Dika Mem, Emil Nielsen und Julian Köster
analyse

Viertelfinalisten im Vergleich Wer kann die dänische Dominanz bei der WM stoppen?

Stand: 27.01.2025 22:50 Uhr

Das Favoritensterben in Oslo hat für einen bunten Mix aus erfahrenen Teams und Überraschungen unter den letzten acht Mannschaften bei der Handball-WM gesorgt. Dänemark ist weiter der Top-Favorit, aber wo steht das DHB-Team? Die Mannschaften im Power-Ranking.

Von Julie Bärthel

Platz 1 - Dänemark

Stärken: 34 WM-Spiele ungeschlagen, drei WM-Titel in Folge, den besten Torschützen (Mathias Gidsel - 49 Tore) und den besten Torhüter des Turniers (Emil Nielsen - 43,8 Prozent gehaltene Bälle). Das dänische Starensemble hat sämtliche Gegner inklusive der deutschen Mannschaft aus der "Hölle von Herning" geschossen. Die geballte Weltklasse wird von Brasilien schwer zu stoppen sein und greift nach dem historischen vierten Erfolg in Serie.

Der Däne Mathias Gidsel

Der zurzeit beste Handballer der Welt: Mathias Gidsel ist der große Trumpf der Dänen.

Schwächen: Im dänischen Spiel haben sich bisher kaum Schwachpunkte aufgetan. Was trotzdem Hoffnung macht? Der Heimvorteil ist weg. Und: Trainer Nikolai Jakobsen gibt seiner Startsieben kaum Pausen, auch bei hohen Führungen. Im vergangenen EM-Finale hat Frankreich es vorgemacht und die Dänen geschlagen: mit einer beeindruckenden Physis, Geduld und ein bisschen Spielglück - es ist also möglich.

Bisherige Ergebnisse: 6 Spiele / 6 Siege (225:143) - Bester Torschütze: Mathias Gidsel (49 Tore)

Platz 2 - Frankreich

Stärken: Die Mannschaft von Guillaume Gille ist neben Dänemark als einziges Team verlustpunktfrei. Die frühzeitige Rückkehr von Dika Mem und Elohim Prandi tat dem Team unheimlich gut. Außerdem spielt Thibaud Briet, Halblinker von HBC Nantes, eine starke Weltmeisterschaft. Der Zwei-Meter-Mann ergänzt die starke Offensivreihe perfekt und fügt dem Spiel mit seiner Wurfkraft (24 Treffer) eine weitere Facette hinzu.

Der Franzose Thibaud Briet

Spielt bisher eine starke WM: Thibaud Briet vom HBC Nantes

Schwächen: Weder Rémi Desbonnet noch Charles Bolzinger (beide Montpellier HB) gehören statistisch zu den zehn besten Torhütern des Turniers. Im Vergleich zu den Top-Nationen und absoluten Titelfavoriten ein klarer Nachteil. Die starke französische Abwehr um Kapitän Ludovic Fabregas schafft es, die Schwachstelle bisher gut zu kaschieren, spannend wird es spätestens, wenn auch diese mal schwächelt.

Bisherige Ergebnisse: 6 Spiele / 6 Siege (219:148) - Bester Torschütze: Dika Mem (36 Tore)

Platz 3 - Deutschland

Stärken: Das jahrelange Prunkstück der deutschen Handballer hat sich in diesem Turnier gefunden. Die deutsche Abwehr steht und dahinter glänzen sowohl David Späth (38,6 Prozent) als auch Andi Wolff (36,4). Vieles steht und fällt mit der Rückkehr von Regisseur Juri Knorr. Ist der 24-Jährige fit, ist die Rückraum-Achse mit Köster und Uščins eine absolute Waffe im weiteren Turnierverlauf - die Qualität von Paris ist da!

Das deutsche Torwart-Duo

Starkes Gespann: Das deutsche Duo Wolff/Späth ist der große Rückhalt im Tor.

Schwächen: Technische Fehler und die mangelnde Chancenverwertung. Bei der 30:40-Niederlage gegen Dänemark stand das DHB-Team bei einer Angriffseffektivität von 55 Prozent - die Dänen bei 73. In der K.o.-Runde kann das Siebenmeterwerfen ein spielentscheidender Fakor werden. Auch wenn Kastening (10/13) sein Händchen gefunden hat, rangiert Deutschland mit 17/24 Würfen noch hinter Kap Verde und den USA.

Bisherige Ergebnisse: 6 Spiele / 5 Siege (190:165) - Bester Torschütze: Renārs Uščins (31 Tore)

Platz 4 - Portugal

Stärken: Es ist das wahrscheinlich beste junge Brüderpaar im europäischen Handball: Martim und Francisco "Kiko" Costa. Die Rückraumspieler von Sporting Lissabon haben zusammen 69 der insgesamt 209 Tore erzielt. Ebenfalls wertvoll: Salvador Salvador. Der 24-Jährige stach beim Sieg über Chile mit 14 Assists heraus und könnte in momentaner Verfassung ein zusätzlicher Schlüsselspieler der Portugiesen werden.

Francisco Costa jubelt über ein Tor

Francisco "Kiko" Costa gilt als eines der größten Nachwuchstalente Europas.

Schwächen: Ohne den dopinggesperrten Mittelmann Miguel Martins fehlt den Portugiesen ein wichtiges Puzzleteil im Angriff. Aber vor allem die Defensive hat noch Luft nach oben. Im Schnitt kriegt Portugal 28 Gegentreffer, damit liegen sie hinter den Top-Nationen (Dänemark und Frankreich je 24). Kein Torhüter gehört statistisch zu den Top 25 des Turniers. Die Abhängigkeit von so viel Offensivpower könnte sich gegen die starke deutsche Defensive bereits als Knackpunkt entpuppen.

