
Meisterschaft in der Serie A Totgeglaubte leben länger - Juve und Bergamo zurück im Titelkampf?
In der Serie A schwächeln Tabellenführer Inter und die SSC Neapel. In deren Windschatten sind plötzlich Atalanta und Juventus Turin wieder voll ins Titelrennen eingestiegen. Am Sonntag (09.03.2025) treffen die zwei Verfolger in Tuzrin aufeinander.
Es ist noch gar nicht lange her, da schien das Rennen um die Meisterschaft in Italien nur noch auf einen Zweikampf hinauszulaufen. Titelverteidiger Inter Mailand und die wieder erstarkte SSC Neapel standen Ende Januar quasi gleichauf an der Spitze, auf Rang drei hatte Atalanta Bergamo schon sieben Zähler Rückstand, Juventus Turin war mittlerweile Fünfter und punktetechnisch gleichermaßen weit von der Meisterschaft wie von der Abstiegszone entfernt. 16 Punkte Rückstand hatte die Mannschaft von Massimiliano-Allegri-Nachfolger Thiago Motta mittlerweile schon auf das Spitzenduo.
Diskrepanz zwischen Liga und Pokal
Seitdem ist viel passiert. Bergamo und Juventus sind in fast blamabler Art und Weise aus der Coppa Italia und der Champions League rausgeflogen. Inter beispielsweise ist in beiden Wettbewerben noch mit allen Chancen vertreten. Und in der Liga? Da sieht es komplett anders aus. Napoli hat lange nicht mehr gewonnen und Inter ebenfalls mehrfach verloren - unter anderem gegen Juventus. Gleichzeitig gewann die "Alte Dame" seit ihrem Pokal-Aus jedes Ligaspiel und auch Atalanta hat seit dem 21. Spieltag in der Serie A nicht mehr verloren. Juventus ist als Vierter nur noch sechs Punkte von Rang eins entfernt, Atalanta als Dritter bis auf drei Zähler herangerückt.
Am Sonntag (hier ab 20.45 Uhr im Live-Ticker) erwartet Juventus Turin nun Atalanta zum richtungsweisenden Verfolgerduell. Das sehr ausgeglichene Hinspiel, das übrigens wegen Verschiebungen im Spielplan erst im Januar ausgetragen wurde, endete 1:1 (0:0). Ein Ergebnis, das beiden an diesem Sonntag nicht wirklich weiterhelfen würde, wenn ernsthafte Ambitionen auf die Meisterschaft bestehen sollen.
Seit Sarri kein Scudetto mehr - Motta soll es jetzt richten
Dieser Anspruch besteht bei Juventus natürlich traditionell. Der letzte Scudetto liegt allerdings nun schon fünf Jahre zurück, in der Saison 2019/20 jubelte man zuletzt mit Trainer Maurizio Sarri über die Meisterschaft. Danach übernahm zuerst Andrea Pirlo, wurde Vierter und dann von Ex-Trainer Massimiliano Allegri wieder abgelöst. Auch dem gelang in drei Saisons allerdings nicht viel: Platz vier, Platz sieben und Platz drei stehen in den Geschichtsbüchern. Thiago Motta (42), als Spieler vor allem für Barcelona, Paris Saint-Germain und Inter Mailand aktiv und zuvor zwei Saisons Cheftrainer beim FC Bologna, übernahm zu Beginn der laufenden Spielzeit und sollte die Mannschaft nun in eine neue Erfolgsära führen.
Der Start in die Saison war in Ordnung, aber nicht herausragend. Von den ersten fünf Ligaspielen endeten drei 0:0, während am neunten Spieltag gegen Inter erst eine 2:1-Führung verspielt wurde, dann aber ein Doppelpack von Kenan Yildiz aus einem 2:4 noch ein 4:4 machte. So verliefen weite Teile der Saison - Juventus überzeugte selten völlig, verlor aber auch kaum einmal. Außer eben in der "Königsklasse" und Pokalwettbewerben.
