Leichtathletik bei Olympia 2024 Kerr gewinnt Hochsprung-Gold im Stechen - Drama um Tamberi
Hamish Kerr aus Neuseeland hat bei den Olympischen Spielen in Paris Hochsprung-Gold im Stechen gewonnen. Gianmarco Tamberi, Olympiasieger von Tokio, ging geschwächt von einer Nierenkolik am Samstag (10.08.2024) leer aus. Über 4x400 m triumphierten zum Abschluss die beiden US-Staffeln. Der Norweger Jakob Ingebrigtsen gewann Gold über 5000 m. Über 1500 m der Frauen gab es einen olympischen Rekord.
Die Bilder von vor drei Jahren in Tokio sind unvergessen: Der Italiener Gianmarco Tamberi und Mutaz Essa Barshim aus Katar übersprangen im Hochsprung-Finale beide 2,37 m - und einigten sich dann darauf, gemeinsam als Olympiasieger in die Geschichte einzugehen. Arm in Arm feierten sie damals diesen besonderen goldenen Moment.
Nachdem Tamberi - von einer Nierenkolik geschwächt - in diesem Jahr nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen konnte und Barshim sich mit Bronze begnügen musste, hätten es ihnen Hamish Kerr aus Neuseeland und der US-Amerikaner Shelby McEwen nachmachen können: Beide hatten nach übersprungenen 2,36 m dieselbe Anzahl an Fehlversuchen.
Doch sie entschieden sich dazu, weiterzuspringen - und nicht gemeinsam zu feiern. Nur einer von ihnen sollte Olympiasieger werden. Am Ende gelang das Kerr, der im Stechen - anders als McEwen - 2,34 m im ersten Versuch übersprang. Der ehemalige Vize-Europameister Tobias Potye (München) war in der Qualifikation ausgeschieden.
Tamberi erlebt nach Gold in Tokio einen "Albtraum" in Paris
Tamberi hatte seine Nierenkolik bereits vor einigen Tagen bekannt gemacht. Wenige Stunden vor dem Hochsprung-Finale postete er in den sozialen Medien, dass es ihm gar nicht gut gehe. Er schrieb von Schmerzen und einem "Albtraum", den er erlebe. Dennoch ging er im Stade de France an den Start. Dort riss er sich offenbar extrem zusammen, allerdings am Ende ohne sportlichen Erfolg.
Die Anfangshöhe von 2,17 m ließ er aus, bei 2,22 m benötigte er schon den dritten Versuch, um im Wettbewerb zu bleiben. Das vorzeitige Aus war damit aber nur vertagt: Bei 2,27 m riss er dreimal - und suchte als Elfter des Klassements völlig enttäuscht und traurig Trost bei seinem Trainer und seinem Team auf der Tribüne.
4x400 m: Staffeln der USA setzen sich durch
Zum Abschluss der olympischen Leichtathletik-Wettbewerbe im Stadion - nur noch der Marathon der Frauen steht am Sonntag (11.08.2024, 8 Uhr, im Livestream auf sportschau.de) auf dem Programm - gewannen die USA die Goldmedaillen in den beiden Staffel-Finals über 4x400 m. Das Männer-Quartett gewann in olympischer Rekordzeit von 2:54,43 Minuten knapp vor Botswana (2:54,53) und Großbritannien (2:55,83). 100-m-Olympiasieger Noah Lyles ging nach seiner Corona-Infektion nicht an den Start, das US-Team lief in der Besetzung Christopher Bailey, Vernon Norwood, Bryce Deadmon und Rai Benjamin. Der Staffel-Schlussläufer hatte am Vortag bereits Einzel-Gold über 400 m Hürden gewonnen.
Viel deutlicher sprinteten Shamier Little, Sydney McLaughlin-Levrone, Gabby Thomas und Alexis Holmes in der US-Frauen-Staffel zum Sieg - und verfehlten den Weltrekord nur um eine Zehntelsekunde: Nach 3:15,27 Minuten hatten sie im Ziel über vier Sekunden Vorsprung auf die Niederlande (3:19,50). Nach dem starken Finish von deren Schlussläuferin Femke Bol blieb Großbritannien nur Bronze (3:19,72). Die deutschen 4x400-m-Staffeln waren in den Vorläufen ausgeschieden. Über 4x100 m hatten die DLV-Sprinterinnen am Freitag (09.08.2024) überraschend Bronze gewonnen.
