Rad-Klassiker Mailand-Sanremo - Tadej Pogacar wieder auf Beutezug
Neun Siege hat Tadej Pogacar bereits eingefahren und Tour-Champion Jonas Vingegaard zuletzt bei Paris-Nizza eine Lehrstunde erteilt. Beim Klassiker Mailand-Sanremo am Samstag (18.03.2023) will der Slowene das nächste Ausrufezeichen setzen.
An der Spitze der Radsport-Weltrangliste ist längst die große Langeweile eingekehrt. Pogacar hat dort am 27. September 2021 den Belgier Wout van Aert abgelöst und ist immer noch mit großem Abstand vorne. Remco Evenepoel folgt mit respektablem Abstand von 371 Punkten auf den Führenden (4.916), Dritter ist van Aert (4.087) vor Vingegaard (3.093). Viel spricht dafür, dass sich der Abstand ganz vorne noch vergrößert, denn Pogacar fuhr vor dem strapaziösen Frühjahrsklassiker Mailand-Sanremo zuletzt die Konkurrenz in Grund und Boden.
Start erstmals in Abbiategrasso
Wenn man es ganz genau nimmt, müsste das traditionsreiche 294 Kilometer lange Eintagesrennen in diesem Jahr übrigens Abbiategrasso-Sanremo heißen. Erstmals in der Geschichte von "La Primevera" startet die 114. Auflage nicht in der mondänen Hauptstadt der Lombardei, sondern in der 35.000-Einwohner-Stadt 25 Kilometer südwestlich von Mailand.
Augen für das wunderschöne Castello Visconteo oder die Basilica Di Santa Maria Nuova, die zu den Wahrzeichen von Abbiategrasso gehören, wird Pogacar aber kaum haben. Dabei gibt sich der bereits mit dem legendären "Kannibalen" Eddy Merckx verglichene Ausnahmefahrer vergleichsweise zurückhaltend. So habe er diesmal auf ein Höhentrainingslager verzichtet, was ihn zu der Einschätzung bringt: "Ich fühle mich frischer im Kopf, aber weniger stark in den Beinen." Für die Konkurrenz ist das mit Blick auf die weitere Saison nicht gerade tröstlich.
Poggio di Sanremo als letzte Hürde
Mailand-Sanremo steht beim 24-Jährigen auch ziemlich hoch im Kurs: "Ich mag dieses Rennen wirklich sehr, auch wenn es wahrscheinlich am schwersten ist, dort zu gewinnen." 144 Kilometer lang geht es eher flach zu, ehe ein kerniger 532-Meter-Anstieg folgt, der mit einer rasanten Abfahrt in Voltri an der Küste des Ligurischen Meeres endet.
Über Varazze, Savona und Albenga geht es zu den drei "Capi", dem Capo Mele, Capo Cervo und Capo Berta. Es folgt die Cipressa, eine knapp sechs Kilometer lange und im Durchschnitt gut vier Prozent steile Steigung, deren Gipfel nach 272 Kilometern erreicht wird. Neun Kilometer vor dem Ziel kommt dann der Poggio di Sanremo, der mit knapp vier Kilometern Länge bei durchschnittlich knapp unter vier Prozent die letzte Hürde des Tages bildet - hier könnte Pogacar die entscheidende Attacke reiten.
Schlussanstieg immer wieder mal trainiert
Im vergangenen Jahr hatte er am Poggio allerdings etwas zu früh beschleunigt, wurde noch gestellt und am Ende nur Fünfter. Deshalb hat er diesmal - sein Wohnort Monaco liegt nicht weit von Sanremo entfernt - den Schlussanstieg der "Classicissima" in die ein oder andere Trainingsrunde eingebaut.
Aus der gegen Vingegaard verlorenen Tour habe er Extra-Motivation bezogen, sagt Pogacar, und vor Mailand-Sanremo erklärt er sein Erfolgsgeheimnis so: "Ich war schon immer ehrgeizig und fahre gerne Rennen, daher kommt der Wunsch, immer gewinnen zu wollen. Aber ich denke, das ist bei den meisten Fahrern so." Bei ihm gelingt die Umsetzung aber auf den unterschiedlichsten Terrains, bei Tagesrennen wie Rundfahrten, flach oder hügelig, kürzer oder länger - auch deshalb schwingt natürlich immer ein Verdacht mit.
Pogacar hat noch große Pläne
Denn selbst zu Zeiten der später des Dopings überführten Jan Ullrich und Lance Armstrong hat man die großen Rundfahrer im Frühjahr kaum gesehen, und nach dem Highlight im Sommer ließen sie die Saison auch schon wieder langsam ausklingen. Das ist jetzt anders. Pogacar geht in den nächsten Wochen auch noch bei weiteren Monumenten wie der Flandern-Rundfahrt und Lüttich-Bastogne-Lüttich, wo er 2021 schon gewann, an den Start. Die Kopfsteinpflaster-Tortur bei Paris-Roubaix wolle er "eines Tages auch ausprobieren, aber nicht 2023", betont der Kapitän des UAE-Teams.
An großen Zielen mangelt es ihm aber auch ohne Parix-Roubaix nicht. Auch die WM will er innerhalb der nächsten fünf Jahre unbedingt gewinnen, vielleicht schon dieses Jahr im August in Schottland. "Letztes Jahr war ich im August schon müde, deshalb habe ich es vorgezogen, das Jahr ruhiger anzugehen", erklärte Pogacar. Angesichts bereits neun Saisonsiegen hört sich das aber eher wie eine Drohung an.