Trainer Niko Kovac von Borussia Dortmund

Datenanalyse Datenanalyse: Kovac ist richtig bei Borussia Dortmund - aber nicht für lang

Stand: 19.02.2025 20:56 Uhr

Der Effekt des Trainerwechsels bei Borussia Dortmund - so es denn überhaupt einen gegeben hat - scheint bereits verpufft. Die Datenanalyse zeigt, dass Niko Kovac und der BVB trotzdem zusammenpassen könnten. Wenn auch nicht langfristig...

Von Florian Neuhauss

Glanzlos, aber am Ende souverän hat Borussia Dortmund die Hürde Sporting Lissabon genommen und steht im Achtelfinale der Champions League. Nach dem 3:0-Sieg im Play-off-Hinspiel in Portugal reichte der Mannschaft von Trainer Niko Kovac am Mittwochabend ein 0:0 im eigenen Stadion zum Weiterkommen.

Dortmund in der Bundesliga nur Elfter

Minimalziel erreicht, aber die aktuelle Verunsicherung des Tabellenelften der Bundesliga war auch in der "Königsklasse" zu sehen. Geschäftsführer Sport Lars Ricken hatte schon bei der Verpflichtung von Kovac Ende Januar von einer "herausfordernden Situation" gesprochen. Diese Situation ist seitdem noch prekärer geworden. Beim Debüt gab es ein 1:2 gegen den VfB Stuttgart. Den vorläufigen Tiefpunkt erlebte die Borussia am vergangenen Wochenende beim 0:2 bei Schlusslicht VfL Bochum.

Als Elfter ist Dortmund nach 26 Spieltagen sechs Punkte von der Qualifikation zum Europapokal entfernt. Die Rede ist wohlgemerkt von der Conference League.

Und doch kommt die Analyse der von Global Soccer Network (GSN) zu dem Ergebnis, dass Kovac (eigentlich) der richtige Mann für den Job ist. Zumindest, um den BVB wieder in die Erfolgsspur zu führen.

Kovacs Fußball: "Physisch stark und gut organisiert"

Eine kompakte Defensive und eine strukturierte Offensive durch taktische Flexibilität und hohes Pressing nennt GSN als die Schlüsselelemente von Kovacs Fußball-Philosophie. "Seine Mannschaften sind physisch stark, gut organisiert und schwer zu bespielen, weil sie flexibel auf verschiedene Spielsituationen reagieren können", lautet die Zusammenfassung der Analysten.

Legt man die Tabelle nach "Expected Points" zugrunde, stünden die Dortmunder auf Rang fünf! Doch eine bessere Platzierung verhindern vor allem haarsträubende Fehler in der Defensive. Und der Offensive gelingt es in dieser Saison nicht, diese Fehler auszugleichen.

Dortmund hat sieben Tore weniger geschossen als im Vergleich zum selben Zeitpunkt vor einem Jahr - und elf Gegentreffer mehr kassiert. Aktuell steht die Tordifferenz bei -1 und erinnert an eine Zeit, in der der BVB kein Topclub mehr war.

GSN hat drei große Baustellen für die Dortmunder Misere ausgemacht: 1. Defensive Stabilität und Gegentoranfälligkeit, 2. Chancenverwertung und offensive Effizienz sowie 3. Zweikampfverhalten und Kampf um zweite Bälle. Hier muss und kann Kovac ansetzen: Das sogenannte "Lösungspotenzial" beziffern die Datenspezialisten auf 80 Prozent. Das ist ein guter, fast schon sehr guter Wert.

Trainer Kovac hat "internationale Klasse"

Kovac ist Inhaber der UEFA-Pro-Lizenz. Der GSN-Trainer-Index weist ihn zudem mit 74,70 Punkten als einen Coach mit internationaler Klasse aus. Seine Stärken "Struktur, Organisation und Intensität" sind allerdings eng mit den "Problemen" in seinem System verbunden.

Was ist der GSN-Trainer-Index

Der GSN-Index bei Trainern setzt sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen. Relevanz haben:

  • die Stärke des eigenen Teams im Verhältnis zur Stärke der Liga - geholte Punkte werden faktorisiert.
  • die Spielerentwicklung - entwickeln sich Spieler unter einem bestimmten Trainer weiter, stagnieren sie oder werden gar schlechter?
  • taktische Flexibilität - schafft es ein Trainer, sein Team situationsbedingt taktisch umzustellen, um damit erfolgreich zu sein?
  • statistische Werte der Mannschaft - auch taktisch und technisch.

