im neuen Verein, dem Ostsee Sprint- und Laufteam Rostock (OSL). Mit dabei sind zwei andere Nachwuchsathletinnen.
"Sie trainierte ja bis zum Sommer beim 1. LAV Rostock. Es bestand dann der Wunsch von ihr, bei ihren Eltern zu trainieren oder betreut zu werden. Das war in unseren Leistungssportstrukturen so nicht möglich. Wir hätten es uns anders gewünscht. Das kann ich so offen und ehrlich sagen, aber es passt dann nicht zusammen. Und wir akzeptieren dann auch, wenn in diesem Fall ein besonderer Weg gewählt wird", erklärte Ralf Ploen, Landestrainer Mecklenburg-Vorpommern.
So sieht es heute juristisch im Fall Springstein aus
Dopingprävention ist eine der zentralen Aufgaben der Landessportbünde. Torsten Haverland, Geschäftsführer des LSB Mecklenburg-Vorpommern, äußerte sich auf NDR Anfrage zu Springsteins Comeback: "Es ist nicht schön, aber es ist normal. Man muss das auch aus dem Blickwinkel der Eltern sehen, die ja selber erfolgreich waren. Springstein wird von uns nicht finanziert, er kriegt keine öffentlichen Mittel und was er privat dort macht, das ist quasi seine Sache."
Seit 2015 gibt es in Deutschland ein neues Antidopinggesetz, das der Bekämpfung des Einsatzes von Dopingmitteln und -methoden im Sport dient und vor allem Fairness und Chancengleichheit und damit die Integrität des Sports sichern soll. Wie sieht es heute juristisch im Fall Springstein aus?
"Wenn eine Sperre oder eine Sanktion abgesessen wurde, dann steht auch erst mal nichts entgegen, wieder in den Sport zurückzukommen. Aber aus der sportspezifischen Perspektive und moralisch-ethisch muss man natürlich differenzierter draufschauen. Ist dann das entsprechende Umfeld bereit? Sind sie vorbereitet, tatsächlich mit jemandem wieder Sport zu treiben, der eine solche Vergangenheit hat?", sagte Lars Mortsiefer, Chef der deutschen Anti-Dopingagentur Nada.
Wie steht es um die Vorbildfunktion?
Auch für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist es "wichtig, dass alle, die bei Herrn Springstein trainieren oder ihm ihre Kinder anvertrauen, über seine Vergangenheit als Trainer vollumfänglich aufgeklärt sind." Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) erkärte kurz und knapp: "Da kein Berufsausübungsverbot gegeben ist, kann er wieder als Trainer arbeiten."
Doch in den Ehrenerklärungen von DOSB und DLV wird die besondere Vorbildfunktion von Trainerinnen und Trainern herausgehoben. Jeder Trainer unterschreibt dort diesen Satz: "Insbesondere übernehme ich eine positive und aktive Vorbildfunktion im Kampf gegen Doping."
Der DLV schreibt dazu: "Da der DLV nicht mit Thomas Springstein zusammenarbeitet, stellt sich für uns die Frage nach Springsteins Vorbildfunktion nicht."
Weder Thomas Springstein noch seine Frau Grit Breuer waren bereit, dem NDR Sportclub etwas zu dem Sprintteam zu sagen. Tochter Paula wurde in Hamburg Dritte über 200 m. Die Frage aber, ob ihr Vater Thomas Springstein heute ein geeigneter Trainer ist, wird noch lange mitlaufen.
Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 04.02.2024 | 22:50 Uhr