Die Italiener jubeln gegen Albanien.
analyse

Comeback nach Rekord-Gegentor Italien - ein Blackout und ganz viel Titelverteidiger

Stand: 16.06.2024 08:41 Uhr

Italien legt erst historisch schlecht los, startet dann aber doch erfolgreich in die EM 2024. Gegen Albanien erinnerte vieles an den Titelgewinn von vor drei Jahren.

Von Sebastian Hochrainer, Dortmund

Luciano Spalletti hatte seiner Mannschaft vor dem EM-Auftakt einen klaren Auftrag an die Hand gegeben. "Wir müssen verstehen, dass wir uns sofort wie ein Titelverteidiger verhalten müssen", sagte der italienische Nationaltrainer am Tag vor dem ersten Spiel seines Teams gegen Albanien. Italien war 2021 Europameister geworden, hatte seitdem mit der verpassten WM-Qualifikation und einer holprigen EM-Quali nicht mehr überzeugen können. Der Druck war da, doch den ersten Test bestand sein Team mit Bravour.

Dimarco schockt Italien

Italien verhielt sich wie ein Titelverteidiger - zumindest etwa ab der zweiten Minute. Ein Blackout von Federico Dimarco, der mit seinem Einwurf Nedim Bajrami das schnellste Tor der EM-Historie nach 23 Sekunden bescherte, sorgte für das schnelle 1:0 Albaniens. Das Worst-Case-Szenario, schließlich hatten die Albaner in der Qualifikation nur vier Gegentreffer in acht Spielen kassiert. Und der Dortmunder Hexenkessel, der zu etwa 70 bis 80 Prozent mit albanischen Fans besetzt war, erschwerte die Situation.

Umso beeindruckender war die Art und Weise, mit welcher Leichtigkeit sich die Italiener aus dieser Schlinge befreiten. Mit einem Fußball, der enorm an den Triumph von vor drei Jahren erinnerte, erdrückte die "Squadra Azzurra" ihren Gegner. Das 2:1 - schon 15 Minuten nach dem Führungstreffer - vom überragenden Nicolo Barella war ein deutlicher Beleg dafür, dass Albanien mit der Ballsicherheit und dem Balltempo schlicht überfordert war.

Der große Unterschied zwischen Italien und Deutschland

"Meine Spieler haben gesagt, das ist kein Problem, sowas kann passieren, lasst uns einfach weitermachen. Wenn man solche Momente teilt, bringt das Stärke. Das war charakterlich eine fantastische Leistung", sagte Spalletti. "Wir haben dann richtig gut gespielt. Aber wenn wir auch nur den kleinsten Zweifel haben, kann es in eine andere Richtung gehen."

Die angesprochenen Zweifel waren aber offenbar nicht da und so gelang es den Italienern, für Ruhe auf den Tribünen zu sorgen. Das Ergebnis sprach nun für sie und auch die Spielweise war so dominant, dass der Glaube bei den frenetischen Albanern hörbar zu schwinden begann. Barella und Jorginho diktierten das Spiel, überließen dem Gegner fast gar nicht den Ball. Was Italien im Vergleich zum DFB-Team am Vortag beim 5:1 gegen Schottland fehlte, war jedoch die Effizienz. Eigentlich hätte die Partie schon zur Halbzeit entschieden sein müssen.

Spalletti kritisiert auch: "Haben gedacht, dass wir besser sind"

"Wir haben uns viele Chancen erarbeitet, sie aber nicht nutzen können. Wir haben viele Situationen kreiert, aber viel zu wenig daraus gemacht. Deswegen gab es auch vieles, was wir besser machen müssen", sagte Spalletti und warnte: "Wir haben gedacht, dass wir besser sind als wir es in einigen Situationen waren. Wir müssen gieriger sein, wir müssen dem Gegner mehr wehtun."

Denn Italien verzichtete in der zweiten Halbzeit weitgehend darauf, auf das dritte Tor zu gehen, was kurz vor Schluss beinahe bestraft worden wäre, als Keeper Gianluigi Donnarumma retten musste. Es war auch eine Szene, die zeigte, dass es für den Titelverteidiger ein einseitiger Test war. Im Ballbesitz begeisterten sie wie 2021, die Qualität der Verteidigung ohne die Oldies Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci ist noch fraglich.

Italiens offene Titelfrage und das Topduell gegen Spanien

Entsprechend reagierte Spalletti auch auf die Frage, ob es möglich sei, den EM-Titel zu verteidigen. Der 65-Jährige lächelte und überlegte lange, sagte dann: "Seitdem ich Trainer bin, sagt jeder, es sei wichtig zu gewinnen. Aber ich sage, es ist wichtig, guten Fußball zu spielen. Wenn wir das nicht machen, gibt es Mannschaften, die besser sind als wir. Das einzige, das uns retten kann, ist unsere Art des Fußballs."

Und weil diese Art des Fußballs der des nächsten Gegners Spanien ähnelt, das Kroatien im ersten Spiel mit 3:0 besiegte, dürfte es am Donnerstag (20.06.2024) in Gelsenkirchen zu einem echten Kräftemessen von zwei möglichen Favoriten kommen - und zu einer vollumfänglichen Prüfung für Italien. "Das ist ein großartiges Spiel, Spanien hat gegen Kroatien und in der Vergangenheit gezeigt, dass sie ein großartiges Team sind - aber sie sind nicht besser als wir", sagte Offensivspieler Federico Chiesa.