Tadej Pogacar

Vor dem Straßenrennen WM-Favorit Pogacar von Merckx-Vergleichen genervt

Stand: 27.09.2024 10:18 Uhr

Tadej Pogacar ist die Vergleiche mit dem Größten der Geschichte langsam leid. "Ich kann mich nicht mit Eddy Merckx vergleichen, denn das war nicht meine Zeit. Es ist sowohl schmeichelhaft als auch nervig, denn man möchte einfach man selbst sein", sagt der aktuell beste Radprofi vor dem Straßenrennen bei der Radsport-WM. "Man möchte sein eigenes Ding machen, seine eigenen Rennen fahren und seine eigene Geschichte schreiben - nicht die von jemand anderem."

Seiner eigenen - jetzt schon einmaligen - Geschichte kann Pogacar ein weiteres, alles andere als alltägliches Kapitel hinzufügen - was die Vergleiche mit Merckx nur weiter befeuern dürfte. Wird der Slowene am Sonntag in Zürich erstmals Weltmeister, gewinnt er die so genannte Dreifach-Krone des Radsports. Das gelang bisher erst zwei Fahrern: dem Iren Stephen Roche und eben Merckx.

Brachiale 4470 Höhenmeter für den WM-Titel

Für diese – inoffizielle – Krone muss ein Profi zwei der drei großen Landesrundfahrten in einem Jahr gewinnen und Weltmeister werden. Pogacar siegte in diesem Jahr beim Giro d’Italia und der Tour de France.

Der Parcours von Zürich mit seinen 273,9 Kilometern und fast schon brachialen 4470 Höhenmetern wirkt wie maßgeschneidert für den 25-Jährigen. Zwei Hauptanstiege haben die Organisatoren markiert, doch bis auf ein kurzes Flachstück am See geht es eigentlich die ganze Zeit rauf und runter.

Schon nach seinem Tour-Sieg Ende Juli machte Pogacar klar, was für ihn fortan zählt: "Das Regenbogen-Trikot sieht bei Mathieu gut aus, aber mir würde es auch stehen. Es ist mein großer Traum." Der Niederländer Mathieu van der Poel ist noch (mindestens) bis Sonntag amtierender Weltmeister.

Konkurrenten? Vielleicht Remco Evenepoel

Bleibt die Frage nach den weiteren Kontrahenten für Überfahrer Pogacar: Wer kann Pogacar die Dreifach-Krone streitig machen? Eigentlich bleibt da nur Doppel-Olympiasieger Remco Evenepoel.

Belgiens Wunderkind gewann am Sonntag bereits den WM-Titel im Zeitfahren und ist deutlich bergfester als van der Poel. Ob Evenepoels Form allerdings gut genug ist, um Pogacar wirklich zu attackieren, ist fraglich.

Van der Poel zurückhaltend

Der 29 Jahre alte van der Poel selbst ist ein ebenso herausragender Fahrer wie Pogacar – und trotzdem sagt er zu einer erfolgreichen Titelverteidigung: "Die Chance ist klein." Ein Rennen von dieser Länge in Kombination mit den Höhenmetern hat der Klassikerspezialist noch nie gewonnen.

Auch er hat zuletzt alles dem WM-Rennen untergeordnet. Van der Poel ging ins Höhentrainingslager, verlor einige Kilo, wirkt nun regelrecht schmal. Und dürfte dennoch gut fünf Kilo schwerer als Pogacar sein, was beim Profil am Zürichsee den Ausschlag geben sollte. "Man hat keine Gelegenheit, um mal durchzupusten", sagt der Deutsche Maximilian Schachmann über den Kurs.

Deutsche Starter mit Außenseiterrolle

Simon Geschke dürfte im jungen deutschen Team eine Rolle als Roadcaptain erhalten. Das Rennen in der Schweiz ist sein letzter WM-Einsatz vor dem Karriereende. Der 38-Jährige sieht die deutsche Auswahl am Sonntag in einer Außenseiterrolle. "Wir haben ein gutes Team, aber uns fehlt ein bisschen der, der da wirklich ganz vorne mit reinfahren kann. Ganz vorne ist für mich Podium, da sehe ich jetzt von uns keinen", sagte Geschke, "unsere Stärke liegt in der Breite."

Simon Geschke bei der Deutschland Tour

Simon Geschke bei der Deutschland Tour

Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) schickt neben Geschke auch Marco Brenner, Georg Steinhauser, Maximilian Schachmann, Georg Zimmermann und Florian Lipowitz, der zuletzt mit dem siebten Gesamtrang bei der Vuelta in Spanien auf sich aufmerksam gemacht hatte, ins Rennen. Geschke rechnet mit "einer Art Ausscheidungsfahren. Auf dem Kurs ist glaube ich nicht viel mit Taktiererei", sagte Geschke.

Sieben Runden an der "Goldküste"

Nach dem Start in Winterthur haben die Streckenplaner zuerst eine Runde von 34 km in einer Runde um die Stadt nordöstlich von Zürich ausgetüftelt, bevor es über weitere gut 50 km bis nach Zürich geht. Dann folgen sieben Runden von 26,9 km, bevor der Zielstrich am Seeläutenplatz zum siebten und letzten Mal überfahren wird. Die Strecke an der Nordseite des Zürichsees wird wegen der traumhaften Sonnenuntergänge "Goldküste" genannt, und laut Wetterprognosen soll es am Sonntag zum Höhepunkt der WM über 273,9 km tatsächlich trocken sein.

Auch die Frauen sollen bei ihrem Rennen am Samstag über 154 km von Uster nach Zürich nicht viel Glück mit dem Wetter haben. Die Strecke hat es mit 2384 Höhenmetern ebenfalls in sich.

Womöglich sollte der Start auf der sehr bergigen Strecke bei extremen Wetterlagen noch einmal überdacht werden. Im Juniorinnen-Rennen war die Schweizerin Muriel Furrer schwer gestürzt und hat sich schwere Kopfverletzungen zugezogen. Ob der Sturz allerdings wegen des sehr nassen Straßenbelags geschah, war am Donnerstagabend nicht bekannt.

Frauenrennen: Favoritinnenkreis ist größer

Die Favoritinnen für das Frauenrennen sind deutlich schwerer auszumachen als bei den Männern. Die Niederländerin Demi Vollering siegte bei der Vuelta a Espana und holte sich auch den Triumph bei der Tour de Suisse. Bei der Tour de France glänzte sie als Zweite. Im Olympischen Straßenrennen allerdings wurde die 27-Jährige nur 34. Dort schnappte sich die US-Amerikanerin Kristen Faulkner die Goldmedaille, die jetzt in der Schweiz aber nicht starten wird. 

Dann ist da noch die Polin Katarzyna Niewiadoma, die nicht nur die Tour gewann, sondern auch bei den langen Frühjahrsklassikern Top-Platzierungen erzielte: Siegerin beim "Fleche Wallonne", Zweite bei der Flandern-Rundfahrt. Auch die beiden Erstplatzierten beim Giro d'Italia müssen zum Favoritenkreis gezählt werden: Lokalmatadorin Elisa Longo Borghini und Lotte Kopecky aus Belgien. Für Deutschland gehen Liane Lippert und Clara Koppenburg ins Rennen. Trotz der Silber-Medaille von Lippert in der Mixed-Team-Staffel dürften die beiden ebenfalls nur Außenseiterchancen haben.