Triumph in der Champions League Pep Guardiola - ein Fußball-Ästhet wird zum Pragmatiker
In seiner siebten Saison hat Pep Guardiola mit Manchester City am Samstag (10.06.2023) die Champions League gewonnen. Auf taktische Experimente hat er diesmal verzichtet. Über einen Fußball-Ästheten, der auch Pragmatiker kann.
Pep Guardiola hatte seine Runde über den Rasen im Finalstadion in Istanbul beinahe beendet, als plötzlich Ilkay Gündogan vor ihm stand. Es war eine Sache von Sekunden, dann lagen sich Guardiola und Gündogan in den Armen, Trainer und Kapitän von Manchester City, vereint in einem Moment der Freude.
Für City war es der erste Titel in der Champions League, es war dieser Titel, der dem Klub noch gefehlt hatte. Er rundet auch das Wirken des Trainers Guardiola ab. An Guardiola, 52, wird man sich irgendwann einmal als einen der größten Trainer aller Zeiten erinnern, es gibt kaum einen, der den Fußball so geprägt hat wie er.
Guardiola war Trainer, als der FC Barcelona zeigte, wie schön Fußball sein kann. Und wie erfolgreich, zweimal gewann er mit "Barca" die Champions League. Auch beim FC Bayern hat Guardiola ansehnlichen Fußball spielen lassen, zusammen jubelten sie über einige Titel. Aber die Champions League haben die Bayern immer dann gewonnen, wenn der Trainer nicht Guardiola hieß.
Guardiola als Pragmatiker - die Lehren einer Niederlage
Mit Manchester City hatte Guardiola seit 2016 bis zum Endspiel dreizehn Titel geholt, nur die Champions League gewannen sie nicht. Einmal, in der Saison 2020/21, waren sie ganz nah dran, verloren aber im Finale gegen den FC Chelsea. Es war eine Niederlage, die das Bild der Menschen von Guardiola beeinflusst hat. Er war nun nicht mehr der Trainer, dessen Ideen revolutionär waren, kaum einer erinnerte sich daran, wie er Lionel Messi von Außen ins Angriffszentrum gezogen hatte und so die falsche Neun erfunden hatte. Es gab nun Stimmen, die seine Ideen für kontraproduktiv hielten.
"Warum hast du es wieder vermasselt, Pep?", titelte etwa die "Daily Mail" am Tag nach dem verlorenen Endspiel. Es war natürlich eine Anspielung auf die Taktik, die Guardiola gewählt hatte. Er hatte den Sechser Rodri aus der Mannschaft genommen, ließ ohne echten Stürmer spielen, aber mit gleich sechs offensiv denkenden Mittelfeldspielern. Der Plan ging nicht auf.
In den Tagen vor dem Finale gegen Inter Mailand ist Guardiola dann auch oft auf den Druck angesprochen worden. Er sagte, als Trainer von Manchester City sei da immer Druck. Er könne damit umgehen. Guardiola sagte auch: "Wir müssen die Champions League gewinnen." Sie haben es geschafft, auch weil Guardiola, der den schönen Fußball so liebt, zuletzt manchmal den Pragmatiker gab. Weil er davon auch im Finale nicht abrückte.
Das Tor macht Rodri für Man City, ausgerechnet er
Inter Mailand war an diesem Abend ein ebenbürtiger Gegner, zwischen ihrer Fünferkette und dem Mittelfeld waren oft nur wenige Meter. Man sah die Techniker von Man City manchmal lange Bälle spielen, Chancen erspielten sie sich selten - und wenn sie doch einmal gefährlich vor dem Tor auftauchten, schloss sogar Erling Haaland so ab, wie man das von ihm nicht oft sieht. Auch den Ball hatten sie bei City in vielen Spielen öfter, sie haben dort schon schöner Fußball gespielt.
