Hinrunde in der Bundesliga Als Vierklassengesellschaft in die Winterpause
Das Fußballjahr in der Bundesliga ist vorbei, die Saison aber noch lange nicht. Und trotzdem scheint schon ziemlich klar, wer im Rennen um welches Ziel dabei sein wird.
Winterpause in der Bundesliga. So richtig gilt das aber nur für das Geschehen auf dem Platz, denn auch in den kommenden Wochen stehen wichtige Dinge an. Trainerentscheidungen bei Borussia Dortmund, dem 1. FC Köln und 1. FSV Mainz 05. Viele Klubs haben große Transferbaustellen, allen voran der FC Bayern München, der seine Abwehr und das Mittelfeldzentrum verstärken möchte.
Aber bei aller übrig gebliebenen Hektik ist nun Zeit, einen Blick zurück auf die bisherige Saison in der Bundesliga zu wagen - die als Vierklassengesellschaft im Januar in ihre letzten 18 Spieltage gehen wird.
Klasse 1: Bayer oder Bayern? Das ist hier die (Meister-)Frage...
Die gute Nachricht für alle Interessierten: Der Kampf um die Meisterschaft wird - Stand jetzt - wieder spannend. Und dabei hat der FC Bayern im Moment nicht die besten Karten. Vier Punkte hat der Serien- und Rekordmeister (elf Titel in Folge) Rückstand auf Bayer Leverkusen, das keines seiner 25 Pflichtspiele verloren und damit eine neue Bestmarke aufgestellt hat.
42 von 48 möglichen Punkten hat die "Werkself" geholt, da mussten sich die Bayern schon strecken, um überhaupt dranzubleiben. Bei ihnen wurden es 38 von 45 möglichen Zählern, dazu kommt noch ein Nachholspiel gegen Union Berlin. "Wir haben viele Punkte geholt, aber Leverkusen hat noch mehr geholt, dafür gebührt ihnen auch der allergrößte Respekt", sagte Bayern-Trainer Thomas Tuchel.
Rechnet man diese Bilanzen hoch, würde Leverkusen die Saison mit 89 Punkten beenden, München mit 86 Zählern - der Trend der beiden zeigt also in eine Richtung, die bislang fast kein anderes Team seit Einführung der Dreipunkteregelung (zur Saison 1995/96) einschlagen konnte. Nur der FC Bayern war mit 91 (2012/13), 90 (2013/14) und 88 Punkten (2015/16) derart erfolgreich - ansonsten reichten immer weniger Punkte. In der vergangenen Saison wurde das Tuchel-Team sogar mit "nur" 71 Zählern Meister.
Wenig überraschend also, dass es bei diesen Ausbeuten keinem anderen Bundesligisten gelungen ist, mit den beiden Teams mitzuhalten. Der Rückstand der Konkurrenz beträgt (angenommen, die Bayern besiegen Union im Nachholspiel) bereits mindestens sieben Zähler. Die Entscheidung um den Meistertitel fällt zwischen Bayer und Bayern.
Klasse 2: Zweikampf um Platz 3 - mit einem Verfolger
Im Sommer noch in der Abstiegsrelegation und jetzt auf dem Weg in die Champions League. Der VfB Stuttgart hat eine fulminante Hinrunde hingelegt und geht als Dritter in die Winterpause. Die Schwaben sind voller Selbstvertrauen, aber bleiben auch demütig. "Jetzt eine andere Erwartungshaltung zu schüren, die außer Acht lässt, wo wir herkommen, macht aus unserer Sicht wenig Sinn", sagte Sportdirekter Fabian Wohlgemuth. Und Trainer Sebastian Hoeneß ergänzte: "Mir hilft es nicht, jetzt etwas herauszuposaunen."
Die Spieler des VfB feiern mit den Fans nach dem Sieg gegen Augsburg
Gleichwohl ist die Situation nicht nur aufgrund der eigenen Bilanz enorm komfortabel und vielversprechend. Denn nur RB Leipzig (ein Punkt Rückstand) hat den Anschluss an die starken Stuttgarter noch halten können. Konservieren die beiden Teams ihre Form und nehmen sie mit ins neue Jahr, werden sie um Platz drei kämpfen.
