Tour de France Femmes Nun ist auch der Mythos Alpe d'Huez fällig
Die Tour de France Femmes befindet sich in ihrem dritten Jahr, erstmals müssen die Fahrerinnen nun auch den Anstieg nach Alpe d'Huez hoch. Ein Mythos, der über das Gelbe Trikot entscheiden wird.
Lediglich 2.068 Einwohner leben in Le Grand-Bornand, doch die kleine Stadt in den Alpen dürfte nicht nur vielen passionierten Skifahrern ein Begriff sein, sondern auch einigen Sportfans. Der Biathlon-Weltcup macht hier regelmäßig halt. Und auch der Tour-Tross der Männer hat das ein oder andere Mal die mehr als 1.200 Höhenmeter auf dem Weg in den Wintersportort hinter sich gebracht.
So zum Beispiel der Deutsche Linus Gerdemann im Jahr 2007, als er sich im Alleingang den Sieg sicherte. Dies tat am Samstag auch die Belgierin Justine Ghekiere. Die Fahrerin vom AG Insurance-Soudal Team kam mit einem komfortablen Vorsprung ins Ziel und ließ Bergkletterinnen wie Demi Vollering sowie Kasia Niewadoma hinter sich. Beste Deutsche wurde abermals Liane Lippert auf dem 21. Rang.
Der Mythos Alpe d’Huez
Die Tour de France Femmes feierte mit der Etappe am Samstag eine Premiere. Denn den Anstieg nach Le-Grand-Bornand hoch fuhr das Peloton der Frauen zum ersten Mal. Das war der ASO, dem Veranstalter sowohl der Tour der Männer sowie der Frauen, jedoch nicht genug. Nach Bergankünften auf dem Le Markstein in den Vogesen 2022 sowie dem legendären Col du Tourmalet im vergangenen Jahr, folgt auf der achten und letzten Etappe der Anstieg hoch nach Alpe d’Huez – die Bergankunft aller Bergankünfte.
Vor 72 Jahren fand erstmals eine Bergankunft der Tour de France in dem kleinen Wintersportörtchen statt. Seitdem endeten dort 31 Etappen; zuletzt gewann der Brite Thomas Pidcock im Jahr 2022. Seiner und die Namen aller anderen Sieger thronen nun an den 21 Kehren auf dem langen Weg nach oben. Ein Frauenname wird da noch nicht zu finden sein, das wird sich mit der Etappe am Sonntag (ab 16 Uhr live in der ARD und im Stream bei sportschau.de) jedoch ändern.
So schwer wie noch nie
Doch bevor das der Fall ist, müssen die Fahrerinnen mit dem Col de Tamié und Col du Glandon zwei nicht minder harte Anstiege bewältigen. Letzterer ist mit 1.924 Metern sogar der höchste Punkt der Tour de France Femmes 2024 und das perfekte "Warm Up" für die anstehende Herausforderung nach Alpe d’Huez hoch.
So sieht das zumindest Renndirektorin Marion Rousse, die selbst einst Radprofi war. Ob sie selbst einmal den Anstieg nach Alpe d’Huez hochfuhr, ist nicht bekannt. Aber den Fahrerinnen traut sie es zu. Auch wenn es nicht einfach wird, wie sie gegenüber der Sportschau sagt. "An diesem Tag stehen mehr als 4.000 Höhenmeter auf dem Programm. So schwer war es bei der Tour der Frauen noch nie."
Gemischte Gefühle bei den Deutschen
Von den deutschen Fahrerinnen ist bisher nur Tour-Debütantin Linda Riedmann nach Alpe d’Huez hochgefahren. Das war im vergangenen Jahr, allerdings im Regen und ohne großes Publikum. "Der Berg an sich ist natürlich mystisch. Schon allein, wenn man an jeder Kurve die Namen der ehemaligen Sieger sieht, das ist schon ein tolles Gefühl." Auf der virtuellen Trainingsplattform Zwift ist zumindest Romy Kasper die Strecke schon einmal abgefahren, Liane Lippert macht sich erst morgen Gedanken darüber und Franziska Koch freut sich auf die einmalige Erfahrung. "Es ist cool, solche ikonischen Berge bei der Tour fahren zu dürfen. Und ich freue mich auf den Ausblick oben am Berg", so die deutsche Meisterin im Gespräch.
Hannah Ludwig hat gemischte Gefühle, wenn sie an die letzte Etappe denkt. Zu sehr wirkt der schwere Sturz ihrer Teamkollegin Spela Kern von gestern nach. "Sie stürzte auch, weil sie sehr erschöpft war. Da muss man einfach gut auf sich aufpassen und Fehler vermeiden", so die Cofidis-Fahrerin gegenüber der Sportschau. Ein bisschen Ehrfurcht fahre also mit. "Man ist erschöpft, will ein gutes Rennen fahren, freut sich gleichzeitig aber auch auf das Ende."
Niewadoma will sich Traum erfüllen
So sehr das Motto lautet, den Sonntag einfach zu überstehen, so sehr steht die letzte Etappe auch im Zeichen um den Kampf um das Gelbe Trikot. Derzeit trägt Kasia Niewadoma das begehrteste Leibchen im Profi-Radsport. Ihre größte Konkurrentin um den Gesamtsieg, Titelverteidigerin Demi Vollering, liegt nach dem heftigen Sturz auf der fünften Etappe mehr als eine Minute zurück. Den Fehler, sie und andere Fahrerinnen wie Puck Pieterse oder Cédrine Kerbaol zu unterschätzen, begeht sie jedoch nicht.
Dementsprechend fokussiert geht Niewadoma, die für das deutsche Team Canyon SRAM fährt, in das Rennen. "Ich versuche, so frisch wie möglich am Start zu stehen", so die Polin nach der Etappe am Samstag. "Das wird der wichtigste Tag in meiner Karriere. Wir alle im Team sind hochmotiviert und wollen uns den Traum vom Toursieg erfüllen." Auch für Niewadoma wird der Anstieg hoch nach Alpe d’Huez kein Zuckerschlecken, doch die 29-Jährige ist eine ausgewiesene Bergspezialistin, holte sie im vergangenen Jahr doch das Bergtrikot.
Ein guter Rat von Marion Rousse
120 Fahrerinnen sind noch im Rennen; wie viele am Sonntag vor dem Col du Glandon sowie vor Alpe d’Huez kapitulieren werden, weiß man erst am Abend. Nichtsdestotrotz hat Marion Rousse einen Rat für alle Fahrerinnen parat.
"Macht euch keine Vorwürfe. Es wird Siege gegeben haben, tolle Momente, aber auch Rückschläge und Stürze", so die Renndirektorin zur Sportschau. Dies gehöre zum Radsport dazu. "Der Ersten wie der Letzten will ich sagen: Werft euch nichts vor. Wichtig ist, dass ihr alles gegeben habt." Nach knapp 950 Kilometern wird dann auch feststehen, wer sich mit dem Gelben Trikot belohnen darf.