Szene aus der dänischen TV-Doku über Andreas Helgstrand

Nach Vorwürfen der Tierquälerei Dressurreiter Helgstrand nennt Praktiken in seinem Stall "inakzeptabel"

Stand: 24.01.2024 08:59 Uhr

Im November 2023 zeigt eine TV-Dokumentation, dass im Stall des dänischen Dressurreiters Andreas Helgstrand Pferde misshandelt wurden. Es gibt schnelle Sanktionen von den Verbänden. Jetzt spricht der Reiter erstmals persönlich.

Die Bilder sorgten für Erschütterung: Filmaufnahmen von Pferden mit blutenden Wunden durch massiven Sporen- und Gebisseinsatz, Gertenstriemen und aggressives Reiten durch Bereiter im Stall Helgstrand Dressage. Inhaber und Dressurreiter Andreas Helgstrand, Olympia-Bronzemedaillengewinner 2008 in Peking, wurde am Tag nach der Ausstrahlung im November vom dänischen Pferdesportverband aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen.

Zudem wurde die Zusammenarbeit mit dessen Firma Helgstrand Events, die eine Reihe hochkarätiger Turniere veranstaltet, beendet. Der Reiter selbst wurde mit einem Turnierverbot bis mindestens zum 1. Januar 2025 belegt. Helgstrand wird also nicht an den Olympischen Spielen 2024 in Paris teilnehmen können.

Helgstrand nennt Vorfälle inakzeptabel

Bisher hatte sich Andreas Helgstrand nur schriftlich in einem Statement auf seiner Homepage geäußert. Nun hat er erstmals Fragen zu den erschreckenden Aufnahmen aus seinem Stall beantwortet. Der Pferdesport-Instagram-Kanal des WDR, @diemitdenpferden, hat Andreas Helgstrand schriftlich Fragen gestellt, die er per Video beantwortet hat. "In der Dokumentation sieht man Beispiele von schlechtem Umgang mit Pferden. Das ist inakzeptabel", sagt Helgstrand.

Die dänische Journalistin Rebekka Klubien, die sich für die TV-Dokumentation verdeckt als Pflegerin in seinen Stall eingeschleust hatte, betont, dass die in der Doku gezeigten Ausschnitte keine Einzelfälle seien. In den neun Stunden Videomaterial, das sie in der Reithalle gefilmt habe, seien das nur einige Beispiele aus vielen gewesen, sagt Klubien: "Es ist nicht nur eine Reiterin oder ein Reiter, es sind viele und sie alle reiten direkt nebeneinander her. Es war nicht nur dieser eine Tag, der schlecht war."

Leonie Merheim, Sportschau, 22.01.2024 17:24 Uhr

Helgstrand verspricht Verbesserungen

Die Frage, wie er sich erkläre, dass die Misshandlung von Pferden gehäuft in seinem Stall vorgekommen sind, wenn dies doch eindeutig gegen die angeblichen Richtlinien von Helgstrand Dressage verstoße, ließ der Reiter jedoch unbeantwortet. Stattdessen erklärt er, die Bilder stammten aus dem Januar 2023. Man habe "das letzte Jahr damit verbracht, Verbesserungen vorzunehmen".

So habe er auf seinen Anlagen beispielsweise einen Manager eingestellt, der im Zwei-Wochen-Rhythmus alle Pferde überprüfe. Zudem seien zusätzliche tierärztliche Kontrollen angeordnet, die drei bis fünf Mal pro Jahr stattfinden sollen.

"Wir haben außerdem Videoüberwachung an allen drei Standorten eingeführt um sicherzustellen, dass jeder seine Pferde ordentlich reitet und damit man später darüber sprechen kann, ob wir etwas verbessern können", sagt Helgstrand. Man plane zudem eine Lernplattform und einen Onboarding-Prozess, um neue Mitarbeiter für die neuen Richtlinien und den Verhaltenskodex zu sensibilisieren.

