Umfrage der Sportschau Gehälter im Frauenfußball - viel Aufwand, wenig Ertrag
Viele Fußballerinnen aus den beiden höchsten deutschen Ligen verdienen nur wenig oder gar kein Geld, obwohl sie unter Profibedingungen trainieren und spielen. Das ergab eine Umfrage der Sportschau.
Lina Magull setzte sich an die Spitze der Bewegung, als der Zeitpunkt günstig war. Während der Europameisterschaft in England im Juli 2022, als der anhaltende Boom des Frauenfußballs einsetzte, forderte sie einen Mindestlohn. "Wir Fußballerinnen sollten ab der 2. Liga so gut verdienen, dass niemand mehr nebenbei arbeiten gehen muss", sagte die Nationalspielerin der "Bild-Zeitung": "Da sprechen wir von einem Mindestgehalt von 2.000, 3.000 im Monat."
Eine Umfrage der Sportschau legt nahe, dass die meisten Spielerinnen aus den beiden höchsten deutschen Ligen weit von einem solchen Gehalt entfernt sein dürften. Demnach verdienten von den 122 Spielerinnen, die auf die Frage nach der Höhe ihres Gehalts geantwortet haben, 34 Prozent maximal 500 Euro brutto im Monat. Knapp ein Viertel - 24 Prozent - sagte, dass es gar kein Geld erhalte. Weitere 27 Prozent lagen unter der von Magull genannten Schwelle von 2.000 Euro Bruttogehalt im Monat.
Nur 13 Prozent gaben an, über der Schwelle zu liegen. Zwei Prozent der Spielerinnen verdienen demnach sogar mehr als 5.000 Euro.
Die Umfrage ist nicht repräsentativ, deckt sich aber mit Erkenntnissen, die Almuth Schult sammelte. Die langjährige Nationaltorhüterin und Kolleginnen starteten 2021 eine Abfrage unter den Spielerinnen aus Bundesliga und 2. Liga. Der Rücklauf war mit 370 Teilnehmerinnen deutlich höher als bei der Sportschau, aber die Ergebnisse seien ähnlich, so Schult. Demnach hätten die Angaben der Spielerinnen aus der 2. Liga damals einen monatlichen Durchschnittsverdienst von 900 Euro ergeben, in der Bundesliga seien es 1.500 Euro gewesen.
Die Redaktion der Sportschau erstellte einen Fragenkatalog und schickte ihn an die Klubs aus Bundesliga und 2. Liga mit der Bitte, diesen an jeweils alle Spielerinnen weiterzuleiten. Inwiefern dieser Bitte entsprochen wurde, ist offen. Insofern ist die Zahl der potenziellen Teilnehmerinnen nicht bekannt. Insgesamt nahmen jedenfalls 128 Spielerinnen an der anonymisierten Umfrage teil, die nicht repräsentativ ist. Als Teilnehmerin zählte, wer mindestens eine Frage beantwortete.
DFB: Durchschnittsverdienst in Bundesliga 3.500 Euro
Sabine Mammitzsch, Vizepräsidentin des Deutschen Fußball-Bundes und dort für den Frauen- und Mädchenfußball zuständig, sagte der Sportschau, dass der Durchschnittsverdienst der Bundesligaspielerinnen inzwischen bei 3.500 Euro liege.
Schult gibt zu bedenken, dass bei der Erhebung nicht klar ist, welche Spielerinnen dabei berücksichtigt wurden. "Sind alle vertragslosen Spielerinnen auch inkludiert? Sind Spielerinnen inkludiert, die nur eine Aufwandsentschädigung bekommen oder nur Fahrtkosten oder ähnlichem?", fragt die Olympiasiegerin von 2016. "Vertragslos" bedeutet in diesem Fall, dass die Spielerinnen keinen Arbeitsvertrag mit dem Verein geschlossen haben, sondern eine andere Absprache haben, in der Regel aber auch eine schriftliche.
Für einen Beitrag, der am Sonntag (30.07.2023) im Ersten ausgestrahlt werden wird und hier schon zu sehen ist, besuchte die Sportschau Isabell Mischke. Die 21 Jahre alte Studentin der Physik an der Universität Paderborn hörte nach der vergangegen Saison mit dem Fußball auf, weil Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis mehr gestanden hätten. Die Torhüterin hatte von ihrem Verein FSV Gütersloh lediglich 100 Euro Aufwandsentschädigung pro Monat erhalten.
