Hockey-WM in Indien Kapitän Grambusch: "Möchten als Weltmeister nach Hause kommen"
Bundestrainer André Henning und Kapitän Mats Grambusch sprechen im Sportschau-Interview über die bevorstehende Hockey-WM in Indien. Ein Gespräch über Erwartungen, den Kader und sportpolitische Themen.
Sportschau: Ich habe im Vorfeld dieses Interviews versucht News oder aktuelle Infos zum Nationalteam zu finden! Die Ausbeute war sehr mager! Sind Sie überrascht?
André Henning: Wir wissen schon, wo Hockey steht, haben durchaus in den letzten Jahren wahrgenommen, dass Hockey in der Medienlandschaft keine große Präsenz bekommt, was wir natürlich schade und auch enttäuschend finden. Gleichzeitig bin ich schon überrascht, weil ja eine Weltmeisterschaft von der erfolgreichsten Ballsportart Deutschlands schon ein großes Event ist. - Gerade wenn man sich Hockey mal anschauen möchte, dann kann man das in Indien ganz gut machen.
Wir spielen in zwei riesigen Stadien, einmal 16.000, einmal über 20.000, die werden ziemlich oft voll sein, mit Hockey-verrücktem Publikum, ich glaube es lohnt sich schon, darauf aufmerksam zu machen. Und ehrlich gesagt würde ich mir auch wünschen, dass das mehr ist. Ich bin schon der festen Überzeugung, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Auftrag hat, auch das Sportspektrum etwas breiter abzubilden, als nur die Top-drei-Sportarten und von daher kann ich sagen, dass ich froh bin, dass wir hier eingeladen sind, das ist ja ein erster guter Schritt. Bestenfalls tun wir natürlich auch viel dafür, um in die Schlagzeilen zu geraten - im positiven Sinne.
Mats Grambusch: In meiner Timeline auf Instagram und sonst wo geht es natürlich relativ zügig, da ploppen ziemlich viele News auf. Die Sportschau-App habe ich auch, da ist bisher aber noch nicht so viel gekommen (lacht). Man erhofft sich natürlich von Jahr zu Jahr, dass jetzt das Jahr ist, wo es einmal Klick macht.
Mit welchen Erwartungen geht es für die deutsche Hockey-Nationalmannschaft zur WM nach Indien?
Mats Grambusch: Aktuell sind wir auf der Weltrangliste Vierter. Wir haben drei Mannschaften vor uns, wovon zwei deutlich einen Schritt voraus sind, die haben das in den letzten Jahren mehrfach bewiesen, auch bei Turnieren, ganz besonders Belgien. Aber auch die Australier sind gerade noch einen Tick vor uns, nichts desto trotz ist die Erwartungshaltung bei uns allen gleich. Wir möchten als Weltmeister wieder nach Hause kommen, nach Deutschland kommen und ich bin auch wirklich davon überzeugt, dass wir das schaffen können. Ich glaube, dass wir schon mit hohen Erwartungen hinfahren, und die auch gerne bestätigen würden.
Zur Vorbereitung gehört mit dazu, dass Sie als Bundestrainer das Team auf die kommenden Gegner vorbereiten. Wie stark sind die Vorrunden-Gegner – Japan, Belgien, und Südkorea – einzuschätzen?
André Henning: Wir haben beim Vorbereitungsturnier in Spanien gegen beide asiatischen Teams spielen können. Das war für die Mannschaft eine ganz wichtige Erfahrung, weil dieser asiatische Spielstil uns eher unorthodox vorkommt. Das ist eine andere taktische Struktur, die ist aus unserer Wahrnehmung etwas wilder und etwas chaotischer. Sich darauf einzustellen, das ist schon neu, weil das nicht den Top-Mannschaften entspricht. Es ist genau deswegen besonders schwierig und herausfordernd. Wir haben mit sehr viel Struktur, typisch deutsch, darauf geantwortet, das hat auch schon ganz gut funktioniert. Dennoch ist klar, das sind die beiden Pflichtsiege für uns.