5000 m: Ingebrigtsen läuft allen davon
Nach der überraschend verpassten Medaille auf seiner Spezialstrecke über 1500 m hat sich der Norweger Jakob Ingebrigtsen über die 5000 m eindrucksvoll revanchiert: Der Welt- und Europameister verschärfte wenige Hundert Meter vor dem Ziel das Tempo und lief der Konkurrenz entscheidend davon.
In persönlicher Saisonbestzeit von 13:13,66 Minuten sicherte sich der 23-Jährige erstmals Olympia-Gold auf dieser Distanz. Auf Platz zwei kam der Kenianer Ronald Kwemoi (13:15,04) ins Ziel, Bronze ging an Grant Fisher aus den USA (13:15,13). Das hochgehandelte äthiopische Trio ging im Finale komplett leer aus. Läufer aus Deutschland waren über 5000 m bei Olympia in Paris nicht nominiert.
1500 m Frauen: Olympischer Rekord von Faith Kipyegon
Die Kenianerin Faith Kipyegon hat nach den Olympiasiegen in Rio und Tokio den erstmaligen Gold-Hattrick einer Frau über 1500 m ins Ziel gelaufen: Im Finale im Stade de France zog sie ausgangs der letzten Kurve das Tempo an und distanzierte ihre Kontrahentinnen. In olympischer Rekordzeit von 3:51,29 Minuten hatte die 30-Jährige im Ziel etwa zehn Meter Vorsprung vor Jessica Hull aus Australien und der Britin Georgia Bell, die sich über Silber und Bronze freuen dürfen. Kipyegon hatte in Paris zuvor bereits die Silbermedaille über 5000 m gewonnen.
800 m Männer: Gold für Kenianer Wanyonyi
Das Olympia-Finale der Männer über 800 m war eine äußerst knappe Angelegenheit: Der 20-Jährige Vize-Weltmeister Emmanuel Wanyonyi aus Kenia rettete sich mit einem starken Schlussspurt in 1:41,19 Minuten (persönliche Bestzeit) als Erster ins Ziel - dort lag er eine Hundertstelsekunde vor dem kanadischen Weltmeister Marco Arop.
Mit seiner Zeit ist Wanyonyi nun der drittschnellste 800-m-Läufer der Geschichte, den Weltrekord seines Landsmanns David Rudisha (1:40,91) verpasste er nur um 28 Hundertstelsekunden.
Offenbar Dopingverdacht gegen Bronze-Gewinner Sedjati
Bronze ging an Djamel Sedjati (1:41,50). Der Algier war in dieser Saison bislang ungeschlagen, er ist jetzt nur noch der viertschnellste Läufer in der 800-m-Geschichte. Deutsche Läufer waren über diese Strecke in Paris nicht am Start.
Nach dem Finale wurde bekannt, dass es offenbar gegen Sedjati und dessen Trainer Amar Benida einen Dopingverdacht gibt. Jedenfalls wurden am Donnerstag (08.08.2024) im olympischen Dorf Durchsuchungen von Anti-Doping-Gendarmen durchgeführt. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Ermittlerkreisen und bestätigte damit einen Bericht der "L'Equipe".
100 m Hürden: Favoritin Masai Russell setzt sich durch
Masai Russell ging als Weltjahresschnellste (12,25 Sekunden bei den US-Trials in Eugene im Juni) im Finale über 110 m Hürden an den Start - und sie wurde ihrer Favoritenrolle ganz knapp gerecht. Die 24-Jährige Amerikanerin gewann in 12,33 Sekunden vor der vom Publikum im Stade de France frenetisch angefeuerten Französin Cyrena Samba-Mayela (12,34) und Jasmine Camacho-Quinn aus Puerto Rico (12,36). Russell war vor einem Jahr bei der WM in Budapest noch im Halbfinale ausgeschieden. Auch hier waren keine deutschen Athletinnen in Paris dabei gewesen.
Speerwurf: Japanerin Kitaguchi triumphiert
Im Speerwurf der Frauen hat sich die 26 Jahre alte Japanerin Haruka Kitaguchi zur Olympiasiegerin gekürt. Mit Saisonbestleistung von 65,80 m lag die Weltmeisterin fast zwei Meter vor der Silbermedaillengewinnerin Jo-Ane van Dyk aus Südafrika (63,93) und der Tschechien Nikola Ogrodnikova (63,68). Für Mitfavoritin Flor Denis Ruiz Hurtado (Kolumbien) reicht es nur zu Platz fünf. Christin Hussong aus Zweibrücken hatte es nicht ins Finale geschafft, sie schied in der Qualifikation aus.