FIFA Frauen WM Spanien: Nach der Rebellion ist vor dem WM-Traum
Spaniens Fußballerinnen zählen als Sechster der FIFA-Weltrangliste zu den Titel-Mitfavoritinnen bei der WM in Australien und Neuseeland. Dabei schien es vor wenigen Monaten noch so, als würde "La Furia Roja" ("Die rote Furie") nach einer Spielerinnen-Meuterei in naher Zukunft keine Rolle bei den großen Turnieren spielen können.
An einem Donnerstagabend im vergangenen September bekam die Real Federación Española de Fútbol, der spanische Fußball-Verband, Post. 15 Schreiben gingen bei der RFEF auf elektronischem Weg ein. Abgeschickt worden waren sie von 15 Nationalspielerinnen. Der Inhalt der E-Mails war identisch - und brisant. Darin hieß es nämlich, dass sich die Akteurinnen wegen ihres "emotionalen und damit gesundheitlichen Zustands derzeit außerstande" sehen würden, an den kommenden Partien des Nationalteams teilzunehmen. Sie würden erst wieder zur Verfügung stehen, wenn "die Lage korrigiert" worden sei.
Klang für Außenstehende kryptisch und bedurfte einer Aufklärung, die dann der Verband in seiner Antwort auf die Schreiben lieferte: "Die RFEF wird nicht zulassen, dass die Spielerinnen die Fortdauer der Amtszeit des Nationaltrainers und seines Teams infrage stellen."
Verband zeigt Rebellinnen die kalte Schulter
Es ging also offenbar um Jorge Vilda Rodríguez, den Mann, der bereits seit 2015 die Geschicke der "La Furia Roja" leitet und dabei vielleicht nicht immer alles richtig machte. Jedenfalls hieß es nach dem Viertelfinal-Aus bei der EM im vergangenen Jahr in England, dass sich Spielerinnen darüber beklagt hätten, dass der 42-Jährige Reservistinnen mit Missachtung strafe und überhaupt falsch trainieren lasse.
Nichts als Gerüchte seien das - beteuerten bald nach der Meuterei die Spielerinnen. Sie wären auch gar nicht zurückgetreten. Es ginge ihnen nur darum, "konstruktiv und offen" dazu beitragen zu wollen, dass sich die "Leistungsfähigkeit" der Nationalmannschaft verbessere.
Klang nach einem Rückzieher. Und war es wohl auch. Aber die Damen und Herren von der RFEF fühlten sich nun in ihrem Stolz verletzt. "Der Verband wird nur auf Fußballerinnen zählen, die sich verpflichtet fühlen - und wenn er mit Jugendlichen auflaufen muss", wurde mitgeteilt. Die Rebellinnen dürften erst wieder ins Gewand der "Roten Furie" schlüpfen, wenn sie ihre Fehler eingesehen und um "Vergebung" gebeten hätten.
Spanien mit guten Testspiel-Ergebnissen
Wer von den Mail-Meuterinnen anschließend wie gewünscht zu Kreuze kroch, ist unbekannt. Vilda blieb jedenfalls im Amt und legte auf eine weitere Zusammenarbeit mit den ihm gegenüber kritischen Spielerinnen keinen großen Wert mehr. Im Kader für die WM in Australien und Neuseeland stehen in Aitana Bonmati, Mariona Caldentey und Ona Batlle lediglich drei Fußballerinnen, die im vergangenen September aufbegehrt hatten. Der Rest schaut in die Röhre und muss das Ozeanien-Turnier nun aus der Ferne verfolgen.
Die erhoffte und geforderte "Verbesserung der Leistungsfähigkeit" der Auswahlmannschaft hat Vilda auch ohne sie hinbekommen. Seit der gescheiterten Rebellion gab es unter anderem Testspiel-Siege gegen Weltmeister USA sowie Norwegen und Japan. Bei der WM-Generalprobe gegen Vietnam feierten die Ibererinnen zudem einen in der Höhe nicht zu erwartenden 9:0-Erfolg.
Vilda: "Hatten noch nie so eine komplette Mannschaft"
Die Spanierinnen scheinen also bestens gerüstet für ihr erstes Gruppenspiel am Freitag (21.07.2023, 9.30 Uhr, im Liveticker bei sportschau.de) gegen Außenseiter Costa Rica. "Es war eine sehr gute Saison. Wir stehen auf Platz sechs der Weltrangliste und Spanien hatte noch nie eine so komplette Mannschaft wie diese. Wir freuen uns auf den Start der Weltmeisterschaft", sagte Vilda dem Sportsender "Marca". In der Gruppe mit Sambia und Japan sind die Europäerinnen die Favoritinnen auf Platz eins und nehmen diese Rolle auch an.
"Wir haben uns gut vorbereitet und haben eine großartige Mannschaft. Wir werden versuchen, Geschichte zu schreiben", erklärte Real Madrids Stürmerin Esther González. Heißt: Spanien träumt vom ersten WM-Titel.
Ausgewogener Mix aus Jung und Alt
Warum auch nicht? Das Aufgebot bringt fußballerisch alles mit, um den großen Wurf anpeilen zu können. Neben einigen routinierten Spielerinnen wie Verteidigerin Irene Paredes, Mittelfeldakteurin Claudia Zornoza oder Angreiferin Jennifer Hermoso tummeln sich in Vildas Kader viele junge oder mittelalte Akteurinnen, die entweder noch am Anfang ihrer Karrieren stehen oder gerade im besten Fußballerinnen-Alter sind. Der Mix scheint zu stimmen. Und dann wäre da ja noch Alexia Putellas, ihres Zeichens Welt- und Europafußballerin des Jahres und nach ihrem Kreuzbandriss nun offenbar rechtzeitig fit, um in der spanischen Zentrale wieder die Fäden zu ziehen.
Putellas wohl zunächst nur "Jokerin"
"Alexia geht es gut. Ich bin sicher, sie wird uns bei dieser Weltmeisterschaft sehr helfen", sagte ihre Teamkameradin Bonmatí bei einer Pressekonferenz. Dass Putellas, die aktuell noch dosiert trainiert, bereits gegen Costa Rica in der Anfangsformation stehen wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Die Ausnahmefußballerin soll nach ihrer langen Verletzungspause weiter behutsam für die noch größeren Aufgaben bei der WM geschont werden.
- FIFA-Ranking: Spanien Platz 6, Costa Rica Platz 36
- bestes WM-Ergebnis: Spanien Achtelfinale 2019 / Costa Rica Vorrunde 2015
- Fun Fact: Bei der Männer-WM in Katar trafen Spanien und Costa Rica ebenfalls in der Vorrunde aufeinander, Spanien siegte 7:0.