Wer das Duo noch einfangen kann? Wahrscheinlich nur Borussia Dortmund. Doch der BVB hat erstmal damit zu tun, seine eigenen Probleme zu lösen, um zum Großangriff in der Rückrunde zu blasen. Sechs Punkte hat der Vizemeister bereits Rückstand auf Rang vier und droht erstmals seit dem siebten Platz in der Saison 2014/15 die Champions League zu verpassen.
Klasse 3: Die halbe Liga im Mittelfeld
Europa League, Conference League, ein Platz im Nirgendwo - für neun Mannschaften geht es wohl genau darum. Wobei es gerade bei zwei dieser neun Teams ein enormer Erfolg ist, dass sie es geschafft haben, in diese Gesellschaft aufzusteigen. Der 1. FC Heidenheim galt neben Darmstadt 98 als Abstiegskandidat Nummer eins, dem Team von Ewig-Trainer Frank Schmidt (coacht seit 2007 die Profis) wurden bei dessen Bundesliga-Premiere nur wenige Chancen zugesprochen.
Die Wahrheit nach 16 Spieltagen: Heidenheim überwintert als Neunter sogar in der ersten Tabellenhälfte. "Das ist sensationell. Das haben uns nur wenige zugetraut, aber wir haben uns in die Bundesliga reingearbeitet und in jedem Spiel dazugelernt", sagte Schmidt. Die drei letzten Spiele des Jahres hat sein Team gewonnen.
Trotz der abschließenden Niederlage in Leverkusen (4:0) geht auch der VfL Bochum mehr als zufrieden in die Winterpause. Erst Anfang November hatte das Team von Trainer Thomas Letsch seinen ersten Saisonsieg gefeiert, und der erwies sich als echter Brustlöser. Seitdem holte Bochum elf Punkte in sieben Spielen und schoss sich aus dem Tabellenkeller. Auf die Abstiegsplätze beträgt der Vorsprung schon sechs Punkte.
Etwas andere Stimmungslagen herrschen dagegen bei Werder Bremen (wie Bochum 16 Zähler), Borussia Mönchengladbach (17 Punkte) und dem VfL Wolfsburg (19), die allesamt größere Ziele verfolgen, als lediglich nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Doch vor allem die fehlende Konstanz sorgte dafür, dass diese Teams ein Stück weit entfernt von ihren Ansprüchen sind. Stattdessen sind Eintracht Frankfurt, die TSG Hoffenheim und der SC Freiburg mit jeweils mindestens vier Punkten Vorsprung vor dem Rest des Mittelfelds die größten Anwärter auf den Europapokal.
Klasse 4: Abstiegskampf in kleiner Gesellschaft
Dass Darmstadt Letzter ist, wird wohl wenige überraschen. Und dennoch ist der Aufsteiger das Kellerteam, bei dem die Stimmung mit Abstand am besten ist. Anders als beim 1. FC Köln und Mainz 05 (alle drei haben nur zehn Punkte) gibt es keine Personaldiskussionen, anders als bei Union Berlin (hat auch nur 13 Zähler), wo bereits der Trainer gewechselt wurde, gab es die auch nicht. Zudem gab es einen ermutigenden Jahresabschluss. "Das wird richtig viel Kraft geben für die Aufgaben, die vor uns stehen. Davon bin ich felsenfest überzeugt", sagte Trainer Torsten Lieberknecht nach dem Remis bei Hoffenheim (3:3).
Darmstadt geht also positiv ins neue Jahr und hat kaum etwas zu verlieren - bei den drei Konkurrenten ist das dagegen ganz anders. Union hat sich mit dem Sieg im direkten Duell gegen Köln (2:0) ein wenig Luft verschafft, der Gang von der Champions League in die 2. Liga droht aber weiterhin.
Zumal aktuell wenig danach aussieht, dass es das Quartett schafft, noch weitere Teams in den Abstiegsstrudel runterzuziehen. Dafür holen die Mannschaften zu wenige Punkte. Darmstadt, Köln und Mainz hätten mit ihrem Punktedurchschnitt von 0,625 nicht mal in der Saison 2013/14 Chancen gehabt, sich noch in die Relegation zu retten. Da reichten für den Hamburger SV mit 27 Punkten so wenige Zähler wie noch nie für Platz 16. Können die Kellerkinder ihr Niveau nicht signifikant anheben, wird es zwischen ihnen nur darum gehen, wer am wenigsten erfolglos ist.