BR24 Sport FC Bayern: Leon Goretzka - neue Chance mit neuer Rolle?
Eigentlich stand Leon Goretzka beim FC Bayern auf dem Abstellgleis. Doch der 29-Jährige möchte sich in München wieder einmal durchsetzen. Mit Ruhe und Ehrgeiz will er Kompany überzeugen, doch der Schlüssel könnte in einem Positionswechsel liegen.
Es war der vorläufige Tiefpunkt in der FC-Bayern-Karriere von Leon Goretzka: Vor dem DFB-Pokalspiel gegen den SSV Ulm strich der neue Trainer Vincent Kompany den verdienten Profi aus dem Kader. In seinen sechs Saisons, die er seit seinem Wechsel vom FC Schalke 04 an die Isar, im Trikot des Rekordmeisters erlebt hatte, wurde er immer wieder angezweifelt, stand in der Kritik oder galt als Verkaufskandidat. Eine solche symbolische Ohrfeige wie diese Nichtberücksichtigung hatte er aber noch nie bekommen.
Leon Goretzka glaubt an seine Chance beim FC Bayern
"Wir haben einen sehr, sehr guten Kader. Wir haben im Mittelfeld noch einmal nachgelegt", sagte Sportvorstand Max Eberl vor dem Anpfiff im ZDF. "Spieler wissen, wenn ihre Situation schwierig sein kann. Das haben wir klar kommuniziert". Wenige Tage vor Schließen des Transferfensters dürfte das ein letzter Versuch des Vereins gewesen sein, noch einmal vehement auf die weit geöffnete Ausgangstür zu deuten.
Schließlich hat man mit Aleksandar Pavlović, Joshua Kimmich, 50-Millionen-Einkauf Joao Palhinha, Konrad Laimer und Raphael Guerreiro ein ziemlich tief besetztes Mittelfeldzentrum. Gleichzeitig suchte man nach Transfererlöse, um neue Spieler zu verpflichten. Atlético Madrid soll Interesse an einer Verpflichtung Goretzkas gehabt haben, auch der SSC Neapel, doch der 29-Jährige wollte den FC Bayern nicht verlassen und glaubte weiterhin an seine Chance.
Hart arbeiten und Ruhe bewahren: Goretzka sammelt Pluspunkte
Bislang konnte Goretzka noch jeden Trainer von sich überzeugen. Auch wenn er zu Saisonbeginn in der internen Hierarchie hinten stand, hatte er stets am Ende der Spielzeit kaum ein Spiel nicht auf dem Platz gestanden. So sammelte er nicht nur 221 Pflichtspieleinsätze für den FC Bayern, sondern auch fünf Meistertitel und einen Champions-League-Sieg in einem Finale, in dem er 90 Minuten auf dem Platz stand.
Goretzka scheint überzeugt davon, dass es ihm gelingt, auch Vincent Kompany von sich zu überzeugen. Er verfolgte seit Vorbereitungsbeginn eine simple, aber für einen verdienten (ehemaligen) Nationalspieler keine einfache Formel: Hart arbeiten, keine öffentlichen Statements, Ruhe bewahren. Von verschiedenen Seiten hört man, wie professionell Goretzka mit seiner Situation umgeht, wie engagiert er im Training ist - und so scheint er allmählich auch bei Kompany Pluspunkte zu sammeln. Der Belgier berief ihn beim Bundesliga-Auftakt gegen den VfL Wolfsburg in den Kader und deutete an, dass Goretzka durchaus auf Minuten hoffen kann: "Wir haben zum Glück einige Spieler, die flexibel sind. Und Leon ist auch einer dieser Spieler."
Verletzungsmisere: Chance in der Innenverteidigung?
Diese Flexibilität könnte nun sein größter Trumpf sein. Denn anders als das Mittelfeld ist besonders die Innenverteidigung äußerst dünn besetzt - nach den Langzeit-Ausfällen von Josip Stanisic und Hiroki Ito steht neben der Stamminnenverteidigung aus Min-Jae Kim und Dayot Upamecano mit Eric Dier nur eine erfahrene Option zur Verfügung. Und die Stammbesetzung präsentiert sich bisweilen alles andere als sattelfest.
Vor dem Bundesliga-Auftakt probierte Kompany gegen Grasshoppers Zürich den gelernten Mittelfeldspieler in der Innenverteidigung aus. Gegen den SC Freiburg bekam Goretzka den ersten kleinen Lohn für seine vorbildliche Einstellung: Kurz vor dem Ende wechselte er den gelb belasteten Upamecano aus. An der Seitenlinie stand nicht der erfahrene Dier, sondern Goretzka. Fünf Ballberührungen, drei angekommene Pässe - doch vielleicht am wichtigsten: acht Spielminuten.
Länderspielpause: Zeit, Kompany zu überzeugen
Nach dem Spiel scherzte er mit seinen langjährigen Teamkollegen Joshua Kimmich und Thomas Müller, die während der Vorbereitung die Öffentlichkeitsarbeit für Goretzka übernommen hatten und sich seinen Verbleib in München gewünscht hatten, seine sportlichen Qualitäten und seinen hervorragenden Charakter hervorhoben.
Jetzt ist erstmal Länderspielpause. Während Goretzkas Teamkollegen die Reise zur Nationalmannschaft antraten, die für ihn vor kurzem auch noch selbstverständlich war, wird der 29-Jährige weiter seine Formel verwenden: Hart arbeiten, keine öffentlichen Statements, Ruhe bewahren. Besonderes Augenmerk in den Trainingseinheiten dürfte die Umschulung zum Innenverteidiger haben. Schließlich kann Goretzka dort die meisten Pluspunkte sammeln - und vielleicht sogar nach Niko Kovac, Hansi Flick, Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel mit Kompany nun auch den fünften FC-Bayern-Trainer von sich überzeugen.
Im Video: FC Bayern gegen Freiburg in der Zusammenfassung
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