Abgestürzte Serienmeister Amsterdam, Lyon, Basel - Topklubs im freien Fall
FC Basel, Ajax Amsterdam, Olympique Lyon: Gleich drei internationale Fußball-Topklubs sind in dieser Saison mächtig in Schieflage. Die Gründe.
Auch Heiko Vogel hatte keinen Erfolg. Nach vier Niederlagen in Serie trennte sich der Schweizer Fußballklub FC Basel von seinem Trainer. Vogel hatte den Posten erst vor einem Monat von seinem deutschen Kollegen Timo Schultz übernommen.
Abgeschlagen Tabellenletzter
Der FCB ist mit nur einem Sieg aus elf Spielen abgeschlagener Tabellenletzter der Super League. Vom Vorletzten, Aufsteiger FC Stade Lausanne-Ouchy, trennen den Klub schon fünf Punkte. Unter Vogel hatte das Team in vier Spielen keinen einzigen Treffer zustande gebracht. Nachfolger wird Fabio Celestini, der am Sonntag (05.11.2023) gegen Yverdon Sport erstmals auf der Bank sitzen wird.
Dabei war der große FC Basel einst das Fußball-Aushängeschild der Schweiz. 20 Mal wurde der Klub Meister, war Stammgast in der Champions League und ist damit so etwas wie der FC Bayern München der Eidgenossenschaft. Den bisher letzten Titelgewinn gab es aber 2017 zu bejubeln, seitdem haben vor allem die Young Boys Bern dem einstigen Serienmeister den Rang abgelaufen.
Zäsur im Jahr 2017
Der sportliche Abstieg begann im Jahr 2017. Damals verließen in Präsident Bernhard Heusler und Sportdirektor Georg Heitz zwei langjährige Säulen den Klub. Für den neuen Präsidenten Bernhard Burgener und den neuen Sportdirektor Marco Streller erwiesen sich deren Fußstapfen aber als zu groß. Viele Jahre hatte Basel Talente entdeckt oder in der eigenen Jugend entwickelt, sie zu Stars geformt, um sie dann für viel Geld zu verkaufen - zum Beispiel Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Mohamed Salah oder Aleksandar Dragovic.
Trotz der vielen Abgänge gelang es den Machern immer wieder, eine schlagkräftige Truppe auf den Rasen zu schicken. Doch unter Streller und Burgener erwiesen sich die Zugänge immer öfter als Flop, der Erfolg blieb aus, es gab Machtkämpfe und Zerwürfnisse. 2019 verließ Streller Blau-Rot wieder, zwei Jahre später trat Burgener zurück.
Ein Hin und Her mit Vogel
Seit 2021 ist David Degen Präsident, doch auch unter dem Ex-Profi läuft es nicht besser. Der Kader gilt als wenig ausgewogen, es fehlen Identifikationsfiguren, aus dem Nachwuchs schaffen es kaum noch Spieler nach oben. Die Zugänge sehen den Klub nur als Sprungbrett, haben aber lange nicht das Format eines Salah.
Teilweise sieht es recht chaotisch aus, was in Basel passiert. Ein Beispiel: Im Januar 2023 kam Heiko Vogel als Sportdirektor zum Klub. Gut zwei Monate später wurde er nach der Trennung von Trainer Alexander Frei Interimscoach und zog mit dem FCB ins Halbfinale der Conference League ein. Weil er ja eigentlich Sportdirektor und kein Trainer sein wollte, ging er zum Start der aktuellen Saison auf seinen alten Posten zurück, holte als Trainer Timo Schultz - und musste den dann zuletzt wieder als Trainer ersetzen, bis er dann selbst geschasst wurde.
Ajax historisch schlecht
Einen neuen Trainer hat auch der krisengeschüttelte niederländische Rekordmeister Ajax Amsterdam. John van‘t Schip soll den Traditionsklub aus der Krise führen. Zuvor hatte sich Ajax nach dem schlechtesten Saisonstart der Vereinsgeschichte von Maurice Steijn getrennt. Unter dem hatte Ajax nur einen Sieg eingefahren, nur fünf Punkte geholt und zuletzt fünf Pleiten in Serie kassiert.
Enttäuschung bei Ajax Amsterdam
Erstmals in seiner Vereinsgeschichte rutschte Ajax auf den letzten Platz der Eredivisie. Van't Schip ist nach Alfred Schreuder, John Heitinga und Steijn der vierte Cheftrainer des Traditionsklubs innerhalb eines Jahres. Im Verein von Legenden wie Johan Cruyff, Marco van Basten oder Dennis Bergkamp geht die Angst um. Als würde Bayern München in der Bundesliga gegen den Abstieg spielen. Unvorstellbar.
