Bei der UAE-Tour Ackermanns Saisondebüt mit gemischten Gefühlen
Radprofi Pascal Ackermann will in diesem Jahr endlich erstmals zur Tour de France. Doch mit seinem neuen Team Israel-Premier Tech wird der Sprinter beim Saisonstart in den Vereinigten Arabischen Emiraten ungewollt mitten in die Weltpolitik katapultiert.
Sylvan Adams blickt an diesem Februartag 2024 aus seinem Apartment auf die Strandpromenade in Tel Aviv. Er sieht Menschen auf Inline-Skates entspannt durch die salzhaltige Luft an der Mittelmeerküste rollen. Er selbst ist gerade von seiner täglichen Trainingstour auf dem Rennrad zurück. "Das Leben ist eigentlich ganz normal hier", sagt der 65-Jährige im Telefonat mit der Sportschau. Aber natürlich weiß Adams, dass für Außenstehende aktuell nichts normal ist in seiner neuen Heimat.
Es herrscht Krieg – Israels Armee ist nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres in den Gaza-Streifen einmarschiert. Raketenalarm ist in Tel Aviv an der Tagesordnung wie in Mitteleuropa das Pausenläuten in den Schulen. Es ist wohl die Aufgabe des Unternehmenschefs Adams, seinen Mitarbeitern und dem Unternehmenszweck zuliebe Krieg und Terror als eine Art unvermeidbares Hintergrundgeräusch zu vermitteln.
Ein Herz für deutsche Radprofis
Adams ist nämlich nicht nur selbst ein begeisterter Radsportler - im vergangenen Jahr war er Doppel-Weltmeister seiner Altersklasse. Er finanziert, seit er vor neun Jahren von Kanada nach Israel auswanderte, ein Radsport-Team großteils aus seinem Privatvermögen: Israel-Premier Tech. Der Radsportmäzen mit jüdischen Wurzeln hat ein Herz für deutsche Radsportler: Einst lotste er André Greipel in sein Team - die Zusammenarbeit verlief durchwachsen, der elfmalige Tour-Etappensieger war bereits über seinen Zenit.
Die nächste deutsch-israelische Zusammenarbeit soll erfolgreicher werden: Für die neue Saison hat die Mannschaft Pascal Ackermann unter Vertrag genommen, von dem sich Adams große Erfolge verspricht. "Vor ein paar Jahren war Pascal einer der drei weltbesten Sprinter – da soll er wieder hin", sagt der Israeli, dessen Eltern einst in Rumänien den Holocaust überlebten. Und er gerät über die Neuverpflichtung aus Deutschland geradezu ins Schwärmen: "Ich liebe Pascal! Was für ein netter junger Mann."
Win-Win bei der deutsch-israelischen Kooperation?
Es klingt, als könnte es eine glückliche und erfolgreiche Arbeitsbeziehung werden. Die israelische Radsportmannschaft war in den vergangenen Jahren eher ein Austragsstüberl für Radprofis - der viermalige Tour-de-France-Sieger Christopher Froome (38) bestreitet seit seinem schweren Trainingsunfall 2019 hier eine hochbezahlte Reha-Maßnahme. Das Team war zuletzt überaltert und Ende der Saison 2022 wegen schlechter Rennergebnisse aus der ersten Liga des Weltradsports abgestiegen.
Der 30-jährige Ackermann ist zwar ebenfalls kein Jungspund mehr. Aber sein Typ ist in Israel gefragt. "Ich bin bei Israel-Premier Tech gut aufgehoben, weil es eine kleinere Mannschaft ist. Es sind nicht die großen GC-Fahrer (Rennfahrer, die gute Platzierungen im Gesamtklassement bei Etappenrennen anstreben; Red.) dabei. Es wird mehr Wert auf Etappensiege und Punkte gelegt. Und zum Punktesammeln sind Sprinter extrem wertvoll", sagt Ackermann.
