Werksvereine beim Kartellamt 50+1-Regel - Lösung in Sicht?
Die drei Werksvereine und die Deutsche Fußball Liga (DFL) sind mit konkreten Lösungsvorschlägen zur 50+1-Regel auf das Bundeskartellamt zugegangen. Laut Sportschau-Informationen beinhalten diese u.a. Bestandsschutz für die Werksvereine und keine neuen Ausnahmen mehr.
Kurz vor Weihnachten sprachen Vertreter von Bayer 04 Leverkusen, des VfL Wolfsburg und der TSG Hoffenheim beim Bundeskartellamt in Bonn vor. Dort präsentierten sie gemeinsam mit der DFL ihre Ideen, wie die von der Behörde kritisierten Ausnahmen von der 50+1-Regel für die drei Klubs wettbewerbskonform gestaltet werden könnten.
Das Bundeskartellamt hatte in einer vorläufigen Einschätzung zu der 50+1-Regel festgestellt, dass die Ausnahmeregelung für die Werksvereine nicht mit dem vereinsgeprägten Wettbewerb der Bundesliga im Einklang stehe, und DFL und Klubs aufgefordert, Lösungen zu erarbeiten.
Mehr Vereinsvertreter in den Gremien
Die nun vorgetragenen Ideen sollen die 50+1-Regel endgültig rechtssicher machen. Nach Informationen der Sportschau geht es bei den Vorschlägen der Klubs und der Liga im Kern um drei Veränderungen, zu denen sich die Klubs verpflichten wollen, die sich im Eigentum von Unternehmen bzw. im Fall der TSG Hoffenheim einer Einzelpersonen befinden.
So sollen künftig Vertreter der Muttervereine (e.V.) fest in den Gremien der Werksklubs etabliert werden, um so mehr Kontrolle auf die Eigentümer ausüben zu können. Das Bundeskartellamt hatte kritisiert, dass der Einfluss des Muttervereins bei den drei genannten Klubs auf "null" begrenzt werden könne. Das soll mit diesem Vorschlag zukünftig verhindert werden.
Ob die Vertreter der Muttervereine dann auch die Mehrheit in diesen Kontrollgremien stellen sollen und somit Entscheidungen auch gegen die Eigentümer treffen können, bleibt allerdings unklar. Das aber ist der eigentliche Kern der 50+1-Regel. Denn bei anderen Bundesliga-Klubs, die über Anteilseigner verfügen, haben generell die Vereinsvertreter das Sagen. Selbst dann, wenn die Mehrheit der Anteile an der ausgegliederten Profi-Gesellschaft in den Händen von Investoren liegt.
Ausgeglichene Bilanzen und Standort-Garantie
Der zweite zentrale Vorschlag der drei betroffenen Klubs sieht vor, dass die Bilanzen der Werksvereine ausgeglichen sein müssen. Damit soll der anhaltenden Kritik Rechnung getragen werden, dass etwaige Verluste der FörderKlubs durch die Eigentümer beglichen werden können. Ein Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Bundesligisten.
Zudem sollen sich die drei Klubs verpflichten, dass sie ihren Spielbetrieb auch künftig nur am jetzigen Standort ausführen. Damit soll ein Umzug der Klubs in eine Stadt - wie dies beispielsweise im US-Profisport üblich ist - verhindert werden. Das allerdings ist bisher noch nie ein Thema in der Bundesliga gewesen.
Keine weiteren Ausnahmen
Das alles soll den Wettbewerb gerechter machen. Im Gegenzug sollen die Werksvereine Bestandsschutz genießen. Zukünftig sollen dann auch keine weiteren Ausnahmen von der 50+1-Regel mehr genehmigt werden. Eine Übernahme nach 20 Jahren erheblicher und durchgehender Förderung wäre dann anders als bisher nicht mehr möglich.
