Jannik Sinner mit Tennisball
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Nach Einigung mit der WADA Jannik Sinner - Sieger trotz Dopingsperre

Stand: 15.02.2025 14:16 Uhr

Tennisprofi Jannik Sinner hat sich mit der WADA auf eine Dopingsperre geeinigt. Für Sinner ein dankbarer Ausgang des Verfahrens. Die Verbände dagegen sollten sich hinterfragen.

Von Andreas Thies

Als Jannik Sinner am Abend des 26. Januar 2025 den Matchball in einem größtenteils einseitigen Finale der Australian Open gegen Alexander Zverev verwandelt hatte, lag ihm die Tenniswelt zu Füßen. So souverän, so ohne sichtbare Schwächen ist Sinners Spiel, dass es auch die Konkurrenten fast sprachlos zurückließ. "Ich bin einfach nicht gut genug", lautete das Urteil des unterlegenen Zverev.

Jannik Sinner gewann die Australian Open, obwohl über ihm der Vorwurf des Dopings hing. Im vergangenen Frühling waren in zwei Dopingproben Spuren des anabolen Steroids Clostebol gefunden worden. Eine abschließende Verhandlung über eine Sperre hätte Mitte April vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS stattfinden sollen. Zu dieser kam es nicht, nachdem sich Sinner und die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA jetzt auf einen Vergleich einigten, der eine Sperre des Südtirolers bis zum 4. Mai 2025 beinhaltet.

Vorwurf der Nachlässigkeit

Sinner muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nachlässig gehandelt zu haben. Seine Version der Geschichte, sein Physiotherapeut habe eine Schnittwunde an der eigenen Hand mit einem Spray behandelt, das die verbotene Substanz Clostebol enthält und dadurch dann in der täglichen Arbeit mit Sinner in dessen Körper gelangte, wurde als glaubwürdig angesehen.

Sowohl von der ITIA, der International Tennis Integration Agency, die die Hoheit über die Dopingtests im Tennis hält, als auch von der WADA. Er hat wohl nicht wissentlich gedopt, er ist aber auch für das ordnungsgemäße Verhalten seines Teams verantwortlich. Und deswegen hatte die WADA den Einspruch angekündigt.

Sinners Einwilligung in das Angebot zum Vergleich mit der WADA ist verständlich. Er verpasst kein Grand-Slam-Turnier und kann diesen Fall jetzt endgültig hinter sich lassen. Dass er bis zu den French Open vier hochdotierte Turniere verpassen wird, kann er verschmerzen. Sein Vorsprung in der Weltrangliste auf Alexander Zverev ist so groß, dass er wohl auch die Spitzenposition nicht verlieren wird.

Tennisverbände in der Kritik

Viel größere Vorwürfe werden sich die Tennisverbände gefallen lassen müssen. Sinners Fall wurde zu einem großen Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Erst als der Freispruch der ITIA veröffentlicht wurde, war der Fall bekannt geworden.

Sinner hatte es mit seinen Anwälten geschafft, zwei Mal erfolgreich gegen die provisorische Sperre, die ein positiver Dopingtest nach sich zieht, Einspruch zu erheben. In den kommenden Monaten konnte er, unbemerkt von der Öffentlichkeit, die Beweise seiner Unschuld erbringen.

Die Tennisverbände hatten in den vergangenen Monaten enorm viel zu verlieren. Ihre beiden Topstars Jannik Sinner und Iga Swiatek standen unter Dopingverdacht. Swiatek war positiv auf Trimetazidin getestet worden. Laut ihrer Aussage aufgrund einer kontaminierten Melatonin-Tablette. Beide Fälle wurden im Verborgenen verhandelt.

Erst als das Strafmaß feststand, in Sinners Fall erst ein Freispruch, in Swiateks Fall eine Sperre von vier Wochen, wurde die Öffentlichkeit informiert. Der Verdacht drängt sich auf, dass hier zum Schutz der Topstars alles getan wurde, um das Image nicht zu beschädigen. Das der Spieler und natürlich auch das des Tennis.

WADA: Vergleich im Anti-Doping-Code vorgesehen

Auch die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hatte offensichtlich einiges zu verlieren. Ein Freispruch Sinners vor dem Internationalen Sportgerichtshof hätte die Glaubwürdigkeit eines ernsthaften Anti-Doping-Kampfes nur weiter beschädigt. So einigte man sich auf einen Vergleich, der laut WADA ausdrücklich im Anti-Doping-Code vorgesehen ist, allerdings auch beiden Seiten die Möglichkeit gibt, ihr Gesicht zu wahren.

Es ist leicht, sich sofort auf die Sportlerinnen und Sportler zu stürzen, die sich eines Dopingvergehens schuldig gemacht haben. Sinner beteuert, nicht wissentlich gedopt zu haben. Seine Version klingt auch knapp ein Jahr nach den positiven Dopingtests noch glaubwürdig.

Vielmehr ist der Finger auf die Verbände zu richten, die ein besonderes Interesse daran haben, ihre Topstars zu schützen, um das Produkt Tennis nicht in Verruf zu bringen. Außerdem den Institutionen, die sich den Kampf gegen das Doping auf die Fahnen geschrieben haben. Ein einheitliches Vorgehen bei positiven Dopingtests, transparent für die Öffentlichkeit, sei es die Nummer eins oder die Nummer 150 der Weltrangliste, muss die Folge sein.

Jannik Sinner wird bei den French Open wieder antreten können. Er ist trotz Pause einer der Topfavoriten. Die Konsequenzen seines nachlässigen Verhaltens werden kaum spürbar sein.