Joker mit entscheidenden Impulsen Niederlande - über die Reservisten zum Titel?
Die Niederlande präsentierten sich zuletzt in starker Form - auch wegen ihrer Reservespieler. Mit einem neuen Teamgefühl wollen sie den Titel holen.
Die Rolle des Einwechselspielers ist eine, die kein Fußballprofi gerne ein- und annimmt. Denn wer es in diesen Beruf schafft, der strotzt nur so vor Ehrgeiz und Schaffenskraft. Entsprechend wenig erfreut nahm Wout Weghorst die Botschaft von Ronald Koeman im Vorfeld der EM 2024 zur Kenntnis, dass der niederländische Bondscoach eben diese Rolle für den schlacksigen Mittelstürmer alter Prägung vorgesehen hat.
Auch Koeman hatte - ähnlich wie Bundestrainer Julian Nagelsmann - Rollengespräche mit jedem einzelnen Spieler seiner Mannschaft vor dem Turnier geführt. "Mir wurde gesagt, welche meine Rolle bei diesem Turnier ist. Die muss ich optimal nutzen. Es gibt hier nur ein Ziel – den Pokal zu holen. Das wollen alle in der Mannschaft“, sagte Weghorst nach dem 2:1 im Gruppenspiel gegen Polen einigermaßen versöhnlich.
Gutes Händchen von Koeman
Das könnte daran gelegen haben, dass der 31-Jährige, der bis zum Sommer an die TSG Hoffenheim ausgeliehen war und nun wieder zum Premiere-League-Absteiger FC Burnley zurückkehrt, den Siegtreffer erzielt hatte und deshalb mit sich im Reinen war.
"Er war verärgert und hat im Training gearbeitet, um zum Startelf-Kandidaten zu werden. Das zeigt seine starke Mentalität. Für uns geht es darum, was das Beste für das Team ist, nicht für den Spieler", beschreibt Koeman seine strikte Vorgehensweise. "Jedes Team, das weit kommen will, braucht niederländische und englische Qualitäten."
Das muss auch Donyell Malen hinnehmen. Auch der Offensivspieler von Borussia Dortmund findet sich in der "Elftal" zunächst auf der Ersatzbank wieder. Auch der 25-Jährige scheint sich mit der Rollenvergabe erst einmal arrangiert zu haben.
Und Koeman scheint ein gutes Händchen bei seiner Ersatzspieler-Auswahl an den Tag gelegt zu haben. Wie sonst nur das DFB-Team haben auch die Niederlande bereits drei Tore durch Einwechselspieler erzielt.
Niederländer treten als Team auf
Nach dem Treffer von Weghorst hatte Malen im Achtelfinale gegen die Rumänen gleich zweimal getroffen. "Ich bin froh, dass ich der Mannschaft helfen konnte", sagte der Offensivspieler pflichtschuldig.
Dem Trainer dürfte die Herangehensweise seiner Reservisten besonders freuen. Sein Plan, dass die Holländer, anders als bei einigen Turnieren zuvor, als eingeschworenes Team agieren, scheint aufzugehen. Hochtalentierte Fußballer hatten die Niederländer bekanntlich bei fast jedem Turnier in der Vergangenheit zur Verfügung.
Allerdings überstrahlte oft das Eigeninteresse der Spieler den Teamgedanken. Das scheint bei diesem Turnier anders zu sein. Die Reaktionen aus der Mannschaft lassen zumindest auf ein Gemeinschaftsgefühl schließen.
"Donyell ist ein super Typ. Aber ich denke, alle Reservespieler haben bei uns die Qualität, so ein Spiel zu drehen", sagte Stammverteidiger Denzel Dumfries nach dem Erfolg gegen die Rumänen.
Bislang letztes EM-Halbfinale vor 20 Jahren
Es läuft gerade exzellent für die Niederlande. Denn: Unter den letzten acht Mannschaften bei einer EM stand eine "Elftal" zuletzt beim Turnier 2008, als es nach der Vorrunde direkt mit dem Viertelfinale weiterging. In Basel kam damals unter Trainer Marco van Basten in der Verlängerung gegen Russland (1:3) allerdings das Aus.
In ein Halbfinale schafften es die Niederländer das bislang letzte Mal vor 20 Jahren, bei der EM in Portugal. Damals schied das Team mit 1:2 gegen Gastgeber Portugal aus. "Jetzt konzentrieren wir uns auf das nächste Spiel - aber es gibt noch ein größeres Ziel", sagte Dumfries.
Das Viertelfinale soll demnach nur eine weitere Zwischenstation sein. "Wir sind Niederländer, wir müssen schön spielen, Angriffsfußball zeigen. Die Leistung gegen Rumänien war außerordentlich. Solch eine Leistung brauchen wir aber auch, um eine Chance aufs Weiterkommen zu haben. Wenn wir nachlassen, kommen wir nicht ins Finale", sagte Koeman.
Und der niederländische Top-Torjäger Cody Gakpo (3 Tore) ergänzte: "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen." Auch mit Hilfe der Reservisten.