Dressurreiter Helgstrand über Veränderungen in seinem Stall

Sportschau

Vorwürfe gegen Helgstrand gab es schon früher

In seinen Antworten bemüht sich Andreas Helgstrand den Eindruck des Einsichtigen zu vermitteln, der jetzt alles besser machen will. Immer wieder betont er, dass das Wohlergehen der Pferde absolute Priorität habe. Allerdings hat es auch schon früher immer wieder Vorwürfe gegen Helgstrand wegen Misshandlung von Pferden gegeben.

2014 sorgten beispielsweise Fotos für Aufsehen, die vom Internet-TV-Sender "Epona TV" im Rahmen eines Tags der offenen Tür auf Helgstrands Anlage aufgenommen wurden. Zu sehen war eine deutlich violette Verfärbung der Zunge seines Pferdes "Akeem Foldager" aufgrund des Einsatzes einer Kandare.

Wie sind die Regeln in Deutschland?

In Deutschland wäre es in einem vergleichbaren Fall übrigens nicht möglich, einen Reiter ohne Weiteres aus der Nationalmannschaft auszuschließen, so wie es der dänische Verband bei Helgstrand getan hat.

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) lässt zwar auch Sanktionen zu, wenn Verstöße im Training passieren, aber es müsse nachgewiesen sein, dass die Person den Verstoß selbst begangen habe oder ihn gefördert hat, sagt die Justiziarin Dr. Constanze Winter. "Dann könnten wir Ordnungsmaßnahmen aussprechen: Suspendierungen, Turniersperren oder eine Geldbuße."

Das Schweigen der Reitszene

Einen großen Aufschrei hat der Fall Helgstrand in der Reitszene nicht ausgelöst. Kaum jemand will sich öffentlich zu den in der Dokumentation ausgestrahlten Misshandlungen der Pferde äußern. Der Instagram-Kanal @diemitdenpferden bat die sechs Reiterinnen und Reiter des deutschen Dressurkaders um eine Stellungnahme - vergeblich.

Eine, die sich schon einmal getraut hat, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, ist die Vielseitigkeitsreiterin Julia Mestern: "Im Januar 2022 zeigte der Fernsehsender RTL Videosequenzen, die auf dem Hof von Ludger Beerbaum aufgenommen wurden und die verbotene Trainingsmethode des 'Barrens' zeigen sollten. Ludger Beerbaum betonte damals, es sei lediglich das damals noch erlaubte "Touchieren" zu sehen. Diese Praktik ist inzwischen auch verboten."

Mestern kritisierte damals als eine der wenigen öffentlich die Vorgehensweise des Trainings – und bekam viel Zuspruch. "Viele Leute haben das unterstützt, auch aus der Reitsportszene, die sich selber vielleicht nicht getraut haben." Der Grund, vermutet Mestern, seien die Machtstrukturen im Reitsport und damit verbunden möglicher Einfluss auf Turnierrichter. "Dementsprechend könnte man zum Beispiel dafür sorgen, dass der nächste Turnierstart nicht ganz so erfolgreich ist."

Millionengeschäft mit Top-Pferden

Mit Spitzen-Pferden lässt sich viel Geld verdienen. Auch Helgstrand hat bisher gut davon gelebt, indem er Dressurpferde ausbildet und in die ganze Welt verkauft. So soll er 2022 Pferde für rund 71 Millionen Euro in die ganze Welt verkauft haben.

"Ein Top-Pferd muss physisch und psychisch in einer Top-Verfassung sein, um seine Leistung abzurufen. Wir müssen über das Wohlergehen von Pferden sprechen", betont Helgstrand nun. Wenn diese Branche überleben wolle, wäre das Wohlergehen des Pferdes das wichtigste Thema. An diesen Aussagen wird sich Helgstrand nun messen lassen müssen. Denn die Bilder aus seinem Stall sprechen eine andere Sprache.