Ohne Zeugnisverweigerungsrecht DFB und DFL warnen vor Vertrauensverlust für Fanprojekte
In Karlsruhe ist das Fanprojekt wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter Druck. Der Fall hat Signalwirkung für die mehr als 70 Fanprojekte, weil Sozialarbeiter hierzulande kein Zeugnisverweigerungsrecht besitzen. DFB und DFL stellen sich nun an die Seite der Fanprojekte.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) warnen vor einem Vertrauensverlust für die über 70 Fanprojekte hierzulande, sollten deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in staatliche Ermittlungsverfahren einbezogen werden. Dies dürfe "immer nur als letztes Mittel und nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit erfolgen", hieß es in einer am Donnerstag (09.11.2023) veröffentlichten Stellungnahme der "Kommission Fans und Fankulturen" von DFB und DFL. Die beiden Verbände finanzieren die Fanprojekte zu je einem Drittel mit.
"Wir sind davon überzeugt, dass die Fanprojekte und deren Mitarbeitende positiven Einfluss auf junge Fußballfans nehmen, indem sie diese auf ihrem Weg ins Erwachsenenalter begleiten", heißt es in der Stellungnahme weiter. Dazu sei ein gutes und stabiles Vertrauensverhältnis zwischen Fans und Mitarbeitenden der Fanprojekte von elementarer Bedeutung. "Wird dieses Verhältnis gestört, verlieren Fanprojekte das Vertrauen, und ihre Arbeit nimmt gravierenden Schaden, der kaum zu reparieren ist."
Staatsanwaltschaft lädt Fanprojekt-Mitarbeitende vor
Damit reagierte die Kommission Fans und Fankulturen auf einen Fall in Karlsruhe. Dort hatte eine Ultra-Gruppierung des Karlsruher SC im November 2022 ihr 20-jähriges Bestehen mit viel Pyrotechnik gfeiert. Durch die starke Rauchentwicklung verletzen sich laut Polizei mehr als zehn Personen, weshalb Ermittlungen aufgenommen wurden. Das Fanprojekt Karlsruhe versuchte unterdessen in einem Gespräch zwischen Ultras und betroffenen Anhängern zu vermitteln.
Als die Staatsanwaltschaft davon erfuhr, lud sie eine Sozialarbeiterin und zwei weitere Sozialarbeiter als Zeugen vor. Ein Problem für die Arbeit des Fanprojektes, sagt Sophia Gerschel, die zugleich Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte ist: "Soziale Arbeit oder Fanarbeit brauchen Schutz für ihre vertrauliche Beziehungsarbeit mit der Zielgruppe. Dieser Schutz ist sofort aufgehoben, wenn es zu solchen Zeugen-Vorladungen wie in unserem Fall kommt."
Gesetzliche Regelung sieht kein Zeugnisverweigerungsrecht vor
Was zum Beispiel für Ärzte oder Pfarrer selbstverständlich ist, gibt es in der sozialen Arbeit nicht. Hier ist kein sogenanntes Zeugnisverweigerungsrecht vorgesehen. Deshalb sieht sich die Staatsanwaltschaft Karlsruhe in der Pflicht, bei ihren Ermittlungen auch die Mitarbeitenden beim Fanprojekt als Zeugen zu befragen.
Die Behörde erklärt auf Anfrage der Sportschau, dass keine Fragen zu konkreten Inhalten von irgendwelchen in der Vergangenheit geführten "sozialpädagogischen Gesprächen" gestellt worden seien. Entgegen anderslautenden Behauptungen aus diversen Kreisen sei es bei den Befragungen auch in keiner Weise darum gegangen, Erkenntnisse über die internen Strukturen und Verflechtungen der organisierten Fanszene zu erhalten.
"Zutreffend ist vielmehr, dass sich die gestellten Fragen im Wesentlichen auf Beobachtungen zu möglichen Tatvorbereitungshandlungen im Vorfeld der Fußballbegegnung beschränkt haben." Denn aus den bisherigen Ermittlungen hätten sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, dass die Räumlichkeiten des Fanprojekts zur Vorbereitung der Tat genutzt und die später verwendeten pyrotechnischen Gegenstände dort gelagert worden seien.
Die Mitarbeitenden des Fanprojektes verweigerten jedoch die Aussage, weshalb die Staatsanwaltschaft mittlerweile ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Strafvereitelung gegen sie eingeleitet hat.
Debatte um Zeugnisverweigerungsrecht
Der Fall betreffe die gesamte Fanarbeit in Deutschland, macht die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte deutlich. Polizeiliche Maßnahmen wie in Karlsruhe würden die Arbeit aller Sozialarbeit im Fußball "behindern". Aus diesem Grund unterstützen die Fanprojekte auch das Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der sozialen Arbeit. Dieses Bündnis setzt sich dafür ein, ein solches Recht für alle Bereiche der Sozialen Arbeit zu schaffen, denen ein besonderes Vertrauensverhältnis zugrunde liegt.
"Wir fordern die Politik auf, das besondere Vertrauensverhältnis als notwendiges und schützenswertes Gut der Sozialen Arbeit endlich anzuerkennen!" Deshalb fordere man ein Zeugnisverweigerungsrecht auch für soziale Arbeit. Auch DFB und DFL begrüßen die Diskussion um ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Für Sophia Gerschel ist das nach den in Karlsruhe gemachten Erfahrungen ein absolut notwendiger Schritt. Zudem mache ihr die gemeinsame Stellungnahme der Verbände Mut: "Das stärkt die Fanprojektarbeit bundesweit und unterstreicht die Bedeutung der Sozialen Arbeit der Kolleg:innen. Ein wichtiges Zeichen der Fußballverbände und ihrer Netzwerkpartner!"