"Wollen die Deutschen ärgern" Party-Crasher? Schweiz lässt die Muskeln spielen
Die Schweiz fühlt sich pudelwohl in ihrer Außenseiterrolle und kündigt der DFB-Elf vor dem Duell am dritten Gruppenspieltag einen heißen Tanz an. Eine besondere Gefahr ist das goldene EM-Händchen von Trainer Murat Yakin.
Xherdan Shaqiri fällt auf. Während die meisten Fußballer heutzutage eher schmalbrüstig und asketisch daherkommen, ist der frühere Bayern-Profi das, was man früher einen Muskelprotz nannte. Breite Schultern, stramme Oberschenkel, Stiernacken. Da Shaqiri bei all diesen körperlichen Eigenschaften zudem nur 1,69 Meter misst, wird er in der Schweiz gerne "Shaq Attack" oder "Kraftwürfel" gerufen. Sollte es mal irgendwo Ärger geben, so einen wie Shaqiri hätte man gerne auf seiner Seite.
Shaqiri: "Wir wollen die Deutschen ärgern"
Dass nun ausgerechnet Shaqiris Schweizer am Sonntag (23.06.2024, 21.00 Uhr, Livestream, Radioreportage und Ticker) die deutsche Nationalmannschaft ein bisschen aufmischen wollen, rundet dieses Bild ab.
Die "Nati", die derzeit mit vier Punkten auf Platz zwei und in Lauerstellung liegt, könnte der DFB-Elf mit einem Erfolg den Gruppensieg wegschnappen und der gerade aufflammenden EM-Euphorie einen ordentlichen Dämpfer verpassen.
"Wir wollen die Deutschen ärgern", unterstrich passend dazu Shaqiri. Die Statur dazu hat er ja. Aber können Shaqiri und seine Schweizer auch fußballerisch zum Party-Crasher werden?
Lob von Nagelsmann
Selbst Bundestrainer Julian Nagelsmann konnte und wollte das auf der Spieltags-Pressekonferenz am Samstagabend in Frankfurt nicht ausschließen. Die deutsche Elf, das liegt in der Natur der Sache, geht nach zwei überzeugenden Siegen zwar als klarer Favorit in die Partie und strahlt dieses Selbstvertrauen aktuell auch mit jeder Pore aus.
Die Schweiz ist aber ein unangenehmer Gegner und könnte durchaus zum Stolperstein werden. "Allein durch die Qualität der Einzelspieler ist das der stärkste Gruppengegner", urteilte Nagelsmann: "Murat kann uns auf jeden Fall ärgern."
Yakin ist plötzlich ein Volksheld
Murat, der schweizerische Nationaltrainer, der mit vollem Namen Murat Yakin heißt und während seiner Spielerkarriere auch beim 1. FC Kaiserslautern und dem VfB Stuttgart Station machte, hat bei dieser EM schon viel richtig gemacht. Im ersten Spiel überraschte er mit No-Name Kwadwo Duah im Sturmzentrum und Offensiv-Kraft Michel Aebischer auf der Linksaußen-Position. Duah erzielte das erste Tor, Aebischer das zweite. In der zweiten Partie brachte er Shaqiri von Beginn an, auch dieser traf.
Die Fans liegen Yakin, der sonst für gewöhnlich eher einen schweren Stand hat, seitdem zu Füßen. Vor allem der 3:1-Auftakterfolg gegen Ungarn wurde in der Schweiz als Sieg des Trainers gefeiert. In den sozialen Medien schlug dem 49-Jährigen in den vergangenen Tagen zudem eine vornehmlich weibliche Sympathiewelle entgegen. Darauf angesprochen betonte Yakin mit einem Lachen, dass er glücklich verheiratet sei und zwei Kinder habe: "Da gibt es nichts zu holen." Zu holen gibt es definitiv aber etwas bei dieser EM.
Xhaka ist der Anführer
Es wäre zwar wohl etwas hochgegriffen, die Eidgenossen in den Dunstkreis der Titelanwärter zu heben. Angst muss die DFB-Elf vor diesem Team sicher nicht haben. Ein erster echter Gradmesser ist die "Nati" aber allemal. "Sie haben eine gute Mischung im Team, es gibt immer wieder interessante Positionswechsel", lobte auch Nagelsmann.
Yakin, der gemeinsam mit Nagelsmann einige Trainerlehrgänge absolvierte und den Bundestrainer auch dort schon mit seiner Sichtweise auf den Fußball beeindruckt hat, setzt inzwischen beständig auf ein 3-4-1-2-System mit einigen Konstanten: Granit Xhaka ist der Chef im Mittelfeld, an seiner Seite steht Remo Freuler, die Defensive wird von den Haudegen Fabian Schär, Manuel Akanji und Ricardo Rodriguez zusammengehalten, das Tor hütet Yann Sommer.
Schweiz sehr schwer auszurechnen
Vor allem in der Offensive ist die Schweiz aber sehr schwer auszurechnen. Die ebenso schnellen wie wendigen Dan Ndnoye vom FC Bologna und Ruben Vargas vom FC Augsburg sind bislang gesetzt. Unklar ist aber, ob Yakin auf einen echten Stürmer baut. Gegen Ungarn tat er es, gegen Schottland nicht. Einmal erzielte der echte Stürmer Duah einen Treffer, einmal der eher als hängende Spitze eingesetzte Shaqiri.
Eine weitere Option im Sturmzentrum ist zudem Breel Embolo. Der frühere Gladbacher, der nach einem Kreuzbandriss wieder fit ist und sich ebenfalls bereits in die Torjägerliste dieser EM eingetragen hat. Was Yakin, der Embolo zweimal als Joker brachte, bei dieser EM auch tat: Es funktionierte. Ein goldenes EM-Händchen.
Der Druck liegt bei Deutschland
Egal, wie sich der "Nati"-Trainer auch entscheiden wird: Die Schweiz, die nur bei einer klaren Niederlage und einem hohen Sieg Schottlands noch um das Achtelfinal-Ticker bangen müsste, ist in einer sehr guten Ausgangslage. Der Druck, das betonte auch der sichtlich entspannte Yakin, liegt klar bei EM-Gastgeber Deutschland. Die DFB-Elf braucht einen Sieg, um die Hochstimmung im Land aufrechtzuerhalten. Die Schweizer können erst einmal abwarten.
"Wir freuen uns auf die Begegnung. Wir müssen aber nicht unbedingt gewinnen", fasste Yakin zusammen: "Wir werden versuchen, den Gegner zu ärgern und zu stören." Gemütlich, das steht fest, wird das Duell gegen die Schweizer für die DFB-Elf definitiv nicht.