Fußballfans auf dem Augustusplatz in Leipzig

EM-Bilanz Fan-Jubel, volle Stadt: Und was bleibt für Leipzig hängen?

Stand: 01.07.2024 05:00 Uhr

Viele hoffen, dass die diesjährige Fußball-EM ein Sommermärchen 2.0 wird. Nach den bisherigen Spielen und gutgelaunten Fans stehen die Weichen dafür nicht schlecht. Neben diesen Fan-Träumen hat aber auch die UEFA große Erwartungen: Gewinne von rund einer Milliarde Euro. Von diesem Geld wollen auch die zehn Austragungsstädte etwas abhaben. Was für diese aber übrig bleibt, ist offen. Das zeigt das Beispiel Leipzig, wo sich die Gastronomen freuen, die DEHOGA aber nicht ganz zufrieden ist.

Von MDR SACHSEN

Ganz in orange und mit der Stimmung eines Volksfest hat der niederländische Fanmarsch viele Leipziger positiv überrascht. "Gänsehaut pur - an dem Spieltag bin ich mit vielen Niederländern ins Gespräch gekommen und die mochten die Stadt. Ich glaube, durch die EM lernen einige Leipzig dann auch neu kennen und kommen wieder", vermutet Basti Knape. Der 26 Jahre alte Leipziger ist davon überzeugt, dass seine Heimatstadt von der EM profitiert.

Mann mit schwarzem Puma-Trikot auf dem Leipziger Marktplatz.

Basti Knape ist Leipziger und hat positive Erfahrungen mit den Fans gemacht. Er vermutet, dass die EM der Stadt nützen wird.

Ein ähnliches Urteil fällt auch die 52-jährige Tanja Modersohn. Die Leipzigerin sieht aber auch Probleme: "Viele Anwohner sind aber auch gefrustet oder es nervt, wenn dann auch viel gesperrt ist. Da könnte die Stadt besser kommunizieren. Vielleicht könnte man die Menschen auch mehr mitnehmen und erklären, wie viel konkret durch die EM eingenommen wurde. Schließlich kostet das ja auch Millionen Steuergelder."

Wirtschaftshoffungen sind groß

Der Sprecher der Leipziger Verkehrsbetriebe, Marc Backhaus, geht von einer positiven Wirtschaftsbilanz aus. Die genauen Zahlen werde er aber erst in ein paar Monaten haben: "Wir wissen aus der Vergangenheit, dass solche Großevents immer ein gutes Plus bei den Fahrgastzahlen bedeuten und sich für uns rentieren. Daher rechnen wir auch bei der EM mit einer positiven Bilanz." Auch Sachsens Landesregierung bewertet das Event positiv, für Regierungssprecher Ralph Schreiber ist Leipzig als Austragungsstadt "eine tolle Werbung für den Freistaat".

Fun-Facts von der Leipziger Fanzone:

- Bisher strömten rund 175.000 Fußballfans in die Fanzone auf dem Augustusplatz. - Dabei tranken die Feiernden etwa 35.000 Liter Bier. Durchschnittlich sind das nur 0,2 Liter pro Person. - Die Stadtreinigung hat seit dem Beginn der EM am 14. Juni ungefähr 200 Tonnen Müll im Stadtgebiet entsorgt.

Die Stadt Leipzig gibt Millionen aus, um die Auflagen der UEFA zu erfüllen: Für Fanmeile, Fanfeste, Sicherheitskonzepte, Trinkbrunnen und vieles mehr plant die Stadt mit Ausgaben von rund 15 Millionen Euro. Auf Nachfrage gibt die Stadt an, dass sie einen Konjunkturschub in Höhe von 59,4 Millionen Euro erwartet. Das sagte auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) im Stadtrat, als er die Entscheidung mit dem erwarteten Wirtschaftsplus rechtfertigte.

Gute Investition oder kleines Strohfeuer

Ob diese Erwartungen gerechtfertigt sind, ist in der Wissenschaft umstritten. Der Wirtschaftsprofessor Henning Zülch von der Leipziger Handelshochschule geht in einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" davon aus, dass die 15 Millionen Euro gut investiert sind.

Was kostet … die Fußball-EM?

Der Makroökonom Oliver Holtemöller von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sieht das etwas anders. Ein solches Sportgroßereignis kurbele die Wirtschaft nicht an. "Es kann ein kleines Strohfeuer in ein, zwei Wochen entfachen. Das wird dann auch wirklich die Menschen beflügeln. So etwas kann sich regional branchenbezogen und kurzfristig positiv auswirken. Aber langfristige, substanzielle ökonomische Effekte gehen davon nicht aus."

So etwas kann sich regional branchenbezogen und kurzfristig positiv auswirken. Aber langfristige, substanzielle ökonomische Effekte gehen davon nicht aus. Oliver Holtemöller | Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Leipziger Gastronomen freuen sich über Stimmung

Während die Experten uneins sind, freuen sich Gastronomen über den Zulauf: "Es waren viele Gäste da, fröhliche Gäste und die Fans haben wirklich Leben in die Stadt gebracht", erzählt die Eisverkäuferin Mona Steiner vom Eiscafé Nicecream. Sie wünscht sich so etwas öfter für Leipzig. Wegen der vielen Menschen in der Stadt seien auch bei ihr im Laden deutlich mehr Kunden als sonst gewesen.

Mann mit Tablet und Bier

Der Gastronom Ivo Knezovic betreibt ein Restaurant an der Nikolaikirche. Neben den vielen Kunden freut er sich vor allem über die positive Stimmung in Leipzig.

Auch im Restaurant von Ivo Knezovic an der Nikolaikirche kommen viele Fußballfans vorbei. Gerade das Spiel Kroatien gegen Italien sei etwas Besonderes für ihn gewesen: "Ich bin selber Kroate und musste an dem Tag dann für ein paar Fans dolmetschen. Bei den Spielen ist es immer sehr voll und wir freuen uns, wenn die Menschen aus aller Welt vorbeikommen." Neben den Kunden freut sich der 68-Jährige vor allem auch über die positive Stimmung der Fans.

Dehoga setzt auf langfristige Wirkung

Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Sachsen geht davon aus, dass Leipzig und die Region von dem Event profitieren werden. Selbst wenn man bisher mit höheren Gewinnen gerechnet habe, sei man zufrieden, erklärt der Hauptgeschäftsführer der Dehoga Sachsen, Axel Klein. "Wir wissen, dass viele gesagt haben 'Wir kommen wieder, das gefällt uns hier so super'. Und deswegen hoffen wir auf langfristige Effekte. Und ja, als Gastronom sieht man das Glas immer halb leer, deswegen hätte es jetzt auch gerne mehr sein können."

Es ist nicht so, dass jede Gaststätte in der Stadt ihren Umsatz verdoppelt hat. Manche haben sich direkt mehr erwartet. Axel Klein | Dehoga Sachsen

Auch die Hotelbelegung sei zwar sehr gut, aber die Preise seien in Leipzig doch deutlich geringer als in anderen Bundesländern. "Die Durchschnittspreise für eine Hotelübernachtung rund um ein Spitzenspiel der EM bei Betrieben der gleichen Kette lagen um bis zu 120 Euro niedriger als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen."

Axel Klein

Für den sächsischen Dehoga-Geschäftsführer Axel Klein ist das Glas halb leer. Er meint, die Branche habe mit höheren Einnahmen gerechnet, setze jetzt aber auf langfristige Effekte. (Archivbild)

MDR (phb/lev)/dpa