Frauen- und Männerfußball In Eintracht unter einem Dach
Wie es gelingen kann, dass Frauen- und Männerfußball in einem Lizenzverein zu (fast) gleichberechtigten Einheiten zusammenwachsen, zeigt das Beispiel Eintracht Frankfurt.
Inzwischen ist es fast schon Normalität, wenn die Fußballerinnen von Eintracht Frankfurt im Schatten der großen Arena trainieren. Menschen, die sich eben noch im Fanshop oder Museum des Traditionsvereins umgesehen haben, brauchen nur ein paar Schritte zu gehen, um einem Bundesliga-Team beim Üben zuzusehen. Während die Männer fast immer hinter dem Platz mit den blickdichten Planen verschwinden, sind die Zugänge zu den Frauen meist nicht versperrt.
Einige Kiebitze nutzen die Gelegenheit gerne, um deutschen Nationalspielerinnen wie Laura Freigang, Sara Doorsoun oder Nicole Anyomi beim Passen, Dribbeln oder Flanken zuzusehen. Sie bespielen dieselben Rasenplätze wie die Männer am Profi-Camp. Equal Play, also den Frauen dieselben Bedingungen zu bieten, wird in Frankfurt seit dem Herbst vergangenen Jahres vorgelebt.
Sportvorstand Markus Krösche steht dahinter
"Mit der Nutzung der gemeinsamen Infrastruktur haben wir einen Meilenstein gesetzt", sagt Sportvorstand Markus Krösche im Gespräch mit der Sportschau und betont: "Es greift dieselbe Philosophie, die auch für die Männer gilt, was die medizinische Betreuung, die Videoanalyse oder das Torwarttraining angeht." Ihm sei der Frauenfußball schließlich auch genauso wichtig, beteuert der 42-Jährige. Deshalb sei auch diese "enge Verzahnung" entstanden.
Sportvorstand Markus Krösche
Trainer Niko Arnautis sieht darin einen "großen Schritt zur Professionalisierung". Als der Vorstand gesehen habe, "was meine Mädels leisten, wurde schnell alles daran gesetzt, dass auch wir ans Profi-Camp kommen. Für uns ist das eine Riesenwertschätzung." Noch zu Anfang der Saison hatte sein Ensemble auf der öffentlichen Sportanlage am Rebstockbad trainiert. Die bereits unter dem Vorgängerverein 1. FFC Frankfurt genutzten Gegebenheiten als semiprofessionell zu bezeichnen, wäre geschmeichelt.
Am Rebstock waren die Bedingungen teils abenteuerlich
"Das Gelände am Rebstock war eine städtische Anlage, wo man nicht richtig wusste, welcher Verein man eigentlich ist", erklärt Kapitänin Tanja Pawollek und erzählt: "Dann sind bisweilen noch Kinder über den Platz gelaufen. Du bist zum Training gekommen und hast nicht gefühlt, dass du für Eintracht Frankfurt spielst. Das war lange ein leidiges Thema. Jetzt kommst du hierher, überall ist das Eintracht-Logo, die Männer trainieren auf dem Platz nebenan, du gehst hier zum Essen und wirst von den Mitarbeitern erkannt."
Der Schritt war aus ihrer Sicht "alternativlos", um sich weiterzuentwickeln. Inzwischen sei auch die Trainingsqualität "definitiv besser geworden." Ihre Klubkollegin Laura Feiersinger verweist zudem auf den "psychologischen Aspekt", sich jetzt wirklich zugehörig zu fühlen. Pawollek: "Man kann sich natürlich immer noch mehr mit den Männern vernetzen und die Möglichkeiten nutzen."