Sie zahlte damit drauf, denn bei vier Trainingseinheiten in der Woche und einem Spiel am Wochenende deckte das nicht mal die Fahrtkosten.
Mischkes ehemalige Mitspielerin Shpresa Aradini fährt seit vielen Jahren von Wadersloh aus zum Training des FSV Gütersloh. Eine Strecke ist weniger als 20 Kilometer lang, aber es liegt jeweils schon ein acht Stunden langer Arbeitstag hinter Aradini, wenn sie sich vom Autohaus ihres Arbeitgebers auf den Weg macht.
In der Umfrage der Sportschau gaben 69 Prozent der Spielerinnen an, dass sie einem oder mehreren Jobs außerhalb des Fußballs nachgehen. Es scheint nötig zu sein, weil auch nur 22 Prozent angaben, außer ihres meist kargen Gehalts noch Prämien zu kassieren.
Angesichts solcher Zahlen sagte Almuth Schult, dass es "noch nicht gerechtfertigt" sei, in Deutschland von Profifußball der Frauen zu sprechen. Dies gelte nur für Klubs wie etwa den VfL Wolfsburg, Bayern München und Eintracht Frankfurt, also potente Lizenzvereine aus dem Bereich der Deutschen Fußball Liga (DFL).
Auch DFB-Vizepräsidentin Mammitzsch räumte ein, dass vor allem in der 2. Liga noch erheblicher Finanzbedarf bestehe. Vom Mindestlohn, den Lina Magull einforderte, und der nicht mit dem in Deutschland gültigen gesetzlichen Mindestlohn von derzeit noch zwölf Euro pro Stunde verwechselt werden darf, sind sehr viele Spielerinnen deutlich entfernt.
Wie die Umfrage der Sportschau zeigt, haben sie aber ähnliche Vorstellungen von der Höhe des Mindestlohns. Im Schnitt forderten alle Teilnehmerinnen einen Mindestlohn von 2.794 Euro brutto im Monat für eine Erstligaspielerin und 1.555 Euro für eine Zweitligaspielerin. Im etwas aussagekräftigeren Median sind es 2.500 Euro für eine Spielerin der Bundesliga und 1.500 Euro für eine der 2. Liga. Der Median gibt den Wert an, von dem 50 Prozent der Angaben kleiner oder gleich und die andere Hälfte größer oder gleich sind.
Mittelwert (in Euro) | Median (in Euro) | |
---|---|---|
Mindestlohn Bundesliga | 2.794 | 2.500 |
Mindestlohn 2. Liga | 1.555 | 1.500 |
Werden nur die Spielerinnen berücksichtigt, die im Zeitraum der Umfrage zum Ende der vergangenen Saison in der Bundesliga spielten, ergibt sich das bemerkenswerte Ergebnis, dass der geforderte Mindestlohn im Schnitt niedriger angesetzt ist als bei allen Teilnehmerinnen.
Mittelwert (in Euro) | Median (in Euro) | |
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Mindestlohn Bundesliga | 2.557 | 2.500 |
Mindestlohn 2. Liga | 1.536 | 1.500 |
Die Spielerinnen aus der 2. Liga, die zu 62 Prozent zu den Ergebnissen der Umfrage beitrugen, fordern für eine Bundesligaspielerin nahezu 400 Euro mehr als ihre Kolleginnen.
Mittelwert (in Euro) | Median (in Euro) | |
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Mindestlohn Bundesliga | 2.956 | 2.500 |
Mindestlohn 2. Liga | 1.567 | 1.000 |
Abgefragt wurde auch, welches Monatsgehalt die Spielerinnen für "angemessen" halten. Dabei zeigte sich, dass die Fußballerinnen bescheidene Ansprüche stellen.
Mittelwert (in Euro) | Median (in Euro) | |
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alle Teilnehmerinnen | 2.366 | 2.000 |
nur Spielerinnen Bundesliga | 3.393 | 3.000 |
nur Spielerinnen 2. Liga | 1.794 | 1.500 |