DBB-Herren im Olympia-Halbfinale Ein weiterer Meilenstein für den deutschen Basketball
Den Start verschlafen die deutschen Basketballer, ihr Viertelfinale gegen Griechenland droht zum Krimi zu werden. Dann entscheiden Franz Wagner und Dennis Schröder die Partie und sorgen für den nächsten historischen Erfolg. Im Halbfinale wartet Frankreich.
Die Wurf-Uhr rauschte bedrohlich nahe dem Nullpunkt entgegen, ehe der Ball bei Dennis Schröder landete, nur Meter von der Mittellinie des Basketball-Feldes entfernt. Bei etwas mehr als einer Minute Restzeit übernahm der deutsche Kapitän die Verantwortung, entließ den Ball in hohem Bogen über fast das halbe Feld hinweg Richtung Korb.
Und die Kugel machte, was Schröder von ihr wollte: Sie flog durch die Reuse. Was war das denn für ein wilder Wurf! Drei Punkte für Deutschland, 72:57-Führung im Viertelfinale gegen Griechenland knapp zwei Minuten vor dem Ende. Die Menschen sprangen von ihren Sitzen auf, oft sieht man einen so furiosen Drei-Punkte-Wurf nicht, der prägt sich auch beim Gegner ein.
Es war die Entscheidung am Dienstagmittag (06.08.2024) in der Halle von Paris-Bercy, in der tags zuvor noch die Turner um Medaillen kämpften.
Das wusste auch der Edelfan an der Seitenlinie. Deutschlands größter Basketballspieler Dirk Nowitzki, wohl einer der Gründe, warum sich diese Spieler der deutschen Nationalmannschaft alle fürs Basketballspielen entschieden haben, hob seine Arme in die Luft und spreizte jeweils drei Finger ab, er grinste. Die "Dreier"-Geste eine Ehrerbietung für seinen Nachfolger als DBB-Kapitän, Teamleader - und übrigens auch Olympia-Fahnenträger.
Nowitzki schaut deutsche Basketball-Historie
Schon am Montagabend war Nowitzki zu Gast beim Gold-Coup der deutschen 3x3-Frauen an der Place de la Concorde, der ersten deutschen Basketball-Medaille bei Olympia überhaupt. Der gebürtige Würzburger Nowitzki scheint zum Glücksbringer des deutschen Teams zu werden. Durch den 76:63 (36:36)-Viertelfinalsieg greifen nun auch die Basketball-Männer in den Medaillenkampf ein, erstmals haben sie das Halbfinale eines olympischen Turniers erreicht.
Und dort warten die Franzosen um Supertalent Victor Wembanyama, die Kanada mit 82:73 (45:29) ausschalteten. In der Gruppenphase in Lille hatte es das Duell gegen die Gastgeber schon einmal gegeben - Deutschland war beim 85:71 deutlich überlegen.
"Ich glaube, so richtig realisieren wir das noch nicht. Aber die nächsten Stunden werden wir das sicher genießen", sagte Moritz Wagner im Sportschau-Interview nach dem ersten Spiel seiner Mannschaft in Paris. "Ich liebe alle diese Jungs", sagte Schröder.
Deutschlands erfolgreichste Mannschaftssportler
Er und seine Basketball-Kollegen haben ihre Zimmer im Olympischen Dorf bezogen und nach ihrer Vorrunde in Lille die französische Hauptstadt erreicht. Die gute Nachricht für den DBB lautet: Sie machen dort genau damit weiter, womit sie im Norden Frankreichs aufgehört haben: mit Siegen. "Wir haben mit jedem Spiel einen Schritt nach vorne gemacht. Hoffentlich haben wir noch zwei Schritte übrig", sagte Schröder. "Ich gebe alles, um unseren Traum wahr werden zu lassen."
Der Traum vom Olympiasieg nach EM-Bronze 2022 und dem WM-Titel 2023 lebt. 13 Spiele in Serie ist das Team von Bundestrainer Gordon Herbert mittlerweile schon ungeschlagen bei Großereignissen. Die Basketballer sind aktuell Deutschlands erfolgreichste Mannschaftssportler. Wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht?
Zäher Beginn gegen Griechenland: "Olympia kein Zuckerschlecken"
Gegen den Gruppendritten Griechenland starteten sie jedoch zäh in die Partie, im ersten Viertel war noch ein wenig Nervosität erkennbar. Die Deutschen trafen nur 36 Prozent ihrer Zwei- und nur 12,5 Prozent ihrer Drei-Punkte-Würfe. Die Anzeigetafel zeigte: Griechenland 21, Deutschland 11 Punkte. Mehr war da nicht. "Bis zu einem gewissen Grad ist es das, was wir erwartet haben", sagte der Bundestrainer.
Die Griechen wollten die Deutschen, in der Vorrunde noch so furios unterwegs, auf ihr Niveau herunterziehen und schafften das durch die eigene Defensive. Das DBB-Team nahm plötzlich einige unvorteilhafte Würfe. "Kennt ihr das Toni-Kroos-Interview nach dem Champions-League-Finale? Das ist ja nicht Regionalliga hier", sagte Moritz Wagner.
Er meinte das Interview, in dem der Ex-Fußballer darauf angesprochen wurde, dass sein Klub im Champions-League-Finale in Bedrängnis geriet. "Es ist ja kein Zuckerschlecken hier. Es sind Olympische Spiele, Viertelfinale, die Griechen haben eine tolle Energie, tolle Spieler. Sie spielen total physisch und waren ready."
Mit 36:36 ging es dann immerhin in die Halbzeitpause. Ein Zuckerschlecken dabei: die letzten Punkte. Schröder bediente per Alley-oop seinen Braunschweiger Jugend-Buddy Daniel Theis, der stopfte den Ball in den Korb. Die "Welle der Imperfektion", wie Wagner es nannte, überwanden die deutschen Basketballer mit zunehmender Spieldauer, sie fanden immer mehr ihren Rhythmus.
Franz Wagner entscheidet die Partie
Moritz' Bruder Franz Wagner, mit 18 Punkten bester DBB-Werfer (Giannis Antetekounmpo traf 22 Mal für Griechenland) und Schröder waren es dann im dritten und vierten Viertel, die erst einen Vorsprung herauswarfen, dem Team damit etwas Luft im Krimi verschafften - und ihn dann vorzeitig entschieden. "Way to carry, boy", sagte Schröder zu Wagner und zollte ihm Respekt.
Nowitzki ballte in den Schlussminuten draußen immer wieder seine rechte Faust. Zwischenzeitlich verteilte er auch "High Fives" mit den Fans oder schrieb Autogramme. Der NBA-Champion von 2011 erlebte in Paris einen weiteren Meilenstein für den deutschen Basketball. Als der geschafft war, verließ der neue deutsche Glücksbringer dann flugs die Halle. Dieser Moment sollte seinen Nachfolgern gehören.