Erfurt Warum Eisschnellläuferin Victoria Stirnemann jetzt in den Boxring steigt
Für Victoria Stirnemann ist Eisschnelllaufen ihr Leben. Ihr großes Ziel: die Olympischen Winterspiele 2026. Warum die Sportlerin, die auf Instagram mehr als 160.000 Follower hat, dafür jetzt die Schlittschuhe gegen die Boxhandschuhe tauscht.
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Von der Decke hängen Boxsäcke, in der Mitte steht ein Boxring, mehrere Sportler wärmen sich mit Seilspringen auf. In einem Trainingsraum in der Erfurter Thüringenhalle liegt Schweiß in der Luft. Mittendrin: Victoria Stirnemann. Die 21-jährige Eisschnellläuferin bereitet sich hier auf ihren ersten Profi-Boxkampf vor.
Es dauert nur wenige Sekunden, bis sich die 21-Jährige ihre Boxhandschuhe übergezogen hat und bereit ist loszulegen. Seit Anfang März, nach dem Ende der Eisschnelllaufsaison, bereitet sich Stirnemann intensiv auf ihren ersten Kampf vor. Der Ring ist eigentlich nicht ihr Zuhause.
Normalerweise dreht die Polizeimeisterin ihre Runden wenige Meter weiter entfernt in der Erfurter Eislaufhalle, die nach ihrer Mutter Gunda benannt ist. Dass Victoria jetzt die Kufen kurzzeitig gegen die Boxhandschuhe austauscht, hat mehrere Gründe.
Verletzung drohte Sportkarriere zu beenden
Anfang 2023 half Stirnemann das Boxtraining, um den Kopf freizubekommen. Sie plagte sich mit einer langen Verletzung herum, die so zäh war, dass sogar das Karriereende im Raum stand. Das Boxtraining half ihr aus diesem Loch heraus - und so lief sie in dieser Saison bei der Europameisterschaft in Heerenveen ihre persönliche Bestzeit über die 1.500 Meter.
Der Fokus von Victoria Stirnemann bleibt weiter der Eisschnellauf.
Das Boxtraining, sagt sie, sei außerdem ideal für die allgemeine Fitness. Zudem werden Muskelgruppen beansprucht, die beim gewöhnlichen Eisschnelllauftraining weniger eine Rolle spielen.
Freund inspirierte Victoria Stirnemann zum Boxen
Beim Training sollte es nicht bleiben. Stirnemanns Freund Salah Jahel, selbst Profikämpfer, hat sie auf die Idee gebracht, in den Ring zu steigen. Er war dann auch ihr erster Sparringspartner. Drei Minuten lang. Stirnemann lacht, wenn sie von diesem ersten Training erzählt. Viel zu forsch sei sie in den Ring gestiegen, zu euphorisch sei sie gewesen. So würde niemand eine Runde durchhalten, sagte ihr Freund.
Jetzt geht sie anders an die Sache heran, nicht mehr so stürmisch. Ihre Devise ist nun: erst einmal herantasten und schauen, was der Gegner macht. Das ist auch ihr Motto vor dem ersten Kampf, der auf maximal vier Runden ausgelegt ist. Die Kunst sei es zu schlagen, ohne selbst getroffen zu werden, lacht Stirnemann. Angst davor, eins auf die Nase zu bekommen, hat sie nicht wirklich. Es könne ja nichts passieren, was man nicht reparieren könne.
Ihr Freund Salah Jahel brachte Victoria Stirnemann dazu selbst zu Boxen.
Allgemein gibt sie sich sehr locker, von Nervosität ist wenige Tage vor dem ersten Kampf an diesem Samstag noch nichts zu spüren. Und das, obwohl ihre Gegnerin Sabine Hempel aus Leipzig bereits mehrere Profikämpfe in den Fäusten hat.
Victoria Stirnemann hat ihren Ausflug in den Boxring erfolgreich absolviert. Die 21-Jährige gewann ihren Kampf am Samstagabend in der Erfurter Riehtsporthalle gegen die Leipzigerin Sabine Hempel durch K.o. in der zweiten Runde.
Unterstützung von den Eltern
Volle Unterstützung erhält Stirnemann von ihren Eltern. Ihr Vater, sagt sie, sehe ein Funkeln in den Augen, wenn seine Tochter vom Boxen spricht. Ihre Mutter, die dreifache Olympiasiegerin im Eisschnelllauf, Gunda Niemann-Stirnemann, war vom Training begeistert.
Als es allerdings hieß, dass ihre Victoria wirklich in den Ring für einen Kampf steigen solle, sah die Tochter schon einen kleinen Schock bei ihrer Mutter. Aber sie unterstütze sie trotzdem. So war es schon immer, erzählt Victoria erfreut.
Mutter Gunda Niemann-Stirnemann unterstützt ihre Tochter auf dem Weg in den Boxring. (Archivbild)
Fokus bleibt auf dem Eisschnelllauf
Ob es ein einmaliger Auftritt im Profiboxen bleibt, steht noch nicht fest. Stirnemann will abwarten, wie der Kampf so läuft. Fest steht aber schon, dass ihr Fokus weiter voll auf dem Eisschnelllaufen liegt. Dafür werde sie von ihrem Arbeitgeber, der Bundespolizei, bezahlt.
Da hat sie noch große Ziele. Über allem stehen die Olympischen Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo. Da will sie unbedingt dabei sein - nicht mit Box-, sondern mit Schlittschuhen.
MDR (jw)