Fußball-Bundesliga Kritik an Sportwetten-Sponsoring wächst
Vor Saisonbeginn schließen mehrere Bundesliga-Klubs kurzfristig Sponsoring-Verträge mit Sportwetten-Anbietern ab und ernten viel Kritik. Auch weil mehrheitlich ein Verbot für solche Werbeaktivitäten in der Bundesliga befürwortet wird.
Kay Bernstein ist vor dem Start der neuen Saison von der Realität eingeholt worden. Der Präsident des klammen Bundesliga-Absteigers Hertha BSC hatte sich in seinem Wahlprogramm 2022 grundsätzlich gegen eine Zusammenarbeit des Klubs mit Wettanbietern ausgesprochen. Doch nun präsentierte die Hertha kurz vor Beginn des Spielbetriebs in der zweiten Liga just ein Unternehmen aus dieser Branche als Hauptsponsor.
Einen Spagat "zwischen Fan-Idealismus und Realpolitik", nannte Bernstein das. "Dass in diesem Fall ein Widerspruch zu dem Visionspapier der Initiative 'Wir Herthaner' aus dem Frühjahr 2022 auftritt, ist mir natürlich bewusst", erklärte der Hertha-Präsident. Die angeschlagene finanzielle Lage des Klubs hatte offenbar keine andere Option zugelassen. Das bestätigt Bernstein ebenfalls in seinem Statement: Mit einem realistischen Blick auf die finanzielle Lage des Vereins trage er die Entscheidung mit.
Sportwetten-Anbieter führend beim Sponsoring der Bundesliga
Die Hertha ist im deutschen Profifußball auch nicht alleine: Auch der VfB Stuttgart stellte kürzlich ein Unternehmen aus Sportwetten-Branche als Hauptsponsor vor. 8,5 Millionen Euro soll der Klub dafür jährlich einnehmen. Dieses Engagement rief heftige Kritik bei den Fans hervor: "Werte & Moral unseres VfB – ein reines Glücksspiel?!?", hieß es auf einem Banner in der Stuttgarter Fankurve, das während des Erstrundenspiels des VfB im DFB-Pokal gezeigt wurde.
Zusätzlich veröffentlichte die Stuttgarter Fanszene ein Statement, in dem Spielsucht als "ernstes gesamtgesellschaftliches Problem" thematisiert wird. Denn etwa eine halbe Millionen Menschen sind laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hierzulande glücksspielsüchtig. Wie viele davon auf Sportwetten entfallen, ist allerdings nicht bekannt.
Der VfB hatte auf die Kritik schon im Vorfeld reagiert und die Entscheidung verteidigt. Alexander Wehrle, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter, hob in einem Interview mit dem TV-Sender "Sky" hervor, dass "17 von 18 Bundesligisten mittlerweile einen Wettpartner haben, auch der Deutsche-Fußball-Bund hat einen Wettpartner".
Die Zahl stimmt nach Sportschau-Recherchen nicht ganz, aber Wehrle sprach dabei grundsätzlich die hohe Sponsoringdichte aus der Glückspielbranche in der Bundesliga an.
Verein | Wettanbieter |
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FC Bayern München | Tipico |
Borussia Dortmund | bwin |
RB Leipzig | - |
Bayer Leverkusen | tipwin |
Eintracht Frankfurt | betway |
Borussia Mönchengladbach | interwetten |
1. FC Köln | bwin |
VfB Stuttgart | Winamax |
FC Augsburg | Lotto Bayern |
SC Freiburg | Lotto Baden-Württemberg |
VfL Wolfsburg | ChillyBets |
1. FC Heidenheim | Lotto Baden-Württemberg |
SV Darmstadt 98 | Neo.bet |
VfL Bochum | Sportwetten.de |
Werder Bremen | Spielbank Bremen |
1. FC Union Berlin | - |
TSG Hoffenheim | Neo.bet |
Mainz 05 | Lotto Rheinland-Pfalz |
Nimmt man alle 36 Erst- und Zeitligisten zusammen, verfügt mehr als die Hälfte mittlerweile über Sponsoring-Partner, die für Glücksspiel werben. Der Markt hierzulande ist dabei für die Anbieter gigantisch, fast zehn Milliarden Euro Umsatz haben sie 2021 gemacht.
Den entgegengesetzten Weg hat aus den Bundesligen dagegen der FC St. Pauli zur neuen Saison gewählt und Sportwetten aus seinem Sponsoren-Pool verbannt. "Weil die Glaubwürdigkeit unseres Vereins und unserer Marke auch für eine größere Strahlkraft für unsere Partner sorgt", wie Präsident Oke Göttlich erklärte.
Sportwetten-Sponsoring nicht mehrheitsfähig
Dabei berücksichtigt der Klub eine gesellschaftliche Entwicklung, die solcher Werbung im bezahlten Fußball kritisch gegenübersteht. So hat kürzlich eine repräsentative Studie des Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung ergeben, dass sich fast zwei Drittel der Befragten für ein Sponsoring-Verbot von Sportwetten im Fußball aussprechen.
Wer Bundesliga schaue, bekomme gefühlt eine Sportwetten-Werbung nach der anderen, so Burkhard Blienert. Weiter betont der Bundessuchtbeauftragte: "Dieses Spiel endet nicht selten im finanziellen und persönlichen Ruin. Bis alles verzockt ist, sei es das Ersparte, das Haus oder sogar die Familie. Darum fordern fast 70 Prozent der Befragten zu Recht härte Leitplanken durch mehr Werbebeschränkungen für Sportwetten im Internet und TV."
Fanszenen fordern Werbeverbot für Sportwetten
Auch die Interessengemeinschaft organisierter Fußballfans "Unsere Kurve" spricht sich für ein solches Werbeverbot aus und engagiert sich dafür im Bündnis gegen Sportwetten-Werbung. Denn in ihrer Werbung würden die Sportwetten-Anbieter fankulturelle Elemente nutzen und somit Fankultur vereinnahmen. Deshalb sage man als bundesweite Fanorganisation: "Es reicht!"
Der Suchtbeauftragte des Bundes, Burkhard Blienert, stellt auf sportschau.de-Anfrage ebenfalls klar, dass für ihn Sport und Glücksspiel nicht zusammenpassen: "Ich weiß, dass die Vereine derzeit viel Geld durch derartige Sponsoringverträge verdienen. Aber es gibt andere, unbedenklichere Sponsoren. Deshalb steht fest: Fußball geht auch ohne Sportwetten-Werbung."