Laura Feiersinger
Frauenfußball bei der Eintracht gibt es seit 2010
Weitere Verbesserungen sind in Arbeit: So werden die Räumlichkeiten in der Wintersporthalle, die frühere Trainingsstätte der United Volleys, demnächst so umgebaut, dass hier eine feste Heimat für den professionellen Frauenfußball unter dem Adlerdach entsteht. Mit entsprechendem Branding in den Eintracht-Farben. Das Team soll dann vorrangig den dazugehörigen Rasenplatz ("Kleine Kampfbahn") nutzen, der mit einer Rasenheizung ausgestattet ist. Hier hat früher regelmäßig auch die deutsche Nationalmannschaft trainiert.
Das professionelle Team der Eintracht ist 2020 aus der Fusion mit dem 1. FFC Frankfurt entstanden, aber Frauenfußball gibt es hier bereits seit 2010. Vorstandssprecher Axel Hellmann erinnert an einen "harten Kampf" aus dieser Zeit: Mehrere Führungskräfte hätten vor 13 Jahren tatsächlich gesagt: "Das passt nicht zu unserer Kultur." Heute ist der interimsmäßig die Deutsche Fußball Liga (DFL) führende Hellmann überzeugt davon, dass Lizenzvereine auch Frauenfußball auf höchstem Niveau anbieten sollten, "dafür müssen aber erstmal Grundlagen geschaffen werden, die bei uns schon vorhanden waren." Reichlich Nachwuchsteams nämlich.
Der Boom ist in Frankfurt spürbar
Längst profitiert auch die Eintracht vom durch die Frauen-EM in England geschürten Interesse. Fünf Frankfurterinnen können sich Hoffnungen auf die WM 2023 in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) machen. Vielen Eintracht-Anhängern sind Namen und Gesichter ein Begriff, und auch Teile der Fanszene haben die Frauen mit Anlauf für sich entdeckt. Die 1.531 Sitzplätze im Stadion am Brentanobad für die Heimspiele sind oft Wochen vorher bereits ausverkauft.
Den Instagram-Kanal der Adlerträgerinnen haben mehr als 55.000 Menschen abonniert – vor der Fusion mit dem 1. FFC Frankfurt waren es gerade mal 6.500. Nationalstürmerin Freigang, die mit ihren selbstironischen Kurzvideos mitunter ein Millionenpublikum erreicht, kann inzwischen unmöglich alle Interviewanfragen mehr bedienen. "Allein der Mut, mehrere Spiele in den großen Stadien auszutragen, war ein entscheidender Schritt. Man sieht jetzt, was möglich ist. Das sollte ein weiterer Antrieb sein", sagt die österreichische Nationalspielerin Feiersinger.
Laura Freigang
In Köln kündigt sich bald der nächste Rekord an
Noch sind die 23.200 Zuschauer für die Frauen-Bundesliga Rekord, die zum Eröffnungsspiel gegen den FC Bayern (0:0) in die Frankfurter Arena strömten. Die Zahl soll übertroffen werden, wenn die Eintracht am 23. April beim abstiegsgefährdeten 1. FC Köln gastiert, der dann erstmals in seiner Vereinsgeschichte im großen Stadion spielt. Arnautis freut sich auf diesen weiteren Höhepunkt. "Hauptsache, wir sind wieder mit dabei. Wir sind gefragt, Leistung zu bringen und nahbar zu bleiben", betont der in Frankfurt geborene Deutsch-Grieche und fügt mit einem Schmunzeln an: "Wir spielen ehrlichen Fußball. Und manchmal passiert bei uns mehr als bei den Männern."
Seit 2017 Cheftrainer der Frankfurter Fußballerinnen: Niko Arnautis
Austausch mit Oliver Glasner - und in Sevilla waren die Frauen mit
Der 42-jährige Arnautis pflegt auch Kontakt mit Männer-Cheftrainer Oliver Glasner. "Egal, ob ich mich auf Werder-Frauen und er sich auf Stuttgart-Männer vorbereitet, geht es am Ende um Fußball. Das ist einfach schön, wenn man Erfahrungen austauscht." Was die Arbeit angehe, gebe es doch kaum Unterschiede mehr: "Er wird sicher den einen oder anderen Pressetermin mehr haben, aber ansonsten ist der Aufwand identisch. Trainer ist ein Fulltime-Job."