Dies würde zum Beispiel Rasenballsport Leipzig betreffen, wo nach der derzeitigen Regel die Red Bull GmbH als Investor RB 2029 auch offiziell als Eigentümer übernehmen könnte.
DFL glaubt an Lösung im ersten Quartal
Die DFL wollte sich auf Anfrage der Sportschau nicht zu den Vorschlägen an das Bundeskartellamt äußern. DFL-Interims-Geschäftsführer Oliver Leki hatte sich jedoch auf dem DFL-Neujahrsempfang optimistisch gezeigt. "Ich wäre mal ganz zuversichtlich, dass es gelingen kann, im ersten Quartal mit dem Kartellamt eine Lösung zu finden. Wir sind da wirklich in weit fortgeschrittenen Gesprächen", erklärte er.
Die Regel treibe die Liga schon viel zu lange um. Man sei zudem nicht auf einem Schlachtfeld, sondern versuche Rechtssicherheit zu schaffen. Das Bundeskartellamt betont auf Nachfrage, dass die Bewertung der Vorschläge aktuell noch laufe. Als rechtsanwendende Behörde könne sie in der Öffentlichkeit getätigte Aussagen bei laufendem Verfahren nicht weiter kommentieren.
Die drei Werksvereine teilten auf Sportschau-Anfrage mit, dass sie sich aus Rücksicht auf einen weiterhin laufenden Abstimmungsprozess und aus Gründen der Vertraulichkeit nicht weiter äußern wollen. Dafür meldete sich der Präsident des Zweitligisten FC St. Pauli, Oke Göttlich, der auch im DFL-Präsidium sitzt, zu Wort und bestätigte in einem hauseigenen Podcast, dass zukünftig keine weiteren Ausnahmen von der 50+1-Regel mehr genehmigt werden sollen.
Es sei aber nachvollziehbar, dass es ein Bestandsschutz für die drei WerksKlubs geben müsse, so Göttlich: "Ich finde nicht, dass wir einfach drei Klubs ihrer Geschäftsgrundlage enteignen können. In dem Sinne, so jetzt müsst ihr hier mal einfach von der Bildfläche verschwinden. Das wäre, finde ich, auch übrigens ein viel zu großer Aufruhr, der ggf. in weiteren juristischen Fällen mündet." Er hoffe deshalb, dass die 50+1-Regel noch im ersten Quartal 2023 deutlich rechtssicherer gemacht werden könne.
Kompromiss für alle tragbar?
Eben dieser Wunsch nach Rechtssicherheit hatte die DFL 2018 veranlasst, jenen Antrag beim Bundeskartellamt einzureichen, um eine Einschätzung der 50+1-Regel einzuholen. Damals ließen sich mehrere Klubs sowie ein Investor zu diesem Prozess beiladen. Neben den drei Werksvereinen waren das der 1. FSV Mainz 05, Borussia Dortmund, der FC St. Pauli, Hannover 96, und der TSV München von 1860 e.V. sowie dessen Investor HAM International Ltd.. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und Rasenballsport Leipzig stießen später dazu.
Nach Informationen der Sportschau waren allerdings nicht alle der genannten Beigeladenen über den gemeinsamen Vorstoß von DFL und den drei Werksvereinen informiert - darunter Hannover 96 und 1860 München. "Es steht natürlich außer Frage, dass wir es angebracht fänden, wenn wir darüber informiert würden, und haben dementsprechend eine Anfrage platziert", erklärte das Präsidium des TSV 1860 München auf Anfrage.
Rein rechtlich ist das Bundeskartellamt allerdings auch nicht verpflichtet, die Beigeladenen über jeden einzelnen Schritt im Zusammenhang mit dem Antrag der DFL zu informieren. Auch die Liga muss die Klubs nicht auf dem Laufenden halten. Eine Zustimmung des Bundeskartellamts zu den eingebrachten Vorschlägen ohne jegliche Rücksprache mit allen Beigeladenen würde allerdings überraschen.