Zukunft des Fußballs Kommt die Super League? Vorentscheidung am EuGH
Gibt es künftig möglicherweise doch eine Super League? Am Europäischen Gerichtshof könnte es eine Vorentscheidung geben.
Es wird ernst in Sachen Super League. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll aktuell klären, ob die UEFA und die FIFA im Fußball eine Monopolstellung wettbewerbswidrig nutzen und ob dieser Status mit europäischem Recht vereinbar ist - also, ob im Umkehrschluss Wettbewerbe wie eine Super League künftig möglich sind. Am Donnerstag (15.12.2022) stellt EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos in Luxemburg seine Schlussanträge, die Sitzung mit mehreren Verhandlungssachen beginnt um 9.30 Uhr.
Was genau wird verhandelt?
Ein Handelsgericht aus Madrid hatte nach einer Klage der "European Super League Company" der UEFA in einer einstweiligen Verfügung untersagt, Sanktionen gegen die Super-League-Klubs anzudrohen oder auszusprechen. Noch wichtiger aber: Das Gericht beantragte zudem beim Europäischen Gerichtshof die Klärung entscheidender Fragen. Diese lassen sich grundsätzlich so zusammenfassen:
- Halten die UEFA und die FIFA ein Monopol, das mit EU-Recht nicht vereinbar ist?
- Verhindern die Verbände damit unrechtmäßig die Gründung neuer Wettbewerbe wie der Super League?
Sollte das Gericht diese Fragen bejahen, würde es im Grundsatz eine Super League oder andere Wettbewerbe ermöglichen. Die Schlussanträge des Generalanwalts am Donnerstag sind noch keine Entscheidung des EuGH, geben aber eine Richtung vor.
Wie könnte das Verfahren ausgehen?
"Gewöhnlich folgen die Richter des EuGH diesen Anträgen weitgehend", sagt der Berliner Sportrechtler Holger Jakob im Gespräch mit der Sportschau. "Es könnte also einen deutlichen Hinweis darauf geben, wie der europäische Fußball in Zukunft aussehen wird." Denkbare Szenarien sind:
- Eine Entscheidung für die UEFA und die FIFA: Alles bleibt, wie es ist.
- Eine Entscheidung für die Super League: Alternative Ligen dürfen grundsätzlich gegründet und betrieben werden.
- Entscheidungen mit Einschränkungen: Das Gericht könnte beispielsweise der UEFA und der FIFA Recht geben, aber strukturelle Änderungen fordern.
Das Urteil fällt der EuGH wohl im Frühjahr 2023.
Welche Argumente haben die Verbände?
Die Rechtsprechung ist besonders für die UEFA relevant, weil es eine Konkurrenz zur Champions League geben könnte. "Die UEFA meint, dass es eine besondere Bedeutung des Sports gibt, die das Monopol schützt", sagt Jakob. "Das sogenannte Ein-Platz-Prinzip regelt, dass es nur einen Verband pro Sportart gibt. In der internationalen Hierarchie des Fußballs also von der FIFA über die UEFA zu den Nationalverbänden des DFB bis hinunter zu den Landes- und Regionalverbänden."
Viele europäische Institutionen haben sich zu diesem "europäischen Sportmodell" bekannt und klar auf die Seite der UEFA gestellt. So nannte das EU-Parlament die Super League in einer Entschließung "ein Paradebeispiel" für die "Bedrohung der europäischen Dimension des Sports". Auch der Rat der EU bekannte sich zu den bestehenden Strukturen. Das Gericht sei zwar unabhängig, sagt Jakob. "Aber solche Signale haben natürlich einen gewissen Einfluss."
Was wollen die Klubs der Super League?
Neben der in Spanien ansässigen "European Super League Company" klagt die spanische Sportmarketing-Agentur A22. Dahinter stehen die drei offiziell verbliebenen Klubs, die die Super League nach ihrem atemberaubenden Scheitern im April 2021 immer noch verfolgen: Real Madrid, FC Barcelona und Juventus Turin.
Sie sehen sich zu Unrecht an ihrer Teilnahme am Markt gehindert und in die Rahmenbedingungen der Verbände gezwängt. A22-Chef Reichart sagte in einer Videobotschaft am Montag, dass das Monopol der UEFA aus seiner Sicht nicht in Ordnung sei. "Die UEFA organisiert die Wettbewerbe und kann gleichzeitig andere Wettbewerbe ablehnen - das ist ein Interessenkonflikt."
