Karriereende des Weltmeisters Mesut Özil - Zauberer ohne Zauberstab
Mesut Özil war ein begnadeter Fußballer, die Pässe, die Übersicht, der linke Fuß. Zuletzt hat man ihn aber selten spielen sehen, der Rücken. Nun hat Özil seine Karriere beendet.
Als Mesut Özil auf dem Höhepunkt seiner Karriere war, da hat sich Gary Lineker in seiner Begeisterung an ein Küchengerät erinnert. Es war die Saison 2015/16, und Fußballfans in England schwärmten, nicht nur die des FC Arsenal. Von Özil und seinem linken Fuß, von seiner Technik und seinem Spielverständnis. Einmal bereitete er in sieben aufeinanderfolgenden Spielen neun Tore vor.
Özil, sagte also Lineker, könne mit seinem linken Fuß einfach alles, sogar einen Pass durch eine Käsereibe spielen, er würde sie nicht einmal berühren. Natürlich war das eine gewaltige Übertreibung, aber so war das damals. Wo Özil war, da war in diesen Monaten immer auch die Idee von Zauber. Und der linke Fuß war sein Zauberstab.
Nun hat Özil, 34, seine Karriere beendet, es ist ein Abschied ohne jede Magie. "Ich hatte das große Privileg, 17 Jahre lang Profi zu sein, und ich bin für diese Gelegenheit unendlich dankbar", schrieb Özil bei Twitter. Und das war es dann.
Zuletzt hat nur noch selten einer von Özils Fußball geschwärmt
Özil hat in seiner Karriere für Schalke 04 und Werder Bremen gespielt, für Real Madrid und den FC Arsenal, für Fenerbahce und zuletzt für Basaksehir. Er hat 645 Spiele bestritten, 114 Tore erzielt, 222 Vorlagen gegeben. Özil hat fast 100 Länderspiele gemacht. Er war Weltmeister mit Deutschland, Meister in Spanien, Pokalsieger in England. Aber von seinem Fußball hat zuletzt nur noch selten einer geschwärmt.
Mesut Özil im Dress des FC Arsenal
Anfang Februar hatte Özil noch einmal auf dem Platz gestanden, er spielte eine Halbzeit, aber Basaksehir verlor 0:1 bei Kayserispor. Es war Özils längster Einsatz in dieser Saison. Gekommen war er im Sommer als Hoffnungsträger, aber gespielt hat er in der Liga nur viermal, ingesamt 70 Minuten.
Erst war Özil nicht fit, später war er am Rücken verletzt, zuletzt hat er offenbar die Lust verloren. Oder den Glauben an seinen Körper.
Mesut Özil: Fotos mit Erdogan, das Schweigen, der Rücktritt
Es ist auch das Ende einer Chronologie, die von einem kontinuierlichen Abstieg erzählt. Von Fotos mit einem Autokraten, Enttäuschungen, Suspendierungen. Von einem, der immer nur Fußballer sein wollte, und manchmal doch mehr war.
Begonnen hatte der langsame Abstieg des Fußballers Mesut Özil an einem Tag Mitte Mai 2018, als keine 24 Stunden vor der Nominierung des vorläufigen deutschen WM-Kaders Fotos auftauchten, die noch für Aufregung sorgen sollten. Auf ihnen waren die Nationalspieler Özil und Ilkay Gündogan zu sehen, sie posierten sechs Wochen vor den vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Von links: Ilkay Gündogan, Mesut Özil, Recep Tayyip Erdogan und Cenk Tosun
Der Aufschrei war groß. Der damalige Bundestrainer Joachim Löw nannte es eine "unglückliche Aktion" und nominierte Özil und Gündogan doch. Bei einem Vorbereitungsspiel wurden beide ausgepfiffen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teilte mit, ihn hätten die Fotos "ein bisschen ratlos gemacht". Gündogan schrieb, sie hätten nicht die Absicht gehabt, "mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben." Nur Özil schwieg.
Deutschland schied bei der WM schon in der Vorrunde aus. Erst vier Wochen später brach Özil sein Schweigen. Und wie. "Schweren Herzens und nach gründlicher Überlegung werde ich wegen der zurückliegenden Vorkommnisse nicht länger für die deutsche Nationalmannschaft spielen", schrieb er in den sozialen Medien und kritisierte "Rassismus und fehlenden Respekt".
Es folgten Diskussionen und Beschuldigungen, gut kam dabei niemand weg. Am Ende des Sommers gab es keinen Gewinner, es gab nur Verlierer. Özil, der neben einem Autokraten posierte und dann lange schwieg. Und den DFB, der nach einem Umgang mit Özils Erdogan-Bildern und seinen Vorwürfen suchte, aber nie einen fand.
Auf Wenger folgten Emery und Arteta - nicht gut für Özil
Und dann hieß der Trainer bei Özils FC Arsenal zur neuen Saison auch nicht mehr Arsène Wenger. Unter Wenger hatte Özil viele Freiheiten genossen, er hatte das Spiel auf ihn zugeschnitten. Nun übernahm Unai Emery - und der hatte andere Ideen. Özil blieb noch zweieinhalb Jahre, länger als Emery, aber magische Momente wurden seltener. Irgendwann blieben sie ganz aus.
Unter dem Trainer Mikel Arteta kam Özil anschließend immer weniger zum Einsatz und dann gar nicht mehr. Es gibt auch aus dieser Zeit ein Foto, an das man sich erinnert. Entstanden ist es im Sommer 2020 bei einem Premier-League-Spiel gegen den FC Southampton. Gespielt hat Özil an diesem Tag keine Sekunde, aber das Foto ging um die Fußballwelt. Wie Özil auf der Tribüne saß, in einer Hand einen roten Regenschirm, umfunktioniert als Sonnenschutz. Es ist ein Bild, an das man sich erinnert.
Mesut Özil mit einem roten Regenschirm auf der Tribüne
Özil bei Fenerbahce - erst Hoffnungsträger, dann suspendiert
Im Januar 2021 wechselte Özil zu Fenerbahce, doch glücklich wurde er auch dort nicht. Er machte bis März 2022 nur 37 Spiele, erzielte neun Tore, gab drei Vorlagen. Dann suspendierte ihn der Klub, die Gründe dafür wurden nie öffentlich. Einmal aber sagte der Vereinspräsident Ali Koc, Özil müsse sich endlich auf seine Arbeit konzentrieren.
Özil wechselte dann noch einmal, das war im Sommer 2022 und sein neuer Klub Basaksehir, es ist ein Klub von Erdogans Gnaden. Die Mächtigen dort sind Erdogans Vertraute, im Eingangsbereich des Vereinsgeländes hängt sein Porträt. Es ist nicht bekannt, ob Özil davon wusste, ob es ihn bei seinem Wechsel beeinflusste.
Nun kennt man auch das Ende der Geschichte, es ist kein schönes. In den letzten Jahren seiner Karriere war der Fußballer Mesut Özil ein Zauberer ohne Zauberstab, er hat ihn auch bei Basaksehir nicht wiedergefunden. Die Schwärmereien von Gary Lineker wirken da beinahe wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten.