Vermischung von Staat und Sport Die Klub-WM, Saudi-Arabien und die Macht der Wenigen
Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Organisation "Play the Game" veranschaulicht detailreich die Verflechtungen zwischen saudi-arabischen Staatsangelegenheiten und dem internationalen Sport. Das Sponsoring der derzeit in Dschidda stattfindenden FIFA-Klub-Weltmeisterschaft durch eine staatlich finanzierte Tourismusoffensive ist dabei nur ein kleiner Teil einer groß angelegten Sportstrategie.
Der Anpfiff für die FIFA-Klub-Weltmeisterschaft 2023 erfolgte am Dienstagabend in der saudischen Hafenstadt Dschidda. Im Auftaktspiel zwischen Gastgeber Al-Ittihad und Auckland City aus Neuseeland sorgten die beiden französischen Superstars Karim Benzema und N’Golo Kanté vor der Halbzeitpause für klare Verhältnisse, am Ende stand ein 3:0. Prominent vertreten war auch der Hauptsponsor des Turniers: Die Kampagne "Visit Saudi" prangte großflächig auf den Werbebanden des King Abdullah Sports City Stadiums.
Saudi-Arabien gibt sich als "Big Player" auf der Sportbühne
Das finanzkräftige Engagement Saudi-Arabiens im Sport ist hinlänglich bekannt. Im Sommer lockte die Saudi Pro League mit Unterstützung staatlicher Finanzspritzen eine große Gruppe internationaler Fußballgrößen an. Dabei wurde der Gesamtumfang der Transfers auf knapp 900 Millionen Euro beziffert, nur die britische Premier League gab mehr aus.
Zuletzt hat der internationale Spitzensport beträchtliche Relevanz in der politischen Ausrichtung des Golfstaats erlangt. Maßgeblich daran beteiligt sind schwindelerregende Investments durch den staatlichen Public Investment Fonds (PIF).
Dieser zeigte sich sowohl für die Übernahme von Newcastle United als auch für die Gründung der umstrittenen Golfserie LIV verantwortlich. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung markierte die kürzlich zur Formsache reduzierte, im nächsten Jahr offiziell anstehende Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2034 nach Saudi-Arabien.
Die Personalunion von Staat und Sport
Die Organisation "Play the Game", die Demokratie- und Governance-Prozesse im Sport untersucht, hat im vergangenen Monat eine Studie veröffentlicht, die das Ausmaß des saudischen Engagements im Sport darlegt. Laut der Recherche sind insgesamt 795 Arbeitsstellen in 156 saudischen Organisationen auf sportpolitische Themen ausgerichtet.
Auffällig ist, dass eine Vielzahl dieser Stellen unter wenigen zentralen Verantwortlichen aufgeteilt sind. "Bei unseren Recherchen hat sich gezeigt, dass die involvierten Personen viel zu viele Posten in Staat und Wirtschaft bekleiden", so Stanis Elsborg, ein Co-Autor der Studie, in einem schriftlichen Statement gegenüber der Sportschau. "Dadurch entsteht eine Reihe von Interessenskonflikten."
Die zentralen Figuren der Sportstrategie
Yasir Al-Rumayyan verkörpert diese Personalunion von Staat und Sport wie kaum ein anderer. Der Geschäftsmann und enge Vertraute von Premierminister Mohamed bin Salman ist nicht nur Vorsitzender von LIV und Newcastle United, sondern hält auch einen wichtigen Vorstandsposten im Public Investment Fonds.
Insgesamt, so zählt die Studie, bekleidet Al-Rumayyan 21 verschiedene Posten in wichtigen staatlichen und sportlichen Gremien. "Es ist unmöglich festzustellen, wessen Interessen hier tatsächlich gedient wird. Am Ende sind es wahrscheinlich die des saudischen Staates", so Elsborg weiter.
Verschmelzung verletzt das Prinzip der Unabhängigkeit
Prinz Abdulaziz bin Turki bin Faisal Al-Saud, seines Zeichens Sportminister, nahm bei der Eröffnungsfeier der Klub-WM neben FIFA-Präsident Gianni Infantino auf der Tribüne Platz. Neben seiner Rolle als Amtsinhaber fungiert bin Turki allerdings auch als Präsident des saudischen Olympischen und Paralympischen Komitees. Laut den Statuten von IOC und auch der FIFA stellt diese Verschmelzung eine Verletzung des Prinzips der Unabhängigkeit des Sports dar – diesem zufolge sollen sportliche Organisationen frei von staatlicher Einflussnahme bleiben.
Auch der Minister für Tourismus, Ahmed Al-Khateeb, füllt eine Reihe verschiedener Positionen in Staats- und Sportgremien aus, laut "Play the Game" sind es insgesamt 13. Darunter fällt auch sein Vorsitz der eingangs erwähnten "Visit Saudi" – Kampagne, die nicht nur Hauptsponsor der Klub-Weltmeisterschaft ist, sondern seit 2022 mit Lionel Messi auch über ein reichweitenstarkes Testimonial verfügt.
Zudem ist die Kampagne ein maßgeblicher Teil des politischen Aktionsplans "Vision 2030", den Premierminister und Kronprinz Mohamed bin Salman 2016 ins Leben rief.
Menschenrechtsverletzungen und Vision 2030
Nach dem Vorbild anderer Golfstaaten, wie etwa Katar, soll die saudische Abhängigkeit der heimischen Ölindustrie schrittweise reduziert und die Präsenz auf der geopolitischen Bühne erhöht werden. Auch um attraktiver für die Ansiedelung transnationaler Unternehmen zu werden, soll dazu das Image eines weltoffenen, modernen Staates etabliert werden.
Der Reformprozess kommt nicht von ungefähr: Seit langem wird Saudi-Arabien von Menschenrechtsorganisationen für die Unterdrückung von Pressefreiheit und Frauenrechten kritisiert. Im August veröffentlichte die Organisation Human Rights Watch zudem einen Bericht, der den Beschuss von äthiopischen Migranten durch saudische Grenzposten dokumentierte.
Auf Hochglanz polierte Sportevents wie die FIFA Klub-Weltmeisterschaft sollen dafür sorgen, dass solcherlei Berichterstattung zukünftig noch mehr in den Hintergrund gerät – und ist damit ein bedeutender Mosaikstein der sportpolitischen Strategie Saudi-Arabiens.