Kann es nach einer Entscheidung schnell die Super League geben?
"Wenn der EuGH so entscheidet, könnten sich viele solcher Ligen gründen", sagt Jakob. A22 behauptet, bereits mit mehreren Klubs in Gesprächen zu sein. Derzeit versucht A22 mit dem früheren RTL-Chef Bernd Reichart in der Öffentlichkeit ein überarbeitetes Format der Super League zu verkaufen.
Darin wird erklärt, dass die Klubs in ihren nationalen Ligen verbleiben sollen - was aber schon beim ersten Versuch im April 2021 gar nicht zur Debatte stand. Zudem soll es ein "offenes Modell" mit Auf- und Abstieg geben, was für nationale Ligen wie die Bundesliga immer noch inakzeptabel bleibt, weil sie nicht mehr der alleinige Weg in den Europapokal wären.
Und die große Frage wäre ohnehin, wer eigentlich mitspielen will.
Welche Klubs kämen infrage?
Während es in Spanien oder Italien Mitstreiter geben könnte, gibt es anderswo größere Hindernisse.
- England: Die Premier League droht in ihrem Regelwerk abtrünnigen Klubs mit 30 Punkten Abzug, wenn einer von ihnen sich "ungenehmigten Wettbewerben" anschließt. Die EuGH-Rechtsprechung gilt hier durch den Brexit nicht. Die Androhung solcher Punktabzüge könnte dort also bestehen bleiben und ein entscheidendes Hindernis darstellen.
- Deutschland: In der Öffentlichkeit wäre eine Teilnahme an der Super League gerade in Deutschland schwer zu verkaufen. Hinzu kommt, dass eine solche gravierende Entscheidung bei den mehrheitlich mitgliederbestimmten Klubs der Bundesliga wahrscheinlich in Mitgliederversammlungen beschlossen werden müsste - mit eher geringen Erfolgsaussichten.
- Frankreich: Vorrangig in Frage käme natürlich Paris Saint-Germain. Doch diesen Klub und seinen Präsidenten, Nasser Al-Khelaifi aus Katar, hat die UEFA mit viel Aufwand auf ihre Seite gezogen. Der PSG-Chef, der als Chef des Senders beIN Sports auch treuer Kunde bei den TV-Rechten der UEFA ist, sitzt mittlerweile im UEFA-Exekutivkomitee. Er ist auch Chef der ECA, der Lobbyorganisation der Spitzenklubs. Beim Kampf gegen den ersten Versuch der Gründung einer Super League im April 2021 war Al-Khelaifi ein wichtiger Verbündeter der UEFA.
Die UEFA hat zudem eine deutliche Steigerung der Einnahmen für die Klubs im Europapokal für den kommenden Rechtezyklus 2024 bis 2027 in Aussicht gestellt. Bis zu 15 Milliarden Euro sollen dann insgesamt im Spiel sein, derzeit sind es rund 9 Milliarden. Das würde eine Super League finanziell weniger notwendig machen.
Die Super League wurde 2021 allerdings nicht von drei, sondern von zwölf Klubs gegründet. Neben Real Madrid, dem FC Barcelona und Juventus Turin waren damals auch Atletico Madrid, Inter Mailand, AC Mailand, FC Chelsea, FC Arsenal, Tottenham Hotspur, FC Liverpool, Manchester United und Manchester City beteiligt. Nach Informationen der Sportschau pocht die Super League grundsätzlich weiter auf eine vertragliche Bindung aller zwölf Klubs.
Wäre auch ein Kompromiss denkbar?
Danach sieht es überhaupt nicht aus. Die UEFA signalisierte A22 Gesprächsbereitschaft und lud Agenturchef Reichart zu einem Treffen nach Nyon ein. Dort brüskierte die UEFA die Super-League-Gesandten: Zahlreiche hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus nationalen Ligen, europäischen Spitzenklubs, Fan-Organisationen und Spielergewerkschaften waren im Raum und präsentierten Reichart und Kollegen eine Absage. Die Klärung der Sache erfolgt nun vor dem EuGH.