Aufruf an Schiedsrichter Aytekin und DFB sensibilisieren für Diskriminierung
Mit mehreren Aktionen will der DFB in diesem Jahr den Schiedsrichtern im Profi- und Amateurfußball helfen. In einer aktuellen Kampagne geht es um den richtigen Umgang mit Diskrimierung.
Der DFB hat 2023 zum "Jahr der Schiedsrichter" ausgerufen. Im Zuge dessen gab es zuletzt bereits eine Aktion, bei der die Bundesligaprofis Nils Petersen (SC Freiburg) und Anton Stach (Mainz 05) das Bezirksligaspiel zwischen dem VfR Nierstein und TSV Mommenheim gepfiffen haben. Ziel dieser Initiative war, den Schwund an Schiedsrichtern aufzuhalten und für mehr Anerkennung zu werben.
DFB stellt neues Lehrvideo vor
Bei ihrem Ausflug an die Pfeife stand Petersen und Stach als Beobachter Topschiedsrichter Deniz Aytekin zur Seite. Der ist nun auch Teil einer neuen Kampagne, die der DFB gemeinsam mit Makkabi Deutschland und dem Schiedsrichter-Podcast "Collinas Erben" ins Leben gerufen hat, sie heißt "Schiris gegen Diskriminierung".
Gemeinsam mit Katrin Rafalski (Schiedsrichterin in der Frauen-Bundesliga und Assistentin bis zur 2. Liga bei den Männern) und Kisanet Zekarias, der als Amateur-Referee bis zur Oberliga Südwest pfeift, ruft Aytekin auf, stärker gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und jede weitere Form von Diskriminierung auf und neben dem Fußballplatz vorzugehen.
Der DFB verpackt diesen Aufruf in einem siebenminütigen Lehrvideo, das im Zuge des Pokalspiels zwischen Bayern München und dem SC Freiburg am Dienstag (04.04.2023) vorgestellt werden soll.
Großer Unterschied zwischen Beleidigung und Diskriminierung
"Fußball ist für alle da" - mit diesem Satz beginnt der Film. Gesprochen von Aytekin, der erklärt: "Diskriminierung ist kein Kavaliersdelikt. Es ist ein Riesenunterschied, ob man jemanden beleidigt oder diskriminiert."
Diskriminierung sei eine Herabwürdigung "in Bezug auf Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Religion, Behinderung, Alter, geschlechtliche, sexuelle identität. (...) Aufgrund von tatsächlichen oder eines ihnen zugeschriebenen Merkmals, das in ihrer Person liegt und damit nicht von ihnen beeinflussbar ist."
Der Ton ist oft rau im Fußball, Beleidigungen sind da an der Tagesordnung. Wobei der Film auch klarmacht, dass sie auf dem Platz mit Roten Karten zu ahnden seien - was jedoch nur selten Realität ist. Wenn es von den Rängen kommt, wird es sogar gar nicht bestraft. Bei Diskriminierung ist das Vorgehen härter und hat neben dem Platzverweis eine weitere Vorgehensweise, die in einem Dreistufenplan festgeschrieben ist.
Dreistufenplan kann bis zum Abbruch führen
Beim ersten Vorkommen sollen die Schiedsrichter die Partie unterbrechen und eine Stadiondurchsage anordnen. Geschieht die nächste Form der Diskriminierung, sollen alle Protagonisten das Spielfeld verlassen und eine weitere Durchsage erfolgen. Sollte es danach erneut zu einem solchen Vorfall kommen, werde das Spiel abgebrochen.
Schiedsrichterin Rafalski war zum Beispiel Zeugin von Diskriminierung, als Anfang 2020 Fans von Preußen Münster den Würzburger Profi Leroy Kwadwo rassistisch diskriminierten. "Schiris müssen den Unterschied zwischen einer Beleidigung und einer Diskriminierung auf und neben dem Platz in kürzester Zeit bewerten, sie müssen ihre Handlungskompetenzen und die Abläufe bei Diskriminierungsvorfällen kennen", so Rafalski.
Vermerke im Spielbericht
Die Referees werden dazu aufgefordert, solche Vorkommnisse in ihren Spielberichten festzuhalten. Die Vorgänge sollen möglichst detailliert beschrieben werden, damit das Sportgericht die Situation adäquat bewerten kann. Für das Danach gibt es Anlaufstellen bei den Landesverbänden.
"Der Fußball findet mitten in unserer Gesellschaft statt. Vielfalt ist eine Stärke des Fußballs, in den Bundesliga-Stadien genauso wie auf den Amateurplätzen im ganzen Land", sagt Aytekin.
"Gleichzeitig aber gibt es auch Herausforderungen wie etwa Vorurteile, Ausgrenzung und manchmal sogar Hass und Gewalt. Mir ist es ein besonderes Anliegen, dass wir auch als Unparteiische, egal in welcher Liga, entschieden gegen Diskriminierung vorgehen."
Geringe Zahl an dokumentierten Fällen
Noch gibt es da aber Nachholbedarf. Seit 2014 haben die Schiedsrichter die Möglichkeit, Online-Spielberichte auszufüllen. In über 1,2 Millionen Fällen wurden in der vergangenen Saison 5.582 Vorfälle vermerkt, davon 3.544 wegen Gewalt und 2.389 wegen Diskriminierung. 2021/22 war die bisherige Rekordsaison im negativen Sinne, 911 Partien mussten wegen Gewalt- und Diskriminierungsdelikten unterbrochen werden.
Während es solche Fälle im Profifußball eher selten gibt, hat der Amateurfußball an jedem Wochenende mit Taten dieser Art zu tun. Oberliga-Schiedsrichter Zekarias hofft daher auf eine Wirkung der DFB-Kampagne: "Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und andere Formen der Diskriminierung - wir können das jetzt im Fußball stoppen."