Viertelfinale erreicht Englands Dusel-Sieg öffnet neue Perspektiven
England feiert einen überaus glücklichen Sieg gegen die Slowakei. Topstar Jude Bellingham wittert eine Kampagne, Trainer Gareth Southgate hofft auf eine dringend notwendige Steigerung.
Er ging mit einem kleinen Jubelschrei. Nach der Ehrung zum Spieler des Spiels, die nach jeder Paarung dieser EM 2024 ausgesprochen wird, musste Jude Bellingham in den Katakomben der Gelsenkirchener Arena nochmal Luft ablassen.
Es war der letzte Druck, der dem 21-Jährigen - tags zuvor feierte er seinen 21. Geburtstag - von den Schultern zu fallen schien. England hatte sich dank seines spektakulären Last-Minute-Treffers per Fallrückzieher in die kaum noch für mögliche Verlängerung gerettet.
Wieder konzept- und planlos
Der bis dahin geradezu tragisch unglücklich agierende Teamkollege Harry Kane hatte in der ersten Hälfte der Nachspielzeit dann für das überaus glückliche 2:1 gegen die starke Slowakei gesorgt, in dem er erstmals in dieser Partie zufällig an der richtigen Stelle stand. Es war der Prototyp eines Dusel-Sieges.
"Uns Fußballer erfüllt es mit Stolz, für England zu spielen. Aber es ist nicht einfach, wir stehen unter einem großen Druck", sagte Bellingham. "Dieses Tor war einer der besten Momente meiner Karriere und es ist vor allem wichtig, wenn wir am Ende den Pott nach Hause holen."
Der Fußball, den er und sein Team zeigten, unterschied sich bis auf diese entscheidenden Momente nicht von den drei Gruppenspielen zuvor. Im Gegensatz zur Slowakei agierte England erneut konzept- und planlos, wirkte weiterhin träge und einfallslos.
Böswillige Kampagne
Mit dieser Kritik musste das Team seit EM-Beginn leben. Die Partie gegen die Slowakei gab guten Grund zur Ausweitung der Mängelliste. Bellingham nutzte diesen Triumph allerdings für eine Abrechnung mit den Kritikern. "Man kann diesen Druck in positive Energie umwandeln und die Kritiker Lügen strafen", sagte er. Das habe man ja schließlich sehen können.
Also, alles nur ausgedacht. Mehr als eine böswillige Kampagne konnte der englische Jungstar offenbar nicht ausmachen. Alles nicht so schlimm, immerhin steht nun das Viertelfinale am Samstag in Düsseldorf (18 Uhr) gegen die Schweiz auf dem Programm.
Kritik an der Spielweise
Eine weitere Partie, in der auch Trainer Gareth Southgate wieder an der Seitenlinie stehen wird. Wäre die Nachspielzeit der regulären 90 Minuten nicht so unerklärlich lang ausgefallen (sechs Minuten), wäre es kaum vorstellbar gewesen, dass der 53-Jährige auch künftig noch für das Team verantwortlich wäre.
Zu groß war die Kritik an der Spielweise der Mannschaft bei diesem Turnier, für die er als Fußballlehrer naturgemäß verantwortlich gemacht wurde. "Das Team war sehr geduldig. Am Ende sind wir in der Lage gewesen, auszugleichen", sagte Southgate. "Wir wollen uns weiter verbessern, das gebe ich zu. Aber der Spirit und der Charakter ist da, das kann jeder sehen."
Southgate ging Risiko ein
Der englische Siegeswille, gepaart mit einer großen Portion Zufall und einer Expertise sowie Risiko sorgten für den Wandel. Denn Southgate hatte Bellingham und Kane bis zur 106. Minute auf dem Spielfeld gelassen, obwohl bei beiden kaum Kraft und Esprit vorhanden war.
"Diese beiden Torschützen hätte man auswechseln können, aber ich wusste um die Qualitäten die beide haben. Deshalb sind sie auf dem Feld geblieben", sagte Southgate und lobte sich damit auch ein bisschen selbst - wenn es schon niemand anderes macht.
Für England und Southgate öffnen sich damit neue (Turnier-) Perspektiven. Der Coach wollte dann aber auch nicht drumherum reden, worauf es ankommen wird. Die Schweiz dürfte noch eine Nummer größer sein als die tapferen Slowaken. "Wir sind nicht blauäugig und nicht naiv. Wir wissen, dass unser Niveau höher sein muss, um uns durchzusetzen", so der Coach. Widerspruch hatte er nicht zu erwarten.