Umbruch im Kader der "Alten Dame"
Motta stand früh in der Kritik - bei einem so ambitionierten Klub ist das zwar normal, doch angesichts des enormen Umbruchs waren die Leistungsschwankungen auch absolut erklärbar. 22 Abgänge hatte der Klub im Sommer 2024 zu verzeichnen. Dazu gehörten zehn Spieler, die zuvor bereits ausgeliehen waren, aber auch erfahrene Profis wie Federico Chiesa, Moise Kean, Filip Kostic, Adrien Rabiot, Daniele Rugani und Alex Sandro.
Im Winter gab der Klub dann noch Danilo (33) Richtung Brasilien ab - er war nicht nur Kapitän, sondern mit 213 Einsätzen auch Rekordspieler im Kader. Auch Paul Pogba wird nach Absitzen seiner Dopingsperre am 13. März nicht zum Team zurückkehren.
Kader deutlich jünger als bei den anderen Topteams
Neue Hoffnungsträger sind die teuren Einkäufe Teun Koopmeiners (26, vom kommenden Gegner Atalanta Bergamo), Douglas Luiz (26, von Aston Villa) und Khéphren Thuram (23, von OGC Nizza). Ausgeliehen sind seit dem Sommer Nico Gonzalez (26, AC Florenz) und Francisco Conceicao (22, FC Porto), sowie seit dem Winter Randal Kolo Muani (26) aus Paris.
Nach Abstiegskandidat Parma Calcio hat Juve mittlerweile das geringste Durchschnittsalter pro Spiel aller Serie-A-Teams: 25,3 Jahre. Zum Vergleich: Der Tabellenzweite Inter Mailand stellt das älteste Team (30 Jahre), Tabellenführer SSC Neapel das zweitälteste (29,2 Jahre), Atalanta das viertälteste (27,6). In der Liga ist es Motta gelungen, die defensive Stabilität auf einem hohen Niveau zu halten. Das gelingt vor allem mit viel Ballbesitz, Spielkontrolle und einer hohen Passsicherheit. Der Spieler Thiago Motta ist also vom Trainer Thiago Motta nicht allzu weit entfernt. Während lange Zeit ein echter Torjäger im Aufgebot fehlte, hat Kolo Muani in der Serie A nun bereits in sechs Einsätzen fünf Treffer erzielt. Trotz allem steht Motta weiter in der Kritik, vor allem bei den Fans.

Randal Kolo Muani
Schnelles Direktspiel macht Bergamo Probleme
Beim kommenden Gegner Bergamo, der seit 2016 von Gian Piero Gasperini trainiert wird, sind die Konstanz auf der Trainerbank und die Spiel-Philosophie eine andere. Eine offensivere, eine direktere, eine manchmal auch von Gegenpressing geprägte, die Bayer Leverkusen im Europa-League-Finale den Zahn zog. Gasperini hat den Klub über die Jahre zu einer festen Größe in Italiens Fußball geformt. Ein Scudetto ist dabei allerdings noch nicht herausgesprungen.
Atalanta ist unter ihm mittlerweile jederzeit in der Lage, einem Gegner drei, vier oder fünf Tore einzuschenken. Das liegt auch an Stürmer Mateo Retegui, dem in 25 Saisonspielen satte 21 Treffer gelungen sind. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass die Bergamasken nach eigenen Ballverlusten und vor allem gegen ein direktes Umschaltspiel dann doch sehr anfällig sind. Beim Aus in den Champions-League-Playoffs gegen Brügge war das in beiden Spielen deutlich zu sehen, genau wie bei der 2:3-Niederlage gegen Neapel in der Liga.
Das sind Qualitäten, die nicht unbedingt das sind, was Juventus in dieser Saison häufig machen kann, weil viele Gegner sich tief gegen sie zurückziehen. Im Hinspiel gegen Bergamo gab es diese Gelegenheit aber das ein oder andere Mal und aus einer von ihnen fiel dann auch direkt der Führungstreffer für die "Alte Dame". Weitere Chancen dieser Art ließ unter anderem Yildiz sträflich liegen. Sollte das am Sonntag besser gelingen und Juventus tatsächlich nach zwischenzeitlich 16 Zählern Rückstand nochmal voll ins Titelrennen eingreifen, würde die Kritik an Motta wohl zumindest deutlich leiser werden und der in Brasilien geborene Italiener bekäme noch ein bisschen mehr Zeit, den Umbruch voranzutreiben.