Vom Ruderer zum Radprofi Jason Osborne mischt jetzt auch auf dem Rad ganz oben mit
Medaillen-Gewinner im Rudern bei Olympia, jetzt World-Tour Fahrer bei den Radprofis. Multitalent Jason Osborne ist in seiner zweiten Sportler-Karriere bei einem Top-Team angekommen. Ein spannender Wechsel mit einigen Hindernissen. Bei Paris-Nizza fährt der der 28-jährige erstmals gegen die Tour de France-Sieger Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard.
"Wenn es richtig schnell und hektisch wird, können die Radprofis einfach den Kopf abschalten und machen, das fehlt mir noch", sagt Jason Osborne. Die UAE-Tour Mitte Februar war das erste World-Tour Radrennen seines Lebens. Seit dem vergangenen Oktober hatte sich der Frankfurter nicht mehr in der Enge eines Profi-Pelotons bewegt, da kostete ihn der Wettkampf unfreiwillig mehr Nerven und Energie als die Konkurrenten. Positionierung im Feld, Hektik, Lücken erkennen. Das alles ist beim Neu-Profi des Alpecin-Deceuninck Rennstalls noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen.
Keine Wunder, schließlich ist Osborne in seinem neuen Job fast noch ein Anfänger. Aber einer mit extrem viel Potenzial. Bei der UAE-Tour wird der Neu-Profi 26. in der Gesamtwertung, bester seines Teams, lässt mehr als 100 gestandene Radprofis hinter sich.
Silbermedaille bei Olympia
Seine immensen körperlichen Möglichkeiten hat der Sohn einer Deutschen und eines Engländers im Ruderboot längst bewiesen. Jahrelang gehörte er zur absoluten Weltklasse im Leichtgewichts-Doppelzweier. Mit dem Höhepunkt bei Olympia 2021 in Tokio. Gemeinsam mit seinem Partner Jonathan Rommelmann gewann er dort die Silbermedaille. Der 28-jährige hätte einfach weiter machen können, bis zu den Spielen von Paris 2024. Doch längst war in seinem Kopf der Plan gereift, etwas völlig Neues zu probieren. "Der Profi-Radrennsport hat mich schon immer fasziniert. Ich fand das megageil, hab alle Rennen verfolgt".
Bereits als Ruderer sitzt Jason Osborne regelmäßig auf dem Rennrad. Grundlagentraining, oft auch gemeinsam mit World-Tour Profi Jonas Rutsch. Aus Neugier startet er bei der deutschen Meisterschaft der Profis im Zeitfahren, landet bei der Premiere dort 2018 gleich auf Platz acht, ein Jahr später wird er Sechster. Die Idee und der Glaube an eine zweite Karriere sind geboren. Er gewinnt auch noch bei der ersten E-Sports Rad-Weltmeisterschaft im Dezember 2020.
Zweifel und Hindernisse
Direkt nach Olympia in Tokio im Sommer des nächsten Jahres sattelt der Ruderer um, erhält eine Chance als Stagiaire, also als Lehrling, beim Top-Team Deceuninck-Quick Step. Aber am Saisonende steht er ohne Vertrag da. "Ich habe mich geärgert, dass es nicht geklappt hat. Versucht nicht in Panik zu verfallen, weiter an meine Perspektive zu glauben. Hab aber gleichzeitig gesehen, dass ich mich nicht darauf verlassen kann, dass im Radsport ein Angebot um die Ecke kommt", beschreibt er seine Gefühle in jener Zeit.
Zunächst steigt der Olympia-Silbermedaillengewinner sogar wieder ins Ruderboot, absolviert Trainingslager auf dem Wasser. Im März 2022 dann endlich der erlösende Anruf, er bekommt einen Einjahres-Vertrag für 2023 beim World-Tour Rennstall Alpecin-Deceuninck. Fährt dort jetzt an der Seite von Topstars wie Mathieu van der Poel und Jasper Philipsen.
"Das Team und ich haben das Ziel, aus mir einen Siegfahrer zu machen. Der Glaube, dass ich das schaffen kann, ist da. Von beiden Seiten", blickt Osborne durchaus optimistisch in die Zukunft. Bei Paris-Nizza ab dem 5. März feiert er nun also seine Premiere bei einer der großen Rundfahrten. Einen elementaren Unterschied zu den kleineren Rennen, bei denen er bisher zumeist im Sattel saß, hat der Neu-Profi schon festgestellt: "Wenn es zur Sache geht, dann geht es richtig zur Sache."
Körperliche Anpassung
Nicht nur Jason Osbornes Kopf, auch sein Körper müssen erst einmal ankommen in der neuen Sportart. Ruderer machen extrem viel Krafttraining für den Oberkörper - Muskeln und Masse, die ein Radfahrer überhaupt nicht gebrauchen kann. Jedes Extra-Gramm bremst bergauf. "Seit Tokio 2021 habe ich nie wieder ein solches Training gemacht, doch die Extra-Kilo schleppe ich noch immer mit mir herum. Ich hätte gedacht, dass sich das schneller abbauen würde." Aktuell bringt Osborne 71 Kilogramm auf die Waage, langfristige Zielsetzung sind zwischen 67 und 68 Kilo.
Dort will er hinkommen, denn seine besten Perspektiven sieht der Deutsche vor allem bei hügeligen, anspruchsvollen Eintagesrennen und Rundfahrten. Natürlich auch im Kampf gegen die Uhr. Ein Start bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und auch der Tour de Romandie später im Frühjahr sind geplant.
In der nächsten Woche aber gehört all seine Konzentration Paris-Nizza, der alljährlich ersten großen Rundfahrt im Profi-Kalender. Acht Renntage im Duell mit den Top-Stars der Sportart. "Ich freue mich riesig. So ein knallhartes Rennen ist genau das, was ich brauche. Wenn ich einfach ins kalte Wasser geworfen werde, lerne ich am schnellsten." Bei der Premiere geht es noch vor allem darum, ums Lernen. Mittelfristig will Jason Osborne aber ein Radprofi werden, der bei solch großen Rennen selbst ganz vorn mit dabei sein kann.