Flandern-Rundfahrt Emil Herzog - Steiniger Weg zum Erfolg
Der 19-jährige Emil Herzog soll für Bora-hansgrohe bei den extrem harten Frühjahrsrennen Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix debütieren. Werden die Radsport-Fans aus Deutschland einen kommenden Mann für die Klassiker sehen?
Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Im Profi-Radsport hat diese althergebrachte Redensart in den vergangenen Jahren zunehmend ihre Gültigkeit verloren. Die Jungen streben früh und sehr selbstbewusst an die Spitze, viel früher als ihre Vorgänger. Und Teil dieser Entwicklung ist auch ein junger Deutscher: Emil Herzog vom Team Bora-hansgrohe.
Am kommenden Sonntag (31.03.2024) wird er, so der Plan, als Debütant die Flandern-Rundfahrt bestreiten. Noch als Teenager, im zarten Alter von 19 Jahren. Kein Radsportler war bei seiner Premiere beim wichtigsten Rennen Belgiens jünger als der Blondschopf aus dem Allgäu, da kann man in den Archiven getrost mehr als ein halbes Jahrhundert zurückblättern.
Wenig aufgeregt vor der Premiere
"Es wird ein spezieller Tag, weil es mein erstes Monument sein wird, das größte Rennen für mich bisher. Ich erwarte eine coole Stimmung. Aber den Mythos spüre ich noch nicht", sagt Herzog mit der ihm eigenen Unbekümmertheit, mit der er sich in neue Herausforderungen zu stürzen pflegt.
Monumente werden im Radsport die fünf härtesten und traditionsreichsten Eintagesrennen genannt: Dazu zu zählen auch Mailand-Sanremo, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-Lüttich und die Lombardei-Rundfahrt. Allesamt werden sie seit weit mehr als 100 Jahren unter die Räder genommen. Die Namen der Schlüsselstellen in Flandern wie Oude Kwaremont oder Paterberg raunen sich die Kenner ehrfürchtig zu – es sind ruppig gepflasterte, bis zu 20 Prozent steile Stiche.
Auch Herzog hat dort im vergangenen Winter Testfahrten absolviert, die Namen schon mal gehört, aber wieder vergessen. Der wichtigste Lehrsatz ist ihm in Erinnerung geblieben: Man muss dort bei der Einfahrt möglichst weit vorne im Fahrerfeld positioniert sein. Klingt einfach, ist es aber nicht.
Klassiker-Spezialist der Zukunft?
"Er ist ein Typ für die Klassiker, er hat eine außergewöhnlich gute Radbeherrschung", sagt der sportliche Leiter bei Bora-hansgrohe, Heinrich Haussler über Herzog: "Ich erwarte viel von ihm. Er war ja bereits Weltmeister bei den Junioren."
Radbeherrschung ist ein Kriterium, bei diesen besonders ungemütlichen Frühjahrsrennen. Und weil Herzog trotz vergleichsweise hohem Körpergewicht – rund 72 Kilogramm bei 1,83 Meter Körpergröße - erstaunlich gut bergauf treten kann, könnte er in Zukunft auch ein Mann für die bergigen Strecken bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und Lombardei-Rundfahrt sein. Bei Bora-Hansgrohe hat Teamchef Ralph Denk auch wegen dieser Erfolgsaussichten das junge Talent früh mit einem Profi-Vertrag ausgestattet, das im eigenen Nachwuchsteam Auto Eder groß wurde und ein Alleskönner ist. In den Nachwuchsklassen zählte er zu den weltbesten Mountainbikern und war deutscher Meister im Skilanglauf, entschied sich aber wegen des klimabedingten Schneemangels in seiner Allgäuer Heimat gegen den aufwändigen Wintersport und für eine Radsport-Karriere.
Pflastersteine statt Schnee
Statt über Schnee jagt er nun die Erfolge auf Asphalt und Kopfsteinpflaster. Eine Woche nach der Flandern-Rundfahrt soll sich Herzog erstmals bei der Fahrt durch die "Hölle des Nordens" versuchen, wie das Radrennen Paris-Roubaix wegen seines berüchtigten und verletzungsträchtigen Kopfsteinpflasters auch gerufen wird.
"Klar, Flandern und Roubaix sind die größten Rennen – aber ich denke nicht, dass die Rennen hektischer und chaotischer sind, als die, die ich bisher bestritten habe. Ich habe nicht mehr Respekt als vor einem anderen Rennen hier in Belgien", sagt der Neuling. "Es sind die härtesten Radrennen", warnt Haussler. Datenaufzeichnungen der Radprofis belegen: Nirgendwo sonst wird mit so hoher Durchschnittsleistung getreten, werden so viele Spitzenleistungen bei den zahllosen Antritten hingelegt.
Emil Herzog bei der Team-Präsentation von Bora-hansgrohe
Taktische Freiheiten – auch für den Teenager
"Für Flandern haben wir keinen Kapitän. Jeder kriegt seine Chance", sagt Haussler über die Rennstrategie – auch der Neuling Herzog. Der Jüngste im Rennstall profitiert davon, dass die Bora-Equipe nach den Abgängen der Klassikerspezialisten Peter Sagan und Nils Politt keinen Sieg-Kandidaten hat und deshalb auf frühe Offensive im Rennen setzen will. Doch es bieten sich nicht nur Chancen, es lauern auch Gefahren.
Bei der Generalprobe für die Flandern-Rundfahrt, dem Rennen E3 Saxo Classic, lag Herzog aussichtsreich im Rennen. Doch ehe er sich versah, stürzte der Jüngling kopfüber in einen Straßengraben und blickte mit einem verzweifelten Blick der verpassten Chance auf ein Topergebnis hinterher – abgedrängt im Kampf um die Positionen im Windschatten unter den Weltbesten.
Bei einem anderen Rennen in Belgien legte der Profi-Lehrling eine Pinkelpause am Streckenrand ein – just, als vorne die Post abging und sich die Spitzengruppe bildete, in der Herzog vertreten sein sollte. Sehr zur Verärgerung Hausslers. Der 40-jährige Deutsch-Australier ist so etwas wie Herzogs Mentor. Haussler war während seiner Profi-Karriere selbst Zweiter bei Mailand-Sanremo und der Flandern-Rundfahrt. "Ich habe viele Jahre verschwendet", betont er selbstkritisch und will jungen Rennfahrern daher hilfreiche Ratschläge mitgeben. Herzog sollte gut zuhören. "Du musst die Chancen nutzen, die sich dir bieten", mahnt der sportliche Leiter.
Viele Chancen, viele Gefahren
Es werden schnell weniger, als man denkt. Denn rund um die schwersten Rennen im Frühjahr finden sich auch viele Fallgruben. Der Belgier Wout van Aert, neben dem niederländischen Weltmeister Mathieu van der Poel ursprünglich Topfavorit für die Flandern-Rundfahrt, stürzte am vergangenen Mittwoch bei Quer durch Flandern schwer und blieb mit mehreren Knochenbrüchen auf der Strecke. Seine Lieblingsrennen Flandern und Roubaix wird er 2024 verpassen. Seit Jahren gilt van Aert als Top-Talent für diese Prüfungen. Im Herbst wird er 30 Jahre alt – und hat noch immer keine von beiden gewonnen.