Strategie für Heim-Turnier Der EM-Kader als PR-Projekt des DFB
Am 16. Mai wird der DFB seinen Kader für die EM 2024 bekannt gegeben - zuvor lässt er schon über Medien und Influencer Nominierte enthüllen. Was steckt dahinter?
Dass eine Kadernominierung vor einem großen Turnier eine komplette Überraschung ist, ist schon lange illusorisch. Viel zu sehr bemüht sich eine Vielzahl an Medien und ihre Journalisten darum, im Vorfeld schon herauszufinden, welche Spieler bei Welt- und Europameisterschaften dabei sind.
Da muss der DFB gar nicht die offene Stelle sein, aus der die Informationen aus der Packung raustropfen - schließlich sind die Profis bei Vereinen angestellt, über die die Journalisten tagtäglich berichten.
DFB entscheidet selbst, welche Nominierung öffentlich wird
Der Verband hat nun entschieden, die Zügel vor der offiziellen Bekanntgabe des EM-Kaders am 16. Mai selbst in die Hand zu nehmen. Nicht andere Medien sollen peu à peu das Bild der deutschen Nationalmannschaft zusammenfügen, sondern der DFB selbst übernimmt das. Dass die Tagesschau am Sonntagabend (12.05.2024) die Nominierung von BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck und am Montagvormittag der Alten- und Krankenpflege-Influencer Rashid Hamid die von Jonathan Tah offenbarte, ist also gewollt.
Am Montag kamen dann auch noch Aleksandar Pavlovic (verkündet von RTL) und Manuel Neuer (von der Handerwerker-Influencerin "Dachdeckerin Chiara") hinzu.
Bis zum 16. Mai will der DFB auf diese Art und Weise an jedem Tag mehrere Spieler bekannt geben lassen. Bis Bundestrainer Julian Nagelsmann am Donnerstag in Berlin auf dem Podium sitzen wird, werden rund ein Dutzend Namen veröffentlicht worden sein - alle vom DFB so auserkoren.
Ob am Tag der gesamten Kaderbekanntgabe dann noch etwas Spannung übrig ist, ist offen - aber diesen Preis für die Kontrolle im Vorfeld zahlt der DFB gerne.
PR statt Journalismus
Dass der Instagram-Kanal "dfb_team" unmittelbar nach der Tagesschau-Meldung schon eine Story veröffentlichte, in der er die Sendung mit Sprecher Jens Riewa genau im richtigen Moment abfilmte und dann den Beitrag von tagesschau.de postete, ist das Ergebnis einer vorherigen Planung dieser neuen Kommunikationsstrategie.
Spätestens mit der zweiten Veröffentlichung durch Hamid dürfte jedem klar gewesen sein, dass keine journalistische Recherche hinter den vermeintlichen Enthüllungen steckt, sondern ein DFB-Hinweis inklusive der Absprache von Zeitpunkt und Art der Verkündung. Die Medien werden zu Mittelsmännern der PR.
Nachrichten rund um die EM sind enorm wichtig
Doch sie spielen das Spiel mit. Zu publikumswirksam sind die Nachrichten rund um den Kader des überragenden Sportereignisses des Sommers, bei dem Millionen mitfiebern und auch im Vorfeld ein ungeheures Interesse herrscht. Deswegen ist der DFB aktiv auf Medien, aber auch auf Einzelpersonen wie Hamid zugegangen.
Wenn auf diese Art und Weise bis Donnerstag Namen genannt werden, sind die also als Fakt anzusehen. Das bedeutet aber nicht, dass die Medien, die sich vorherige Enthüllungen zum Ziel nehmen, ihre Recherchen einstellen. Die Journalisten werden sich vornehmen, eine Nominierungs-Nachricht noch vor einem der Medien, mit denen eine DFB-Absprache vorgenommen wurde, zu veröffentlichen. Das Rennen ist also nicht beendet, die Strecke hat sich nur verändert.
Bundestrainer Julian Nagelsmann im Gespräch mit Joshua Kimmich
Projekt speziell für die Heim-EM
Aber: Diese Kommunikationsstrategie ist nach aktuellem Stand keine Zukunftsstrategie für die nächsten Turniere, sondern eine, die speziell auf die EM in Deutschland zugeschnitten ist und bisher auch nur dabei angewendet werden soll. Die Intention laut DFB ist, dass Nagelsmann zwar faktisch nominiere, aber das ganze Land solle dabei mitmachen.
Deutschland soll die Spieler bekannt geben. Die Nation - beziehungsweise die vom DFB ausgewählten Stellvertreter, die die Nachrichten veröffentlichen dürfen - wird zum Bundestrainer. Und der EM-Kader zum PR-Projekt.