Pleite gegen Frankreich "Ik stop!" - Belgiens Angst vor De Bruynes Rücktritt
Nach Kevin De Bruynes Rundumschlag läuft Belgiens goldene Fußball-Generation Gefahr, einen unrühmlichen Abgang hinzulegen. Mittendrin: Trainer Domenico Tedesco.
De Bruyne, Kapitän, Herz und Hirn der Nationalmannschaft, hatte nach der 0:2-Niederlage in der Nations League gegen Frankreich den Eindruck hinterlassen, keine Lust mehr auf Länderspiele zu haben. Aufnahmen nach dem Schlusspfiff zeigen, wie er im Gespräch mit dem Technischen Direktor Franky Vercauteren immer wieder "Ik stop" ("Ich höre auf") sagt. Außerdem attackierte er seine Kollegen am Montagabend scharf. "Es gibt Spieler, die ihre Rolle nicht erfüllt haben. Punkt", sagte er im TV-Sender VTM.
"Wenn du nicht gut genug bist, musst du wenigstens alles geben, was manche nicht getan haben. Ich kann akzeptieren, dass wir nicht mehr auf dem Niveau von 2018 sind, aber das ist inakzeptabel", sagte De Bruyne. 2018 hatte Belgien in Russland als Dritter das beste WM-Ergebnis der Verbandsgeschichte eingefahren.
Tedesco: "Kevin ist ein Gewinnertyp"
Laut belgischen Medien attackierte De Bruyne seine Kollegen verbal in der Kabine auch direkt. Nationaltrainer Domenico Tedesco dagegen wischte die Rücktrittsgerüchte beiseite. "Kevin ist ein Gewinnertyp, es ist normal, dass er enttäuscht ist. Ich fürchte nicht, dass er Abschied nehmen wird", sagte er. Schon nach dem EM-Aus 2024 hatte De Bruyne gezögert bei der Frage, ob er weiter fürs Nationalteam spielen wolle.
Domenico Tedesco
Belgien ist nach dem Sieg über Israel (3:1) und der Niederlage in Lyon Dritter der Gruppe A2, die von Italien angeführt wird. Aber der Streit setzt eine Serie von negativen Ereignissen rund um die Nationalmannschaft fort.
Bitteres Vorrunden-Aus in Katar
Bereits die Weltmeisterschaft 2022 in Katar war eine Enttäuschung gewesen. Belgien startete als Mitfavorit, musste aber nach der Vorrunde nach Hause, Trainer Roberto Martínez trat zurück. Es war das letzte große Turnier für Eden Hazard und Axel Witsel - zwei Protagonisten der goldenen Generation traten ab.
Andere dagegen strebten weiter nach dem ersehnten großen Coup. Solange ein Weltklasse-Spieler wie De Bruyne die Fäden zieht, schien alles möglich. Auch Thibaut Courtois machte weiter, doch im Juni 2023 überwarf sich der Star-Torwart von Real Madrid mit Tedesco. Dieser hatte gegen Österreich (1:1) anstelle des verletzten De Bruyne Stürmer Romelu Lukaku zum Kapitän ernannt und nicht Courtois.
Eklat mit Courtois
Der Schlussmann fühlte sich gekränkt und reiste nach dem Spiel ab, obwohl wenig später noch eine weitere Partie gegen Estland anstand. Er entschuldigte sich im Nachgang beim Team, nicht jedoch bei Tedesco. Der Trainer war offenbar Courtois' Wunsch nicht nachgekommen, öffentlich eine angebliche Verletzung als Grund für dessen Fehlen anzugeben.
Vor drei Wochen gab Courtois schließlich bekannt, nicht wieder für Belgien spielen zu wollen, solange Tedesco der Trainer sei. "Wenn ich in die Zukunft blicke, würde mein mangelndes Vertrauen in ihn nicht dazu beitragen, die notwendige Atmosphäre der Herzlichkeit zu erhalten", sagte Courtois.
Der Glaube schwindet
Doch auch in seiner Abwesenheit ist von Herzlichkeit innerhalb des Nationalteams wenig zu spüren. Die EM 2024 in Deutschland verlief enttäuschend, nach einer holprig überstandenen Vorrunde war im Achtelfinale gegen Frankreich (0:1) Schluss.
Aus den aufstrebenden Stars von 2018 sind Routiniers geworden, auch De Bruyne ist mittlerweile 33 Jahre alt. Der Glaube an weitere Erfolge mit der Nationalmannschaft und auch an die Qualität der nachrückenden Spieler scheint zu schwinden.
Kritik an Tedesco
Mittendrin: Domenico Tedesco. Im Februar 2023 ist der 38 Jahre alte Deutsche überraschend Belgiens Nationaltrainer geworden. Seine bisherige Bilanz liest sich auf dem Papier ordentlich, die Niederlage gegen Frankreich war erst die dritte im 20. Spiel. Aber die Einschätzung, dass Belgien unter Tedesco hinter den eigenen Möglichkeiten bleibt, ist weit verbreitet.
Das Zerwürfnis mit Courtois hat Tedesco mit einigen Kratzern überstanden, da auch Mitspieler die Allüren des Torwarts kritisiert haben. Sollte aber in De Bruyne der nächste Top-Star das Boot verlassen, dann wäre Tedesco in großer Erklärungsnot.