Gina Lückenkemper jubelt mit deutscher Fahne

Leichtathletik-WM Gebeuteltes DLV-Team will in Budapest überraschen

Stand: 18.08.2023 15:01 Uhr

Mit einem 70-köpfigen Team startet der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) in die am Samstag beginnende WM in Budapest (19. bis 27. August). Viele Ausfälle wiegen schwer. Doch der Verband hofft auf Überraschungen - und die Athleten um die Team-Kapitäne Gina Lückenkemper und Christopher Linke sind hochmotiviert.

Von Bettina Lenner

Zugegeben: Die Liste der Ausfälle liest sich fast wie ein Who's Who der deutschen Leichtathletik. Weitsprung-Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Malaika Mihambo, 5.000-m-Europameisterin Konstanze Klosterhalfen, Vize-Europameisterin Lea Meyer (Hindernis) und Vize-Europameister Bo Kanda Lita Baehre (Stabhochsprung) sagten unter anderem angeschlagen ihre Teilnahme an den Wettkämpfen im nagelneuen Stadion "Nemzeti Atlétikai Központ" ab.

WM nur ein Jahr nach Eugene

Die verbliebenen DLV-Asse schwören sich im Pre-Camp in Erding auf die Welt-Titelkämpfe ein, die nur ein Jahr nach der WM von Eugene ausgetragen werden. Das Event in den USA war Pandemie-bedingt um ein Jahr verschoben worden und für den DLV mit lediglich zwei Medaillen durch Mihambo (Gold) und die 4x100m-Staffel der Frauen (Bronze) enttäuschend verlaufen. Immerhin folgte wenige Wochen später die glanzvolle Heim-EM in München.

Das WM-Ergebnis von Oregon soll sich nicht wiederholen, doch in Anbetracht der besonderen Umstände ist zwei- bis dreimal Edelmetall für das deutsche Team realistisch. "Wir hatten gehofft, dass wir bezüglich des Krankenstandes irgendwann mal erleichtert werden. Aber wir müssen wirklich konstatieren, dass wir sehr stark gebeutelt sind und dass es auch wirklich Hochkaräter getroffen hat", sagte DLV-Sportdirektor Jörg Bügner.

Wir haben wahnsinnig viele Ausfälle, das tut auch weh.
Jörg Bügner im ARD-Interview

"Angst", führte der 54-Jährige vor seiner ersten WM im Amt weiter aus, sei allerdings "kein guter Begleiter", es gebe "keine Ausreden".

Bügner - "Bis in die Haarspitzen motiviert"

Sportschau, 16.08.2023 10:55 Uhr

Lückenkemper: "Leicht wäre ja fast langweilig"

Bange machen gilt nicht, schon gar nicht für Deutschlands ebenso fröhliche wie forsche Vorzeige-Athletin Gina Lückenkemper. Die Doppel-Europameisterin ist in starker Form und nicht erst seit den zahlreichen Ausfällen vermehrt in den Fokus gerückt. Druck verspüre sie nicht, versicherte die 26-Jährige im ARD-Interview, ihr Traumjahr 2022 mit WM-Staffel-Bronze und zweimal EM-Gold habe sie eher beflügelt.

Sie habe "unfassbar Bock" auf die WM - selbst wenn in Alexandra Burghardt und Lisa Mayer die Hälfte der Erfolgsstaffel des vergangenen Jahres wegen Blessuren passen muss. "Es ist natürlich nicht leicht. Aber leicht wäre ja auch schon fast langweilig. Die Dynamik im Team passt", betonte Deutschlands Sportlerin des Jahres.

Lückenkemper - "Beste Form meiner bisherigen Karriere"

Sportschau

Lückenkemper und Linke die Kapitäne

Lückenkemper und Geher Christopher Linke übernehmen bei der WM die Kapitänsrollen im deutschen Team, teilte der DLV am Donnerstag (17.08.2023) mit. Die Entscheidung fiel im Rahmen der ersten Mannschaftssitzung. Die Sprinterin hatte die Rolle schon bei der Heim-EM in München inne.

Starkes Diskus-Frauen-Trio und starke Zehnkämpfer

Neben Lückenkemper werden in Ungarn von den sieben Einzel-Europameistern von München nur Speerwerfer Julian Weber und Zehnkämpfer Niklas Kaul am Start sein. Anders als die Sprinterin, für die auf Weltniveau als Solistin schon die angepeilte Final-Teilnahme ein großer Erfolg wäre, zählen beide zu einer Handvoll deutscher Medaillenanwärter. Das starke Diskus-Trio der Frauen um die Olympia-Zweite Kristin Pudenz, Hochspringer Tobias Potye und Zehnkampf-Shootingstar Leo Neugebauer gehören ebenfalls zu den DLV-Hoffnungsträgern beim auf neun Wettkampftage komprimierten Saisonhighlight in Budapest.

Rekordsprinter Hartmann: "Lust an der Challenge"

Im Fokus stehen aber auch andere. Wie zum Beispiel Joshua Hartmann. Der Sprinter hat in diesem Sommer den 18 Jahre alten deutschen Rekord über 200 m pulverisiert (20,02 Sekunden) und freut sich auf die Duelle mit seinen Idolen wie Noah Lyles und Fred Kerley bei der ersten Leichtathletik-WM in Ungarn.

Während es für ihn vor allem ums Weiterkommen und die "Lust an der Challenge" geht, darf der zweite frischgebackene deutsche Rekordhalter Neugebauer (8.836 Punkte) von Edelmetall träumen. "Ich fühle mich top und habe richtig Bock drauf. Ich weiß, dass ich echt was Großes machen kann", sagte der 23-Jährige, der in den USA studiert, der ARD.

Zehnkämpfer Leo Neugebauer hat Großes vor

Sportschau

Wie hoch fliegt Mondo Duplantis?

2.000 Athletinnen und Athleten aus mehr als 200 Ländern werden ab Samstag (19.08.2023) auf der großen Leichtathletik-Bühne auf Medaillenjagd gehen, darunter aus europäischer Sicht Stars wie Norwegens Wunderläufer Jakob Ingebrigtsen, 400-m-Hürden-Weltrekordler und Olympiasieger Karsten Warholm (Norwegen) oder auch dessen Disziplinkollegin Femke Bol aus den Niederlanden. Und dann ist da noch die Frage: Gelingt Schwedens Überflieger Armand Duplantis der nächste Weltrekord im Stabhochsprung?

Bügner und Stein hoffen auf Überraschungen

Große Namen, großer Sport, Bügner freut sich auf die Herausforderung, nun auf Weltmaßstab die Leistungsfähigkeit der deutschen Leichtathletik unter Beweis stellen zu können. "Die Medaillenchancen sind sicher überschaubar. Aber wir müssen uns den Herausforderungen stellen, so wie sie kommen. Wir sind der Meinung, dass wir trotz allem gut performen werden. Wir haben ein gutes Team am Start", bekräftigte er.

Ziel muss es sein, dass der Athlet die individuell beste Performance abliefert. Das können wir messen. Und dann sehen wir, was das im internationalen Kontext wert ist.
Jörg Bügner

Der 54-Jährige hofft wie Annett Stein auf Überraschungen. "Wir wissen, wir gehen nicht in Bestbesetzung in diese Meisterschaft, aber die Athleten sind bis in jede Haarspitze motiviert", sagte die DLV-Chefbundestrainerin. Das sei die Grundvoraussetzung, "dass man im Angriffsmodus ist und sich nicht durch Ausfälle irritieren lässt", ergänzte Bügner. "Die, die auf dem Platz stehen, müssen dann performen."

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 20.08.2023 | 07:00 Uhr