Direktor der A-Nationalmannschaft Rudi Völler

Krisenstimmung beim DFB Rudi Völler und die Prozentpunkte

Stand: 26.06.2023 15:56 Uhr

Die deutsche U21 steht bei der EM vor dem Aus. Rudi Völler verbreitet vor dem letzten Gruppenspiel zwar Zweckoptimismus, fordert aber insgesamt mehr Argentinien und Marokko.

Von Dorian Aust

Spätestens als die weiße Tasse Cappuccino vor Rudi Völler auf dem Tisch stand, war der DFB-Sportdirektor ganz in seinem Element. Zurückgelehnt saß Völler dort auf dem roten Hotelstuhl, den rechten Arm über den leeren Stuhl neben ihm geschwungen und plauderte mit den Journalisten in aller Seelenruhe. Eine seiner ersten Weisheiten: "Im Fußball kann man alles trainieren, außer Geschwindigkeit."

Im Deutschen Fußball Bund herrscht derzeit eine ausgewachsene Krisenstimmung - entsprechend muss einiges von dem, was trainiert werden kann, auch tatsächlich nochmal geübt werden. Die DFB-Elf hat seit der Europameisterschaft 2016 nur noch selten überzeugt, die U21-Nationalmannschaft tritt bei der EM in Rumänien und Georgien in Teilen unglücklich, aber auch unfähig auf.

Die U21 sei aktuell ein "Spiegelbild der A-Nationalmannschaft" gab Völler unumwunden zu. Die ähnlichen Probleme seien "sicherlich kein Zufall". Nach einem unglücklichen 1:1 gegen Israel und der 1:2-Niederlage gegen Tschechien am Sonntagabend steht die U21 vor dem ersten Vorrunden-Aus seit 2013 - und das als Titelverteidiger.

Spielglück? Fehler!

Nach den beiden Auftrittten war viel davon die Rede, dass das nötige Spielglück gefehlt habe. Hinten habe man kein Glück gehabt, und vorne auch nicht, hatte Kapitän Yann-Aurel Bisseck nach der Partie gesagt. Völler schlug in eine andere Kerbe. Der ehemalige Stürmer erkannte durchaus, dass man "die Fehler minimieren muss" und vor allem "die entscheidenden Zweikämpfe gewinnen muss". Völlers Fazit: "Immer von Pech zu sprechen, geht nicht".

Völler - "Bisschen holprig im Moment"

Sportschau, 26.06.2023 14:54 Uhr

Nicht einmal ein halbes Jahr ist Rudi Völler als Not-Sportdirektor nach dem Katar-Fiasko jetzt beim DFB im Amt. Das oberste Ziel des Mannes, der in Batumi mit einem guten Dutzend Journalisten immer wieder auch scherzend am Tisch sitzt, war es, die Heim-EM zu retten oder vielleicht eher die Stimmung im Land vor der Heim-EM zu retten. Er wolle Hansi Flick den Rücken freihalten. Seinen Rücken stärkt er kaffetrinkend auch am Schwarzen Meer, doch so langsam scheinen Völler und dem DFB die Zeit davonzulaufen.

Das weiß auch Völler, der immer wieder betont, dass er ja schon viel im Fußball erlebt hat und Sätze gerne mit den Worten einleitet: "Glaubt mir." Die Experimente von Hansi Flick in den drei Testspielen im Juni seien richtig gewesen, man habe jetzt gesehen, was nicht funktioniert. Völler hatte auch die Qualität einiger Spieler als nicht nationalmannschaftstauglich beschrieben. Aus Batumi wird er Flick bislang kaum personelle Tipps mitbringen können - wohl auch kaum Kevin Schade und Josha Vagnoman, die beide bereits A-Länderspiele auf dem Buckel haben.

Völler dreht sich im Kreis

Tragende Säulen des DFB-Teams werden Schade und Vagnoman wohl eh nicht sein, wenn Deutschland das EM-Turnier im kommenden Sommer eröffnet. Das Personal ist aber laut Völler gar nicht so entscheidend. Es fehlten nur "Prozentpunkte" - und das bezog Völler einmal mehr auf die A-Nationalmannschaft und die DFB-Junioren.

"Wir haben ja wunderbare Kicker, aber die Basis im Fußball sind Zweikämpfe, das Eins-gegen-eins. Es fehlt an Emotionalität, Wille, Leidenschaft, Konsequenz", so Völler in seinem schwarzen Outfit am Tisch im Presseraum. "Das haben die Argentinier oder Marokkaner bei der WM perfekt gemacht." An diesen Stellschrauben müsse bis zur EM gearbeitet werden, das sei seine Überzeugung.

In den rund 40 Minuten, die Völler mit den Journalisten über Fußball und die Probleme im DFB fachsimpelt, werden die fehlenden "Prozentpunkte" sicher ein halbes Dutzend Mal angesprochen. Und diese "Intensität und Entschlossenheit", das könne man noch lernen bis zur Heim-EM 2024, weil: "Glaubt mir: Im Fußball kann man alles trainieren, außer Geschwindigkeit."

Völler - "Leider nicht mehr in eigener Hand"

Sportschau, 26.06.2023 15:04 Uhr