Bisherige Ergebnisse: 6 Spiele / 5 Siege / 1 Remis (209:169) - Bester Torschütze: Francisco Costa (36 Tore)

Platz 5 - Kroatien

Stärken: Die Arena Zagreb ist bei dieser Handball-WM definitiv der "achte Mann" für die Kroaten. Gegen Island und Slowenien wurde jede Aktion gefeiert und die Gegner damit phasenweise zermürbt. Die Blitz-Rückkehr der kroatischen Handball-Legende Domagoj Duvnjak ist dabei genauso wichtig wie die Leistung von Dominik Kuzmanović. Der Gummersbacher ist mit 40,8 Prozent Fangquote der zweitbeste Keeper der WM.

Domagoj Duvnjak und Dominik Kuzmanovic

Die emotionalen Leader der Kroaten: Domagoj Duvnjak (l.) und Dominik Kuzmanovic (r.).

Schwächen: Der kroatische Rückraum hat nach einem Generationswechsel ein komplett neues Gesicht bekommen. Mit Pavlovic (21 Jahre alt), Srna (27) und Martinović (27) stehen in entscheidenden Spielsituation in Summe deutlich weniger als 100 Länderspiele auf dem Parkett. Bei der einzigen Niederlage gegen Ägypten wurde die fehlende Abgezocktheit deutlich, die die Kroaten sonst über Jahre ausgezeichnet hat.

Bisherige Ergebnisse: 6 Spiele / 5 Siege (198:144) - Beste Torschützen: Mario Šoštarić/Filip Glavaš (je 28 Tore)

Platz 6 - Ägypten

Stärken: Die große Erfahrung von Ägypten-Trainer Carlos Pastor. Der Spanier hat sein Heimatland 2005 zum ersten WM-Titel geführt. Ein cleverer Schachzug war es auch, die Last vom großen Star der "Pharaonen", Yahia Omar, auf mehrere Schultern zu verteilen. Der Linkshänder spielt seitdem viel befreiter auf und führte sein Team mit 30 Toren und 14 Assists ins Viertelfinale.

Der Ägypter Yahia Omar

PSG-Star Yahia Omar führt Ägypten mit starken Leistungen bis ins Viertelfinale.

Schwächen: Ägyptens Spielmacher Yehia El-Deraa (Veszprém) fehlt dem Team wegen eines Kreuzbandrisses. Ersetzt wird der 29-Jährige von seinem jüngeren Bruder Seif El-Deraa. Der Mittelmann findet seine Form im Turnier allerdings noch nicht, trifft nur 18 von 33 Würfen und legte elf Tore auf. Das Torhüter-Duo Hendawy/Aly gehört nicht zur ersten Güteklasse.

Bisherige Ergebnisse: 6 Spiele / 5 Siege (183:149) - Bester Torschütze: Yahia Omar (30 Tore)

Platz 7 - Brasilien

Stärken: Mit Spanien, Norwegen und Schweden schickten die Südeuropäer drei europäische Schwergewichte nach Hause. Das lag vor allem an Schlussmann Rangel Da Rosa (40 Prozent). Vorne spielt Bryan Monte (22 Tore) eine starke WM und entlastet den Top-Torschützen Haniel Langaro (28). Die bisherigen Leistungen haben dem Team viel Selbstvertrauen beschert, was zusätzlich Kräfte freisetzen kann.

Das brasilianische Team nach der Hymne

Brasilien surft nach den überraschenden Siegen längst auf einer Erfolgswelle.

Schwächen: 15, 16, 13 - so viele technische Fehler machten die Brasilianer in den drei Hauptrundenspielen. Kein Viertelfinalist hat im Turnier häufiger den Ball hergeschenkt (79 Mal). Damit bringen die Südamerikaner sich immer wieder in unnötige Probleme. Da die bisherigen Gegner eine ähnlich hohe Fehlerquote aufwiesen, fiel diese Schwäche bisher noch nicht ins Gewicht. Im Viertelfinale dürften die Dänen das gnadenlos ausnutzen und das Spiel damit bereits früh entscheiden.

Bisherige Ergebnisse: 6 Spiele / 5 Siege (167:153) - Bester Torschütze: Haniel Langaro (28 Tore)

Platz 8 - Ungarn

Stärken: Die Außen der Ungarn können Spiele entscheiden. Der Kieler Bence Imre gilt als eines der größten Talente auf Rechtsaußen und überzeugt in der Hauptrunde mit Treffsicherheit (12/16) und Facettenreichtum. Sein Pendant auf links, Bendegúz Bóka (14/15), ebenfalls. Außerdem haben sie mit Richárd Bodó einen erfahrenen Joker, der von der Bank bereits je 15 Tore und Vorlagen besteuerte.

Der Ungar Zoltan Szita

Der Ungar Zoltan Szita sorgt für viel Torgefahr im bisherigen Turnier.

Schwächen: Bisher traf Ungarn nur mit Frankreich auf einen Gegner der absoluten Weltspitze. Dort wurden die Schwächen auch schnell deutlich: 13 technische Fehler, 47 Prozent Wurfquote und 29 Prozent gehaltene Bälle. Den Ungarn fehlen gegen aggressive Deckungen oft die Lösungen und eine klare Spielführung. Die Blütezeit des 36-jährigen Spielmachers Máté Lékai scheint vorbei und dem Nachwuchs fehlt noch die internationale Spitzenklasse.

Bisherige Ergebnisse: 6 Spiele / 4 Siege / 1 Remis (186:163) - Bester Torschütze: Zoltán Szita (25 Tore)