Kein Stadion EM 2028 - Nordirland als Gastgeber vor dem Aus
Die EM 2028 soll in England, Wales, Schottland, Nordirland und Irland stattfinden. Nun könnte Nordirland aus dem Programm fliegen.
Aus UEFA-Kreisen heißt es, dass es für Nordirland "derzeit sehr schlecht aussieht", einer der fünf Gastgeber des Turniers in vier Jahren zu bleiben. Hintergrund ist der stockende Neubau eines Stadions im Westen der nordirischen Hauptstadt Belfast. Die UEFA vergab das Turnier im Oktober 2023 nach Großbritannien und Nordirland.
Im Februar waren erste Arbeiten an dem in den 1950er Jahren eröffneten Stadion vorbereitet worden. Ob sie je wirklich richtig aufgenommen und sogar vollendet werden, ist derzeit ungewiss - das Stadion besteht bislang nur in Grafiken. Der Streit dreht sich vor allem ums Geld.
So soll laut dem Verband für Gälische Sportarten das Stadion aussehen.
Nur die Hälfte des Geldes ist zugesagt, keiner will den Rest bezahlen
Benötigt werden mehr als 300 Millionen britische Pfund (rund 350 Millionen Euro). Das ist etwa das Vierfache von dem, was ursprünglich erwartet wurde. Die regionale Regierung in Belfast sagte 62,5 Millionen Pfund (etwa 74 Millionen Euro) zu, der Verband für gälische Sportarten als Besitzer des Stadions 15 Millionen Pfund (fast 18 Millionen Euro). Auch die irische Regierung, die gemeinsame Projekte auf der Insel mitfinanziert, wollte 50 Millionen Euro beisteuern. Zusammengerechnet ist das weniger als die Hälfte der veranschlagten Kosten.
Und niemand will die Lücke schließen. Laut BBC schrieb Chris Heaton-Harris, in der aktuellen Regierung Großbritanniens Minister für Nordirland, dass es in London nicht akzeptiert werde, den Fehlbetrag zu decken. Auch für die Zeit nach der Parlamentswahl in Großbritannien am 4. Juli mit einem möglichen Wahlsieg der Labour-Partei deutet sich zumindest bislang keine Änderung bei dieser Haltung an.
Chris Heaton-Harris, Minister für Nordirland
UEFA-Funktionär in Belfast: "Lobenswerte Anstrengungen"
Patrick Nelson, Geschäftsführer des Fußballverbands in Nordirland, hofft dennoch weiter auf Geld aus London. Er sei noch zuversichtlich, "aber es wird vom politischen Willen abhängen", sagte Nelson. Deutlich pessimistischer zeigte sich Jarlath Burns, der Präsident des Verbandes für gälische Sportarten. "Es sieht nicht so aus, als würden wir die EM bekommen", sagte Burns im "Belfast Telegraph".
Luca Nicola, der bei der UEFA für die Zusammenarbeit mit den Nationalverbänden zuständig ist, besuchte den Verband Nordirlands bei dessen Jahreshauptversammlung am 24. Juni. "Es werden lobenswerte Anstrengungen unternommen, um Casement Park zu einem geeigneten Austragungsort für die EM 2028 zu machen", sagte Nicola, schränkte aber ein: "Es bleiben wichtige Herausforderungen bestehen - das müssen wir anerkennen." Man bleibe bei der der UEFA zuversichtlich.
Das Stadion Casement Park in Belfast
Die Zeit drängt
Sollte Belfast noch eine Chance haben, muss wohl bald etwas passieren. Für die EM 2024 hatte die UEFA festgelegt, dass bei neu zu bauenden Stadien der Baubeginn vier Jahre vor dem Turnier erfolgen muss. Zudem galt, dass neue Stadien zwei Jahre vor dem Turnier fertiggestellt sein müssen.
Vor der in ganz Europa ausgetragenen EM 2021 scheiterte ein Bauprojekt in Brüssel, die UEFA strich das Zentrum der europäischen Politik aus dem Programm und vergab die Spiele nach London ins Wembley-Stadion. Auf eine aktuelle Anfrage der Sportschau antwortete die UEFA: "Alle Beteiligten arbeiten bei der Entwicklung des Stadions Casement Park weiterhin eng zusammen."
Manche sehen Stadion kritisch, Alternative nicht vorhanden
Auch die Geschichte spielt eine Rolle: Teile der nordirischen Fans, in großen Teilen pro-britisch eingestellt, stehen dem Projekt kritisch gegenüber. In der Gegend, in der das Stadion neu errichtet werden soll, leben mehrheitlich Menschen, die als irisch-nationalistisch eingeordnet werden. Benannt ist das Stadion nach dem irischen Widerstandskämpfer Roger Casement, der am Osteraufstand gegen die britische Besatzung aktiv war. Er wurde 1916 in London wegen Hochverrats gehängt.
Nordirische Fans protestieren gegen den Neubau.
Alternativen gibt es aber auch nicht. Das größte Stadion in Nordirland ist mit 18.500 Plätzen der Windsor Park in Belfast, Nordirlands Nationalstadion. Alle anderen Spielorte weisen eine Kapazität im vierstelligen Bereich auf. Die UEFA forderte bei der Ausschreibung des Turniers zehn Stadien, von denen die drei kleinsten mindestens 30.000 Menschen Platz bieten sollen.
Das Stadion Windsor Park in Belfast
Unklar: Welche Gastgeber dürfen automatisch mitspielen?
Die Spiele aus Belfast könnten auf die anderen Orte umverteilt werden. Auch die Nachnominierung eines anderen Stadions wäre denkbar, traditionsreiche englische Stadien wie Anfield in Liverpool oder Old Trafford in Manchester sind bislang außen vor.
Stadion | Kapazität |
---|---|
London (Wembley) | 90.000 |
Cardiff | 74.000 |
London (Tottenham) | 62.000 |
Manchester (City) | 61.000 |
Liverpool (Everton) | 53.000 |
Dublin | 52.000 |
Birmingham | 52.000 |
Newcastle | 52.000 |
Glasgow (Hampden) | 52.000 |
Belfast | 30.000 (?) |
Nicht geklärt ist bislang auch die Frage, welche Teams automatisch qualifiziert sein werden. Die UEFA gesteht maximal zwei Gastgebern ein automatisches Startrecht zu. Eine Überlegung sah vor, dass alle in der Qualifikation mitspielen, wobei zwei feste Plätze für Gastgeberteams reserviert bleiben, die es dort nicht schaffen. Für die EM 2024 hatten sich nur England und Schottland qualifiziert.
Britische Medien: Eröffnungsspiel in Cardiff, Finale in Wembley
Die Verteilung der wichtigsten Spiele nimmt derweil bereits Formen an. Die "Times" in England berichtet, dass das Endspiel im Wembley-Stadion in London stattfinden wird, während für das Eröffnungsspiel das Millennium Stadium in Cardiff vorgesehen sein soll.