Und doch gab es ihn, diesen einen Moment für Fußball-Ästheten. Es lief die 68. Minute, als Manuel Akanji mit einem präzisen Pass eine Lücke in Inters Defensive fand, als Bernardo Silva anschließend zur Grundlinie dribbelte und dann zurücklegte. Als im Rückraum Rodri stand und aus 14 Metern rechts ins Eck schlenzte. Ausgerechnet Rodri, der Taktgeber von Guardiolas Gnaden. Der Mann, den Guardiola zwei Jahre zuvor im Finale überraschend auf die Bank gesetzt hatte.
Manchester City muss gegen Inter lange zittern
Draußen an der Seitenlinie fingen die Fernsehkameras Guardiola ein, er ballte die Fäuste. Er wird dann auch noch gezittert haben, Inter Mailand fehlte nicht viel zum Ausgleich, aber dann war Schluss.
Und Guardiola machte die Runde, er nahm sie alle in den Arm, auch Rodri, den Siegtorschützen. Irgendwann tauchte vor ihm Gündogan auf, auch sie umarmten sich, Trainer und Kapitän von Manchester City, vereint in einem Moment der Freude.
Jetzt will Guardiola eine Ära prägen
Nach dem Premierensieg will der Trainer nun in der Königsklasse eine neue Ära prägen: "Es gibt Mannschaften, die die Champions League gewonnen haben und nach ein, zwei Saisons verschwunden sind. Das ist es, was wir vermeiden müssen", sagte der Katalane und fügte lächelnd an: "Wer mich kennt weiß, dass das nicht passiert." Man werde für eine erfolgreiche Titelverteidigung aber "noch härter arbeiten" müssen.
Mit erkennbarer Ironie schickte Guardiola eine nicht ganz ernst gemeinte Kampfansage an Rekordsieger Real Madrid, der den wichtigsten Klubwettbewerb im europäischen Fußball 14 Mal gewonnen hat. "Du bist nur 13 Champions-League-Siege entfernt. Sei vorsichtig, Real Madrid, denn wir sind dir auf den Fersen", sagte der 52-Jährige. "Wenn du ein bisschen schläfst, werden wir dich einholen."
Erster Triumph für Man City "eine große Erleichterung"
Der erste Triumph in der Königsklasse für Man City nach mehreren vergeblichen Anläufen sei "eine große Erleichterung für uns alle", gab Guardiola zu. Denn dadurch höre nun die ewige Fragerei nach dem Premierensieg auf. "Dieses Finale in diesem Jahr stand in den Sternen."
Dass der Henkelpokal auch für ihn selbst wichtig ist, weil in den vergangenen Jahren Zweifel an seinen Trainer-Qualitäten in großen Spielen aufgekommen waren, wollte Guardiola nicht bestätigen. Er sei "unglaublich zufrieden" und fühle sich "okay" - viel mehr aber angeblich nicht: "Ehrlich gesagt, war ich nach dem Sieg im FA Cup gegen Manchester United aufgewühlter."
Guardiola holte Triple mit zwei verschiedenen Klubs
Guardiola ist der erste Trainer, der mit zwei verschiedenen Klubs das Triple aus Champions League, Meisterschaft und nationalem Pokal gewinnen konnte. 2008/09 war ihm das schon mit dem FC Barcelona gelungen. In England hatte bisher nur Manchester United 1999 mit Trainer Alex Ferguson das Triple geholt. Er habe am Morgen des Endspiels eine Nachricht von Ferguson bekommen, berichtete Guardiola, "die mich sehr berührt hat". Es sei für ihn "eine Ehre", mit dem inzwischen 81-Jährigen diesbezüglich auf einer Stufe zu stehen.
Guardiola gab jedoch auch zu bedenken, dass die Titel-Gier der "Citizens" nicht jedes Jahr komplett gestillt werden könne. "Ich bin ein guter Trainer", sagte er lächelnd, "aber ich bin nicht gut genug, um jede Saison das Triple zu gewinnen".