Belgien wird das dicke, große Spiel, Belgien ist amtierender Weltmeister, amtierender Olympiasieger. Das WM-System ist ja so, dass wenn wir Belgien schlagen sollten und Erster in der Gruppe werden, überspringen wir ein Achtelfinale, da gibt es so eine Zwischenrunde, die nur für die Nummer zwei und drei der Gruppe gilt und von daher ist das Spiel gegen Belgien sehr wichtig. Für uns war es ganz wichtig, dass wir Belgien in der Pro League einmal geschlagen haben. Das hat sehr viel Selbstvertrauen gegeben, dass wir jetzt auch wissen, dass wir an einem guten Tag jeden "knacken" können.
Wie sieht der Kader aus, wer fährt mit?
André Henning: Wir haben ein sehr gutes Paket gerade zusammen. Die Qualität in der Breite ist definitiv da und gleichzeitig hat diese Breite an Spielern wahnsinnig gute Ergebnisse erzielt. Wenn man sich die Pflichtspiele anschaut, die wir dieses Jahr hatten, inklusive der Penalty-Shoot-Outs, dann haben wir 13 Siege aus 16 Spielen geholt, das ist eine sehr gute Quote. Jetzt gilt es eben mit dem Team was wir haben, wirklich diese Eingespieltheit, diese Feinheiten, diese Automatismen zu finden, die jetzt noch nicht so 100 Prozent sitzen können. Das ist auch ganz wichtig, dass wir das als Erwartungshaltung mit ins Turnier transportieren.
Bei uns ist es so: Von den 20, die wir mit nach Indien nehmen, waren zehn vergangenes Jahr bei den Olympischen Spielen nicht mit dabei. Also es sind schon viele Neue mit dabei, auch Rückkehrer, nicht nur junge, aber auch junge und der Mix muss sich natürlich finden. Der wird sich wahrscheinlich auch erst noch über die Woche dort und über die Vorrunde womöglich finden, dass wir dann gucken, dass wir auf den Punkt Richtung K.o.-Spiele soweit reinkommen.
Über Messi und die Fußball-WM fällt es leicht eine Verbindung zum Thema Kapitänsbinde herzustellen. Welche Art von Binde trägt Mats Grambusch?
Mats Grambusch: Es ist bei uns relativ klar. Ich spiele seit drei Jahren bei Rot-Weiß Köln, meiner Vereinsmannschaft, mit der Regenbogenbinde und das haben wir auch bei der Nationalmannschaft eingeführt. Bei uns ist das jetzt nicht so ein Thema wie bei den DFB-Jungs. Bei uns ist das eine Selbstverständlichkeit und eine Frage der Werte, die wir verkörpern. Die, zugegebenermaßen, ich auch persönlich verkörpere. Deshalb ist da bei uns einfach ein Haken dran, das ist quasi schon ad acta gelegt, weil es so offensichtlich ist.
Deutschlands Hockeyspieler Mats Grambusch in Aktion.
Wie ist Ihre Meinung zu politischen Statements im Sport?
André Henning: Für mich ist es wahnsinnig wichtig, dass wir für unsere Werte einstehen und die auch nach außen symbolisieren. Wir sehen ja, dass es offensichtlich nicht überall so Normalität ist, wie es Mats gerade für sich dargestellt hat. Das nehme ich bei Mats und der Mannschaft auch genauso wahr. Dass solche Zeichen Normalität sind, sie ihnen auch wichtig sind, aber das Thema bei ihnen gar nicht mehr so außergewöhnlich ist wie für andere Nationalmannschaften. Ich finde, dass das auf der Plattform ein ganz wichtiges Zeichen und ein ganz wichtiges Statement ist. Ich hatte jetzt natürlich viele Diskussion darüber, hat das was im Sport verloren? Ist das nicht ein politisches Statement?
Dementsprechend bin ich sehr froh, happy und sehr stolz, und den Begriff "stolz auf meine Mannschaft sein", den verwende ich sehr selten, dann muss schon tolles Hockey zusammenkommen oder besonders positives Verhalten, aber ich bin wirklich stolz darauf, dass die Mannschaft so damit umgeht, dass sie so vorne weggeht, und dass es so eine Selbstverständlichkeit ist.