Gemeinsam zurück an die Weltspitze
Der neue Arbeitgeber braucht viele Ranglisten-Punkte, um bei nächster Gelegenheit zu Saisonende 2025 wieder in die erste Liga des Weltradsports, die World-Tour, zurückzukehren. Genau bis dahin läuft Ackermanns Vertrag - vorläufig. Der Deutsche mit Wohnsitz im österreichischen Vorarlberg hatte zuletzt magere Jahre beim Team UAE Emirates, wo er wenig Hilfe in den Sprints bekam. Dort war alles auf den Superstar, den zweimaligen Tour-Sieger Tadej Pogacar, ausgerichtet. In zwei Jahren jubelte Ackermann nur viermal als Erster - nach 36 Siegen in den vier Jahren zuvor bei Bora-hansgrohe.
Neustart in der Wüste
Jetzt soll es wieder besser werden. Bei Israel-Premier Tech stellt man ihm Michael Schwarzmann und Rick Zabel zur Seite, zwei Spezialisten für die Vorbereitung eines Massensprints. "Das ist ein Sprintzug auf den ich mich verlassen kann", sagt Ackermann über die beiden Landsleute. Die Zusammenarbeit begann am Montag (19.02.2024) richtig - bei der UAE Tour, einem Rennen über sieben Etappen durch die Vereinigten Arabischen Emirate.
"Es ist perfekt, weil wir dort auf vier Etappen Chancen auf einen Sprint haben", betont Ackermann und sagt weiter: "Wir wollen sehen, wo wir im Vergleich zu den anderen stehen. Jedes Team schickt einen Topsprinter mit einer Topmannschaft." Zahlreiche Tour-Etappensieger wie Ex-Weltmeister Mark Cavendish (Team Astana), Fernando Gaviria (Movistar), Fabio Jakobsen (DSM-firmenich), Dylan Groenewegen (Jayco AlUla), und Sam Bennett(Decathlon AG2R) sind gemeldet. Die erste Standortbestimmung auf der 1. Etappe endete allerdings mit einem enttäuschenden 14. Rang.
Ein ganz normales Radrennen?
Aber könnte ein Rennen auf arabischem Boden derzeit nicht konfliktträchtig und riskant sein für Radsportler, die in einem Trikot mit dem Schriftzug Israel an den Start gehen? "Es sei ein ganz normales Radrennen", lässt Rennveranstalter RCS auf Anfrage mitteilen, besondere Sicherheitsmaßnahmen seien nicht geplant. Dabei hatte die israelische Regierung die eigenen Athleten angesichts drohender antisemitischer Übergriffen bei Starts im Ausland zur Vorsicht geraten.
Und zuletzt hatte der Nahost-Konflikt die Radsportszene bis nach Australien verfolgt, wo sich Ackermanns Teamkollege Simon Clarke bei der nationalen Meisterschaft einer Sitzblockade pro-palästinensischer Demonstranten auf der Rennstrecke gegenübersah. Er startete als Australier im Trikot von Team Israel.
In den Emiraten bewegt man sich immerhin auf relativ sicherem Terrain, das Land schloss im Jahr 2020 Frieden mit Israel. Dennoch wird der Trip des Teams zur UAE Tour laut Adams von der israelischen Regierung und dem Geheimdienst Mossad betreut – was für eine Gefahrenlage sprechen dürfte.
Nur Sport, keine Politik
Angesichts des gerade wieder eskalierten Nahost-Konflikts hätte Adams gerne, dass die Medien bei seinem Team Politik und Sport trennen. "Wir kämpfen mit dem Team nicht im Gaza-Konflikt. Wir haben sportliche Ziele", betont er. Aber noch im Jahr 2022 hatte sich der Teamboss auf der Internetpräsenz seines Rennstalls mit den Worten zitieren lassen: "Israel-Premier Tech ist nicht nur einfach das Team Israels. Wir sind das Team des jüdischen Volkes." Das könnte durchaus zu Ballast an den Rennrädern seiner Profis werden – gerade bei der Fahrt durch den arabischen Kulturkreis.
Einer langer Sprint nach Frankreich
Pascal Ackermann will daran gar nicht denken, sondern nur richtig schnell Rad fahren und zeigen, dass er zum Kreis der weltbesten Sprinter gehört. Sein großes Ziel für diese Saison: Er will endlich erstmals an der Tour de France teilnehmen. "Für mich ist die Tour de France das Rennen, das mir noch fehlt - dort will ich unbedingt eine Etappe gewinnen."