Italien ohne Chance Spanien lehrt die EM-Konkurrenz das Fürchten
Obwohl Spanien selbst kein Tor erzielt hat, stand am Ende ein hochverdienter Sieg gegen Italien. In dieser Form sind die Spanier der Top-Titelfavorit.
Das Temperament ließ offenbar keine andere Reaktion zu. Dani Carvajal schoss den Ball wutenbrannt in Richtung des eigenen Tores. Keine zwei Sekunden zuvor hatte der slowenische Schiedsrichter Slavko Vincic zur Pause gepfiffen.
Der spanische Verteidiger musste also kein Eigentor befürchten, aber er wollte mit diesem Gewaltschuss offensichtlich seinen Frust loswerden. Denn trotz der frappierenden Überlegenheit der Iberer sollte und wollte in den ersten 45 Minuten einfach kein Tor für sie fallen.
König Felipe hält die Fans auf
Die spanische Mannschaft hatte das Team von Italiens Trainer Luciano Spaletti mit ihrer großen spielerischen und individuellen Qualität geradezu erdrückt. 60 Prozent Ballbesitz, vier große Tormöglichkeiten allein in der ersten Halbzeit. Am Ende waren es dann 19 Torschüsse und acht große Torchancen gegen völlig überforderte Italiener.
"Die Mannschaft hat enttäuscht. Ich habe meinen Spielern nahegelegt, den Spaniern auf Augenhöhe zu begegnen, denn sonst wird es gegen diesen Gegner auf Dauer schwer", sagte Spaletti, der die verdiente Niederlage einräumte.
Nicht nur der spanische König Felipe VI., der bei seiner Anreise die Fußballfans auf den Ring um die Gelsenkirchener Arena für gut 20 Minuten aus Sicherheitsgründen zum Stillstand gebracht hatte, dürfte die (Fußball-)Welt zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht mehr verstanden haben.
Eigentor eine logische Folge
Das einzige Manko der Iberer: Der Ball wollte 55 Minuten lang - trotz bester Möglichkeiten - einfach nicht über die Torlinie. Italiens überragender Torhüter Gianluigi Donnarumma vereitelte mit gleich acht grandiosen Paraden ein Debakel für sein Team. "Sie haben eine große Qualität und sie haben es gezeigt", sagte Donnarumma danach anerkennend über den Gegner.
Dass der italienische Verteidiger Riccardo Calafiori nach einem der unzähligen spanischen Angriffsversuche den Ball dann unglücklich zum 1:0 für die Iberer ins eigene Tor schoss, war nur die logische Folge einer kaum für möglich gehaltenen Überlegenheit.
"Wir wollten was Großes zeigen, und das haben wir gemacht. Wir haben eine Hammerleistung abgerufen", sagte Spaniens starker Angreifer Nico Williams mit einem äußerst zufriedenen Gesichtsausdruck.
Dominanz und Umschaltspiel
Die Spanier hatten wie schon gegen die Kroaten im Auftaktspiel (3:0) die gesamte Offensiv-Palette zu bieten: Kopfbälle, Dribblings, Distanzschüsse, Kombinationsspiel. Das Team von Trainer Luis de la Fuente verfügt - wie bislang kein anderes Team bei dieser EM - über das gesamte Repertoire an Offensiv-Möglichkeiten.
Die Spanier sind in der Lage, wie gegen Italien eine Partie dauerhaft zu bestimmen. Aber sie können auch wie gegen die Kroaten aus einer zurückhaltenderen Haltung (nur 46 Prozent Ballbesitz) agieren und ihre Stärken im Umschaltspiel zur Geltung bringen.
"Ich bin sehr stolz auf das Ergebnis und die Art und Weise, wie wir das Spiel gewonnen haben. Ich glaube, dass wir dem Gegner in allen Belangen überlegen waren. Das ist ja nicht einfach, weil Italien ist eine Top-Mannschaft", sagte de la Fuente ein paar Minuten vor Mitternacht und damit kurz vor seinem 63. Geburtstag: "Wir müssen mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben."
Mehr Effizienz nötig
Während in früheren Zeiten allein die spanische Passmaschinerie die Gegner oft zermürbte, ist de la Fuentes Team in der Lage, die gesamte Klaviatur zu bedienen. Und da auch die Abwehr Stabilität ausstrahlt und noch keinen Gegentreffer hinnehmen musste, ist das eine schwer zu bezwingende Symbiose.
Sollten die Spanier in den kommenden Partien auch noch eine bessere Effizienz zeigen, dürften sie der Top-Favorit auf den EM-Titel sein.