Auch zwischen den Aktiven hat es bereits Begegnungen gegeben, und dabei erwiesen sich die Reisen der Frauen zum Männer-Europapokalspiel beim FC Barcelona und zum Europa-League-Finale in Sevilla als äußerst hilfreich, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. "Für uns war das eine weitere Motivation", betont Pawollek. Damit sandte der Klub ein Zeichen der Anerkennung nach außen.
Axel Hellmann warnt vor Drei-Klassen-Geselllschaft
Den verstärkten Austausch innerhalb der Abteilungen betrachtet Krösche als Basis, um "mit den Frauen die nächsten Schritte zu gehen: Wir waren in der vergangenen Saison Dritter – das wollen wir mindestens wieder sein". Doch an dieser Stelle ist Eintracht-Boss Hellmann skeptisch: Bei der Verabschiedung von Sportdirektor Siegfried Dietrich am Montag (20.02.2023) kritisierte der SGE-Macher sehr deutlich die "Drei-Klassen-Gesellschaft" in der Frauen-Bundesliga und warnte vor "zementierten Verhältnissen", die auf die Spannung drücken und mittel- bis langfristig auch Interesse kosten würden. Es wäre doch jedes Jahr dasselbe: "Wolfsburg und Bayern ganz oben, dann Hoffenheim und wir und dann noch der Rest." Tatsächlich bietet die Tabelle nach 15 Spieltagen genau dieses Bild.
Platzierung | Mannschaft | Punkte |
---|---|---|
1 | VfL Wolfsburg | 42 |
2 | Bayern München | 40 |
3 | Eintracht Frankfurt | 35 |
4 | 1899 Hoffenheim | 32 |
5 | SC Freiburg | 22 |
Im vergangenen Sommer war die Eintracht im ersten Qualifikationsturnier in der ersten Runde zur Gruppenphase der Champions League an Ajax Amsterdam gescheitert. Sportlich und wirtschaftlich fehlt laut Hellmann immer noch sehr viel zu den Topteams VfL Wolfsburg und FC Bayern, die sich seit zehn Jahren Meisterschaft und DFB-Pokal teilen. Durchschnittlich knapp drei Millionen Euro wendete ein Frauen-Bundesligist in der Saison 2021/2022 auf.
Diese Summe dürfte Eintracht Frankfurt locker übertreffen, aber exakte Angaben zum Frauen-Etat macht der Klub nicht. Der Vorgängerverein 1. FFC Frankfurt gewann zwar 2015 als bislang letzter Bundesligist die Women’s Champions League, verlor als reiner Frauenfußballverein danach jedoch den Anschluss und zum Überleben war die Fusion mit der Eintracht vor drei Jahren unausweichlich. In dieser Phase übernahm sich auch Dietrich, musste sich danach aus gesundheitlichen Gründen mehrere Auszeiten nehmen.
Katharina Kiel hat den Job von Siegfried Dietrich übernommen
Seine Nachfolgerin ist Katharina Kiel als Technische Direktorin, die als Unternehmerin und ehemalige Bundesligaspielerin das Zertifikationsprogramm von DFL und DFB "Management im Profifußball" durchlaufen hat. Die 30-Jährige stimmt sich bei Transfers, Vertragsverlängerungen und Budgetfragen direkt mit Krösche ab, wobei der Eintracht-Manager klarstellt: "Die Entscheidungen, etwa bei Verpflichtung von Spielerinnen, treffen die Verantwortlichen, also Katharina Kiel und Niko Arnautis, selbst, aber ich bin natürlich immer informiert. Wir haben jede Woche einen Jour fixe, bei dem wir die Themen besprechen."
Anfang des Monats beim Heimspiel gegen den SC Freiburg (4:1) an einem kalten Freitagabend saßen Krösche, Glasner und Hellmann wieder auf der Tribüne, ohne dass darum viel Aufhebens entstand. Bei der Eintracht gilt es inzwischen als Selbstverständlichkeit.