Wenigstens konnte van't Schip den ungebremsten Fall der Rot-Weißen stoppen. Bei seinem Einstand feierte er am Donnerstag (02.11.2023) im Nachholspiel gegen den FC Volendam einen 2:0-Sieg. In der Tabelle kletterte Ajax auf Platz 15, am Sonntag geht es gegen den SC Heerenveen.
Overmars' Fehlverhalten leitet Misere ein
Ähnlich wie in Basel liegen die Probleme tiefer. Vor Steijn musste auch schon Sportdirektor Sven Mislintat nach einer turbulenten Transferphase gehen, Aufsichtsratschef Pier Eringa ist zurückgetreten, der frühere Bundesliga-Profi Klaas-Jan Huntelaar lässt wegen einer Burnout-Erkrankung sein Amt als technischer Leiter ruhen.
Die historische Krise begann Anfang 2022. Damals musste Sportdirektor Marc Overmars gehen, nachdem er "unangebrachte Nachrichten" an Mitarbeiterinnen geschickt hatte. Der damalige Trainer Erik Ten Haag wechselte später zu Manchester United, gemeinsam waren sie die Architekten des jungen Teams, das 2019 im Halbfinale der Champions League stand.
Ohne Overmars und ten Haag lief schon in der Vorsaison nicht mehr viel zusammen, nun ist alles noch viel schlimmer. Viele geben Mislintat die Schuld, der im Sommer den überforderten Steijn holte und das Team umbaute. Spieler gingen für gut 150 Millionen, andere kamen für etwa 110 Millionen. "Rausgeschmissenes Geld", sagte Ex-Ajax-Profi Rafael van der Vaart: "Was ich sehe, ist eine scheiß Mannschaft mit scheiß Spielern."
Auch unter Grosso keine Wende in Lyon
Krisenklub Nummer drei ist Olympique Lyon. Noch kein Sieg, Tabellenletzter - das ist die Bilanz des ehemaligen Serienmeisters, der zwischen 2002 und 2008 siebenmal in Serie den Titel in der französischen Ligue 1 feierte - bis heute Rekord in Frankreich. Auch unter der Vorherrschaft von Paris Saint-Germain konnte sich Lyon meist zumindest unter den besten vier Teams der Liga halten, doch dann fand man sich unter Trainer Peter Bosz plötzlich im Mittelfeld wieder.
Lyons Alexandre Lacazette
Im Oktober 2022 wurde Laurent Blanc als Trainer verpflichtet. Der ehemalige französische Nationalcoach sollte Lyon wieder nach oben führen. Doch in dieser Saison legte er einen miserablen Saisonstart hin und wurde im September 2023 entlassen.
Sein Nachfolger ist Fabio Grosso, doch auch der ist glücklos. Der Italiener hat abgesehen vom Tabellenstand gerade auch andere Sorgen. Vor dem Spiel bei Olympique Marseille wurde der Lyon-Mannschaftsbus mit Steinen beworfen und Grosso wurde am Kopf getroffen und verletzt. Ob der italienische Weltmeister von 2006 am Sonntag im Kellerduell gegen den FC Metz dabei sein kann, ist noch nicht klar.
Ärger wegen des Investors
Im Dezember 2022 hatte der Klub stolz den Einstieg eines US-Investors verkündet. Die "Eagle Football Holding" von John Textor hält 77,5 Prozent aller Olympique-Anteile. Der milliardenschwere Amerikaner hat schon Beteiligungen an Fußballklubs auf der ganzen Welt gekauft - darunter Brasiliens Botafogo, Premier-League-Klub Crystal Palace und Molenbeek aus Belgien.
Der Deal blieb bisher wirkungslos und erweist sich für OL langsam aber sicher als Desaster. Das liegt vor allem daran, dass der Klub Ärger mit der Finanzaufsichtsbehörde des französischen Fußballs hat. Wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in Textors Budgetplanung sieht die bei Transfers jetzt ganz genau hin.
So nahm Lyon vor der aktuellen Saison auf dem Transfermarkt rund 107 Millionen Euro ein, gab aber nur rund 20 Millionen für neues Personal aus. Namhafte Abgänge wie Bradley Barcola (Paris Saint-Germain), Innenverteidiger Castello Lukeba (RB Leipzig) und Mittelfeldmann Romain Faivre (AFC Bournemouth) wurden nicht ersetzt.