Ich erlebe nämlich auch nicht, dass das bei uns eine Diskussion ist oder dass sich eine Mannschaft darüber spaltet, ob wir Statements in die Richtung setzen wollen oder ob wir Vorbilder sein wollen. Weil, das muss ich auch noch dazu sagen: Wofür ist Sport letztendlich da? Wofür ist Leistungssport da? Warum wird so etwas im Fernsehen übertragen? Klar, es hat einen Entertainment-Faktor, aber vor allem sollen junge Menschen ihre Vorbilder sehen und den Vorbildern nacheifern. Da wäre doch super, wenn diese Vorbilder vorbildhaftes Verhalten an den Tag legen, also die Art und Weise wie sie auftreten, wie sie sich auf dem Platz verhalten, aber auch vor bildhaftes Verhalten in der Art und Weise, wofür sie stehen, welche Werte sie verkörpern. Und wenn eine Mannschaft solche Werte verkörpert, dann ist für mich eine Weltmeisterschaft in vielen Teilen ein Erfolg, ohne dass wir einen Ball berührt haben.
Spüren Sie jetzt kurz vor der Abreise in irgendeiner Form Druck, Nervosität, Anspannung?
Mats Grambusch: Druck, gar nicht. Die Vorfreude steigt von Tag zu Tag, insbesondere, weil wir uns in den letzten Tagen jetzt noch mal mit den "Westlern" der Mannschaft getroffen haben und einige Trainingseinheiten durchgeführt haben. Da hat man schon so ein erstes Kribbeln bekommen. Aber dadurch, dass wir keine Vollprofis sind, haben wir gleichzeitig auch noch andere Themen im Kopf, die man vorher noch abhaken muss. Wir sind jetzt ja einen ganzen Monat weg, und wenn man arbeitet oder eine Familie hat, dann muss man vorher ein paar Sachen regeln. Von daher, das kam jetzt auch alles noch auf uns zu, das hat jeden einzelnen Spieler noch ein bisschen bewegt hat, und deswegen noch nicht so in der Vorfreude und diesem WM-Modus war.
Aber in dem Moment, wo wir uns begrüßen werden, spätestens da wird es einen überkommen und dann freut man sich einfach auf die WM. Druck allerdings spürt man jetzt wirklich noch gar nicht, ich glaube aus meiner Erfahrung, die schlimmsten Spiele was Druck angeht sind Achtelfinal-Spiele oder Viertelfinal-Spiele, wo du ganz klar der Favorit bist und auch weißt, du musst gewinnen. Das ist das Höchste an Druck, was es gibt, wenn gleich dieser Druck auch etwas Schönes ist, weil du weißt, wenn du gut spielst, gewinnst du, weil du die bessere Mannschaft bist.
Wie sehen die Tage in Indien bis zur ersten Partie gegen Japan am 14. Januar aus?
André Henning: Wir machen tatsächlich vor Ort noch ein Training und zwei Mini-Testspiele, das ist so üblich, dass man da 40 anstatt 60 Minuten spielt. Einmal gegen Südafrika, direkt am zweiten Tag, zum "eingrooven", und am Tag vier gegen Australien. Was für uns ein super-Test ist, die haben wir jetzt tatsächlich sehr lange nicht gesehen, das letzte Spiel gegen sie war das Olympia-Halbfinale. Die werden die Messlatte noch mal ordentlich hochnehmen und uns auf unser WM-Niveau mit hochziehen. Das ist schon elementar, da kann man nicht so drüber hinweg gehen wie bei einer Trainingseinheit, da kommst du sehr schnell auch in das Hockey-Tempo rein. Wir haben ganz bewusst jetzt vorher auch zwei Wochen Pause gehabt, klar es gab Trainingseinheiten, Kleingruppen Training aber kein Mannschafts-Training mehr, das war nach der intensiven Vorbereitungsphase vorher auch notwendig. Also das bedeutet, über das Training wieder reinkommen, akklimatisieren, die beiden Spiele machen und dann bestenfalls auf den Punkt fit zu sein für das erste Spiel.
Sie beide haben, denke ich, sehr gute Erinnerung an eine Junioren-WM in Indien vor 10 Jahren. Da sind Sie Weltmeister geworden, Sie als Trainer und Sie als Spieler. Ein gutes Omen?
Mats Grambusch: In der Zwischenzeit waren wir schon ein paar Mal wieder in Indien und haben es nicht so hinbekommen. André war damals Bundestrainer, nur für dieses eine Jahr, ich durfte da auch genau auf derselben Position auflaufen wie ich jetzt zehn Jahre später wieder auflaufen werde. Wenn man von einem Omen sprechen möchte, dann wäre das ein Schönes.
Das Gespräch führte Andreas Ahn.