Bewertungs-Skala:

  • 85 - 100: Weltklasse-Trainer wie Klopp, Guardiola oder Flick
  • 70 - 85: Trainer, die die Fähigkeiten haben, eine Nationalmannschaft zu coachen oder einen Club, der international spielt (innerhalb der Top-Fünf-Ligen)
  • 60 - 70: Bundesliga-Trainer
  • ...

Die Datenauswertung zeigt, dass die Kovac-Teams nicht gerade vor Kreativität in der Offensive strotzen. Außerdem geht es auf dem Platz eher durch die Mitte denn über die Flügel. Klingt eigentlich nicht nach dem erfolgreichen Dortmund der vergangenen Jahre.

Auf seinen bisherigen Stationen legte er großen Wert auf taktische Disziplin, was manchmal zu Lasten der spielerischen Freiheit ging und eben auch die Kreativität einschränken kann. Die Folge: Wenn sich der Gegner hinten reinstellt, fehlen oft Lösungen, um spielerisch Lücken zu finden.

Kovac erarbeitet sich in Frankfurt einen guten Ruf

Kovac, mittlerweile 53 Jahre alt, bezeichnet sich selbst als "Kind der Bundesliga". In 148 Zweitliga- und 241 Bundesliga-Partien ist der gebürtige Berliner im deutschen Fußball groß geworden. Seine Nationalmannschaftskarriere (83 Partien) absolvierte Kovac aber für Kroatien. 2001 gewann er mit den Bayern den Weltpokal, 2003 das Double aus Meisterschaft und Pokal - alle Titel unter Legende Ottmar Hitzfeld.

Mit dem DFB-Pokal-Sieg 2018 setzte sich Kovac bei Eintracht Frankfurt selbst als Trainer ein Denkmal. Das Tor zum 3:1-Endstand gegen Bayern München von Mijat Gacinovic hat sich tief ins Gedächtnis eingebrannt. Der Serbe dribbelte nach einer abgewehrten Ecke, zu der Keeper Manuel Neuer mit nach vorn geeilt war, über den halben Platz. Das ganze Stadion erhob sich - und Gacinovic schoss ins leere Tor.

Kovac war in der Folge knapp eineinhalb Jahre selbst Coach der Münchner (2019 Doublesieger) und danach ähnlich lange Cheftrainer des französischen Topclubs AS Monaco. An beiden Stationen war er den Verantwortlichen allerdings nicht erfolgreich genug. Und besonders bei den Bayern gab es auch immer wieder Kritik, an Kovacs unspektakulärer Spielweise.

Schwere Zeiten für Kovac in Wolfsburg

Seine bis dato schwierigste Zeit als Trainer hatte Kovac wohl in Wolfsburg, wo er antrat, um den Club nach enttäuschenden Jahren unter Mark van Bommel und Florian Kohfeldt wieder ins internationale Geschäft zu führen - am besten gleich in die Champions League. Markigen Worten folgten aber zu selten ebensolche Taten.

In seiner Debütsaison 2022/2023 wurden die "Wölfe" am Ende Achter. Ein Punkt fehlte zur Qualifikation für die Conference League. Als die Wolfsburger im März 2024 wieder in Abstiegsgefahr zu geraten drohten, wurde Kovac beurlaubt. Auch hier dauerte seine Amtszeit am Ende grob eineinhalb Jahre.

Kovac "nicht die ideale langfristige Besetzung für den BVB"

Sein Wirken in Wolfsburg klingt eigentlich nicht nach einem Bewerbungsschreiben für die Aufgabe in Dortmund. Zumal der Job beim BVB einen persönlichen Aufstieg bedeutet. Aber da war eben diese "herausfordernden Situation", von der Geschäftsführer Ricken sprach.

Das Fazit der Datenanalyse ist eindeutig: Kovac sei zwar ein Trainer, "der den Kader in wichtigen Bereichen optimieren könnte, jedoch nicht die ideale langfristige Besetzung für den BVB". Gerade der Spielaufbau und die schwach ausgeprägte offensive Kreativität würden "nicht vollständig zu Dortmunds Identität passen".

Aber womöglich sind Ricken sowie sein Geschäftsführer-Kollege Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Sebastian Kehl in der gegenwärtigen Lage auch einfach realistisch. Dortmund muss sich stabilisieren - und vielleicht reicht es am Ende ja doch zumindest noch für die Europa League. Ein Schelm, wer bei der Vertragslaufzeit Böses denkt: Die beträgt nämlich anderthalb Jahre.

Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 19.02.2025 | 12:17 Uhr