Geschäftsführer Martin Kind von Fußball-Zweitligist Hannover 96

Nach BGH-Urteil Martin Kind nicht mehr Geschäftsführer von Hannover 96

Stand: 16.07.2024 19:36 Uhr

Martin Kind ist nicht mehr Geschäftsführer des Fußball-Zweitligisten Hannover 96. Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte am Dienstag in Karlsruhe, dass die Abberufung des Unternehmers als Chef der Hannover 96 Management GmbH durch die Führung des Muttervereins Hannover 96 e.V. vor zwei Jahren rechtens war.

Als letzte Instanz wies der BGH in seinem Urteil Kinds Klage gegen die Abberufung zurück. Vor dem Landgericht Hannover und dem Oberlandesgericht Celle hatte sich der 80-Jährige noch erfolgreich dagegen wehren können. Deren Entscheidungen hob das höchste deutsche Zivilgericht am Dienstag aber auf.

Aufsichtsratschef Nestler: "Fühlen uns bestätigt"

"Wir fühlen uns bestätigt. Wir wären aber gerne einen anderen Weg gegangen. Nicht über zwei Jahre. Und ohne Prozess wäre uns am liebsten gewesen", sagte Ralf Nestler, Aufsichtsratschef des e.V. nach dem Urteil am Dienstag. Kinds größter Gegenspieler zeigte sich sogar versöhnlich: "Herrn Kind gebührt Dank und Respekt für die viele Arbeit und die vielen, vielen Jahre, die er für Hannover 96 geleistet hat."

Kind selbst nannte es gegenüber dem NDR "ein wenig bedauerlich, dass sie das Gesamtkonstrukt der Unternehmensstruktur von Hannover 96 im Urteil nicht berücksichtigt haben". Er sei "immer der Hoffnung gewesen, dass Gerichte Rechtsklarheit insgesamt schaffen" würden. Nun habe man "teilweise Rechtsunsicherheit", sagte er.

Kind wechselt in den Aufsichtsrat

Seine Gesellschaftsanteile am Profifußball-Bereich von Hannover 96 hatte Kind bereits vor einigen Monaten an seinen jüngeren Sohn Matthias übergeben. Der bisherige 96-Geschäftsführer war am Dienstagmorgen nicht anwesend gewesen, hatte aber angekündigt, sich "erst mit meinen Anwälten beraten" und zu einem späteren Zeitpunkt eine Mitteilung veröffentlichen zu wollen. Laut 96-Mitteilung werde er in den "Aufsichtsrat der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA" wechseln.

Konflikt zwischen Kind und Mutterverein seit Jahren

Kind liefert sich seit Jahren mit einer Gruppe um Vereins-Präsident Sebastian Kramer einen Machtkampf, der Unternehmer hatte in einer komplizierten Struktur der ausgegliederten Fußball-Abteilung bisher das Sagen.

Der Vorwurf an ihn von Vereinsseite: Kind habe seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt, Informationen und Zahlungen vorenthalten. Deshalb fassten Vertreter des Hannover 96 e.V. vor zwei Jahren in einer Gesellschafterversammlung den Beschluss, Kind "mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer" abzuberufen. Dagegen hatte Kind geklagt und zweimal Recht bekommen, der BGH entschied nun für den Mutter-Verein. Eine höhere Instanz gibt es in Deutschland nicht mehr.

Die Vereinsstruktur von Hannover 96

Die Vereinsstruktur von Hannover 96

Streitpunkt "Hannover-96-Vertrag"

Kern des Konflikts ist der sogenannte Hannover-96-Vertrag, der die Zusammenarbeit zwischen Vereins- und Kapitalseite regeln soll. Die 50+1-Regel schreibt zwar vor, dass die Muttervereine im Fall einer Ausgliederung des Profibereichs die Stimmenmehrheit in der Kapitalgesellschaft behalten müssen und ein Weisungsrecht gegenüber deren Geschäftsführern besitzen. Im 96-Vertrag steht aber, dass diese Geschäftsführer nur dann ernannt oder abberufen werden können, wenn beide gleichstarken Lager im vierköpfigen Aufsichtsrat dem zustimmen.

"Die Beachtung des sogenannten Hannover-96-Vertrags zählt nicht zu den tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts. Der Streit um die Folgen einer Verletzung dieses Vertrags ist zwischen den Vertragsparteien auszutragen", heißt es vom BGH aus Karlsruhe. So könnte der "96-Vertrag" und eine etwaige Verletzung von Seiten des Muttervereins Kind die Möglichkeit bieten, weitere juristische Schritte gegen seine Absetzung einzuleiten.

Aufsichtsrat muss neuen Geschäftsführer finden

Stand jetzt muss der Aufsichtsrat der Profi-Fußballer nun aber einen neuen Geschäftsführer finden. Bisher hat sich das vierköpfige Gremium aber nicht auf einen Kandidaten verständigen können. Sollte es zu keiner Einigung auf einen Kind-Nachfolger kommen, würde das Amtsgericht Hannover einen Not-Geschäftsführer bestimmen.

Vorerst keine Auswirkungen auf 50+1-Regel

Das Urteil des Bundesgerichtshofs hat auch Folgen für die Deutsche Fußball Liga (DFL). Denn mit Kind ist ein entschiedener Gegner der 50+1-Regel im deutschen Profifußball nicht mehr in einer verantwortlichen Position. Als Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter des ausgegliederten Profifußball-Bereichs von Hannover 96 hatte er zunächst vergeblich versucht, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten.

Seitdem befürchteten viele Unterstützer der Regel, er könne diese nur in Deutschland geltende Beschränkung für den Einfluss externer Investoren vor ein ordentliches Gericht ziehen. Alle mit dem Fall beschäftigen Gerichte stellten jedoch klar, dass es in diesem Verfahren nicht um die Wirksamkeit der 50+1-Regel ging, sondern nur um den jahrelangen Streit zwischen der Kapital- und der Vereinsseite bei Hannover 96. 

Dort wurde Kind 1997 zunächst zum Präsidenten gewählt. 1999 gliederte er den Profifußballbereich aus. Mit einer kurzen Unterbrechung von 2005 bis 2006 war Kind bis zu diesem Jahr stets Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter dieses Bereichs. Der Mutterverein Hannover 96 e.V. wird aber seit 2019 von Kind-Gegnern geführt.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 16.07.2024 | 08:00 Uhr