Tickets mit UEFA-App Fanhilfen kritisieren Fan-Tracking durch UEFA und Polizei bei der EM
Eine App der UEFA, die im Zusammenhang mit den digitalen Eintrittskarten angeboten wird, liefert Standortdaten von Fans an die Polizei. Der Dachverband der Fanhilfen fürchtet eine Ausweitung auf den Ligaalltag, die UEFA sagt: Niemand wird zum Teilen der Daten verpflichtet.
"Wir haben ein Auge und Ohr zu den Fans und können dann auch entsprechend schnell reagieren", sagte Brigitte Rottberg, Leiterin des Lagezentrums für die EM in München, in einer Reportage der BR-Sendung Kontrovers vom 26. Juni. Danach zeigt sie auf einen Bildschirm mit einer Landkarte, auf der zu sehen ist, in welchen Mengen sich Fans wo in der Stadt aufhalten. Zu sehen seien "die Ticketinhaber, die sich jetzt auf den Weg zur Arena machen", sagte Rottberg.
Woher die Daten kommen? Aus einer App der UEFA, die mit den digitalen Eintrittskarten vertrieben wird. Die Tickets sind ausschließlich in digitaler Form über eine App der UEFA nutzbar. Die Standortdaten kommen laut UEFA zwar nicht aus dieser App, sondern aus einer allgemeinen App zur EM. Diese ist jedoch nötig, um das für Fans kostenlose ÖPNV-Ticket zu erhalten.
In den Städten wurde für die App mit dem Hinweis auf das kostenlose ÖPNV-Ticket geworben.
Fanhilfen fordern: Kein App-Zwang in der Bundesliga
Der Dachverband der Fanhilfen in Deutschland kritisiert die Vorgehensweise. "Gegenüber anderen Menschen sind solche Überwachungsmaßnahmen nahezu unvorstellbar", sagt Verbandssprecher Oliver Wiebe im Gespräch mit der Sportschau. Wiebe äußerte die Befürchtung, dass solche Maßnahmen im Ligaalltag in Deutschland in Betracht gezogen werden können.
Denn auch in Deutschland werden Eintrittskarten im Profifußball digital vertrieben. Der Dachverband der Fanhilfen fordert deshalb "ein Bekenntnis dazu, dass es zu keinem ähnlich gelagerten App-Zwang bei Liga- und Pokalspielen von DFL und DFB kommen wird".
DFL: "Keine Pläne für ligaweite Lösung"
Die DFL antwortete auf eine Anfrage der Sportschau: "Pläne für eine ligaweite, einheitliche Ticketinglösung gibt es nicht. Die Art und Weise, wie Tickets vertrieben und verteilt werden, liegt in der Autonomie der Klubs." Vorgaben bei der Datenverarbeitung durch die DFL an die Klubs gibt es nicht. Der Ligaverband stellt den Klubs aber Muster-Geschäftsbedingungen für die Tickets zur Verfügung, die viele Klubs verwenden. Auch der DFB, der die Spiele der 3. Liga, der verschiedenen DFB-Pokalwettbewerbe, der Nationalmannschaften und der Frauen-Bundesligen organisiert, teilte mit: "Es gibt zum aktuellen Zeitpunkt keinerlei Planungen das Ticketing in den DFB-Ligen und Wettbewerben zu zentralisieren."
Bislang verkaufen die meisten Klubs ihren Fans PDF-Dokumente oder Wallet-Dateien für die Smartphone-Betriebssysteme Android und iOS. Ein Nachteil dabei ist die Möglichkeit, Dateien mehrfach auszudrucken oder Screenshots zu teilen. Mit RB Leipzig setzt mindestens ein Klub auf eine eigene Ticket-App - nach eigenen Angaben auch, um diese Praxis zu verhindern. Für Gästefans gibt es nach Widerspruch von Fans mittlerweile ein Modell ohne die App, Anhänger von RB Leipzig brauchen aber grundsätzlich die App.
In Deutschland protestierten zuletzt einige aktive Fanszenen gelegentlich für den Erhalt der klassischen Eintrittskarte - bislang zumeist aus nostalgischen Gründen.
Fans von Borussia Dortmund protestieren in Köln "für den Erhalt von traditionellen Eintrittskarten".
UEFA betont: Es gibt keinen Zwang zur Datenfreigabe
Die UEFA weist auf Anfrage der Sportschau darauf hin, dass mit dem Kauf der Eintrittskarten in der App "UEFA Tickets" keine Verpflichtung zur Weitergabe der Daten verbunden sei. Die App "UEFA EURO 2024" wird den Fans mit dem Kauf der Tickets per Mail angeboten. Nur über diese App gibt es das ÖPNV-Ticket.
Die Weitergabe der Daten sei optional und man könne sie bei der Installation der App verweigern, so die UEFA. Die Daten würden nur verwendet, um Fanströme zu managen. "Dies wird in der App allen Nutzern klar dargelegt, bevor sie entscheiden, ob sie ihre Daten teilen möchten oder nicht", teilt die UEFA mit. Eine Weitergabe von Daten an die Polizei wird jedoch nur in den Nutzungsbedingungen genannt.
Die Daten, die im Lagezentrum München dem Kamerateam vorgeführt wurden, sind laut UEFA "vollständig anonymisiert und ein wichtiges Instrument, um die Sicherheit der Fans während des gesamten Turniers zu gewährleisten". Das könne bei bestimmten Situationen in Bezug auf Verkehr, Wetter oder Sicherheit wichtig sein. Es erfolge keine Weitergabe personenbezogener Daten. Laut UEFA beginnt die Nutzung der Standortdaten sechs Stunden vor dem Anpfiff und endet sechs Stunden nach dem Spiel.
Eintrittksarten für die EM sind nur über eine App nutzbar.
Bundesbeauftragter für Datenschutz: "Zumindest kein intensiver Grundrechtseingriff"
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit teilte auf Anfrage der Sportschau mit, dass von der UEFA "im Rahmen der Besprechungen des nationalen Sicherheitskonzepts" keine App vorgelegt wurde, zuständig seien Schweizer Behörden. Die Behörde habe daher "keine datenschutzrechtliche Beratung vorgenommen und kann auch nicht bewerten, ob es sich wirklich um anonyme Standortdaten handelt".
Allgemein teilte ein Sprecher mit: "Die Erhebung der Ansammlung großer anonymisierter Menschenmengen - vergleichbar mit Staumeldungen in Anwendungen von Anbietern digitaler Karten - ist datenschutzrechtlich zumindest kein intensiver Grundrechtseingriff."
Werbung bei einem Spiel für die App, die Daten an die Polizei weitergibt
Fanhilfen-Dachverband will Klarheit über gesetzliche Grundlage
Der Dachverband der Fanhilfen will trotzdem nun Klarheit, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Daten an die Polizei weitergegeben werden. "Es gibt keinen gesetzlichen Auftrag von einem Landtag oder vom Bundestag für so eine Maßnahme", sagt Wiebe.