Testspiel gegen die Türkei Deutschlands Kapitän Gündogan - brisante Premiere
llkay Gündogan ist Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, hat aber türkische Wurzeln. Nun treffen beide Länder am Samstag (18.11.2023, 20.45 Uhr, live im Audiostream) aufeinander - für Gündogan ist es eine Premiere.
Eigentlich wäre Ilkay Gündogan die logische Besetzung gewesen für die abschließende Pressekonferenz vor dem Länderspiel gegen die Türkei in Berlin. Aber Gündogan sprach nicht, zumindest nicht am Freitag (17.11.2023). Stattdessen saßen dort Leroy Sané und der Bundestrainer Julian Nagelsmann.
Nagelsmann begann mit einer wenig erfreulichen Nachricht, als er den Ausfall des Torhüters Marc-André ter Stegen verkündete. Er sprach auch über Joshua Kimmich, den er im Mittelfeldzentrum einplant und nicht als Rechtsverteidiger. Irgendwann wurde Nagelsmann auch nach Gündogan gefragt. Er sagte: "Natürlich ist das für ihn ein besonderes Spiel, das liegt auf der Hand."
Gündogan sagt: "Wird ein besonderes Spiel für mich"
Eine Überraschung war diese Einschätzung nicht, auch weil Gündogan, 33, sich in den Tagen vor dem Spiel nahezu wortgleich geäußert hatte. "Es wird ein sehr besonderes Spiel für mich, gar keine Frage", sagte er im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Gündogan wurde in Gelsenkirchen als Kind türkischer Eltern geboren, er spielte schon in der Jugend für Deutschlands Auswahlmannschaften. Nun trifft er zum ersten Mal in einem Länderspiel auf die Türkei - und das als Kapitän der DFB-Auswahl.
Es hat Zeiten gegeben, in denen das eher unwahrscheinlich erschien: Ilkay Gündogan als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Gerade in jenen Tagen im Mai 2018, wenige Wochen vor dem Start der WM, als nicht nur Mesut Özil auf einem Foto neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu sehen war, sondern auch Gündogan.
Was folgte, ist so bekannt wie bedauerlich: Es gab Anfeindungen gegen beide Spieler, der DFB suchte eine Lösung und fand keine. Özil schwieg lange, warf dem Verband dann Rassismus vor und trat zurück. Gündogan schwieg nicht lange, er trat auch nicht zurück. Er versuchte sich an einer Erklärung. In einer Meldung wurde er so zitiert: "Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen."
Im Verein unumstritten, in der Nationalmannschaft nicht immer
Als Fußballer ist Gündogan schon lange unumstritten, zumindest bei seinen Vereinen. Aktuell steht er beim FC Barcelona unter Vertrag. Zuvor war er war bei Pep Guardiolas Manchester City sieben Jahre ein entscheidender Spieler, sie holten zusammen Titel um Titel. Im Sommer, in Gündogans letzter Saison bei City, gewannen sie auch die Champions League. Das Endspiel fand im Atatürk-Stadion in Istanbul statt, unter den Zuschauenden waren auch viele Familienmitglieder Gündogans.
Bei der Nationalmannschaft hingegen war Gündogan lange eher ein Mitläufer. Bei der EM 2012 war er im Kader, kam aber nicht zum Einsatz. Die WM 2014 und EM 2016, die zum Titel und ins Halbfinale führten, verpasste er wegen Verletzungen. Bei der EM 2020 saß Gündogan im Achtelfinale gegen England nur auf der Bank. Und die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 waren sportlich eine Enttäuschung, auch hier deutete Gündogan sein Können nur sehr zaghaft an.
Deutschland gegen die Türkei in Berlin: "Wird emotional"
Trotzdem ist Gündogan heute unumstritten, die Frage ist nicht mehr, ob er spielt. Offen ist nur, wer neben ihm spielt. Gegen die Türkei dürfte Joshua Kimmich neben ihm beginnen. Spannender wird da schon die Frage, wie Zehntausende türkische Anhänger im Olympiastadion in Berlin auf Gündogan als Deutschlands Kapitän reagieren werden.
"Wenn ich so darüber nachdenke, hat es jetzt ganz schön lange gedauert", sagte Gündogan der DPA, und er meinte natürlich sein erstes Länderspiel gegen die Türkei. Als es diese Begegnung im Herbst 2020 zuletzt gab, war Gündogan nicht dabei. Er hatte sich mit dem Coronavirus infiziert.
Nun, in den Tagen vor dem Testspiel, sagte Gündogan, es werde sicher kein normales Spiel für ihn, sondern eines, das "emotional" werde. Er hat stets seine Verbundenheit mit der Türkei betont, unterstützt Hilfsprojekte, wie zuletzt nach der Erdbeben-Katastrophe. "Meine Großeltern, Eltern und weitere Verwandte leben nach wie vor in Izmir, ich habe viele Freunde dort", sagte Gündogan der DPA.
Erdogan ist in Berlin, aber im Stadion wird er nicht erwartet
Deutschland mit Kapitän Gündogan gegen die Türkei, es wird für alle Beteiligten eher kein ganz normales Fußballspiel werden. Doch die Brisanz der Partie hat noch eine Ebene, in ihr nimmt der Fußball nicht einmal eine Nebenrolle ein. Es geht um Politik, um Krieg und um Leid.
Am Freitag ist der türkische Staatspräsident Erdogan in Berlin gelandet, er ist zu Gast bei Bundeskanzler Olaf Scholz. Erdogan hatte zuletzt Israel im Gaza-Krieg "Staatsterror" vorgeworfen und auch die Legitimität des Landes infrage gestellt. Am Spieltag wollen nicht nur deshalb Tausende Kurden für die von der Türkei verbotene Arbeiterpartei PKK und gegen die Politik Erdogans demonstrieren.
Dass ein Besuch des Türkei-Spiels nicht auf Erdogans Agenda steht, werden sie beim Deutschen Fußball-Bund mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben. Der Konflikt könnte dennoch ins Stadion getragen werden, das zumindest ist die Befürchtung. Gündogan mochte vor dem Spiel dann auch lieber nur über Fußball sprechen. Einen Wunsch hat er aber geäußert. Er sagte: "Ich hoffe auf ein großartiges Fußballfest."