DFL und Bundeskartellamt 50+1-Regel - Lösungsvorschläge in der Kritik
Die Deutsche Fußball-Liga DFL hat beim Bundeskartellamt Vorschläge eingebracht, um die 50+1-Regel endgültig rechtssicher zu gestalten. Allerdings fehlen darin Lösungsideen für zentrale Kritikpunkte des Bundeskartellamtes.
Der ehemalige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig hat die von der Liga gemachten Kompromissvorschläge zur Sicherung der 50+1-Regel als unzureichend kritisiert. Mehrere vom Bundeskartellamt bemängelte Punkte an der aktuellen Regel seien von der DFL gar nicht berücksichtigt worden. "Deshalb bin ich von diesem ersten Vorschlag sehr enttäuscht", sagte Rettig der Sportschau.
Bestandschutz für "Werksklubs" unter Bedingungen
Die DFL hatte am Mittwoch (08.03.2023) ihren Kompromissvorschlag öffentlich gemacht, mit dem die umstrittene 50+1-Regel rechtssicher gemacht werden soll. Demnach würden die drei Klubs Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg und TSG 1899 Hoffenheim von der Regel ausgenommen. Dafür müssen sie sich aber bestimmten Bedingungen unterwerfen. Weitere Ausnahmeregelungen soll es nicht mehr geben.
Das Bundeskartellamt hatte im Jahr 2021 in einer vorläufigen Einschätzung die 50+1-Regel als grundsätzlich unbedenklich eingestuft, dabei aber unter anderem die geltenden Ausnahmeregelungen für die drei Vereine kritisiert. In dem nun von der DFL gemachten Kompromissvorschlag werden allerdings nicht alle vom Bundeskartellamt angeführten Kritikpunkte aufgegriffen.
Die 50+1-Regel besagt, dass die Mehrheit der Anteile eines Vereins immer in den Händen der Mitglieder liegen soll. Der Einfluss von Investoren wird somit begrenzt. Eine Ausnahmeregelung erlaubt es jedoch Sponsoren, Investoren oder Gönnern, die den Fußballsport des Vereins ununterbrochen und erheblich gefördert haben - in diesem Fall mindestens 20 Jahre - vollständig zu übernehmen. So geschehen bisher bei Bayer 04 Leverkusen, dem VfL Wolfsburg und der TSG Hoffenheim. Der Mehrheitsgesellschafter der TSG, Dietmar Hopp, hat angekündigt, seine Stimmrechtsmehrheit wieder an den Mutterverein TSG 1899 Hoffenheim e.V. ohne Entschädigung zurückgeben zu wollen. Damit wäre der Verein wieder ein regulärer 50+1-Klub.
DFL erwähnt Konstrukt RB Leipzig nicht
So wird etwa das besondere Konstrukt RB Leipzig von der DFL gar nicht thematisiert. Dort sind nur etwas mehr als 20 ausgewählte Mitglieder stimmberechtigt, die zudem dem Eigentümer Red Bull nahestehen. Wer ein stimmberechtigtes Mitglied werden kann, bestimmt der Klub selbst. Darin sah das Kartellamt einen Umgehungstatbestand. "Natürlich muss man da auch die Frage stellen, ob das denn deckungsgleich ist mit dem, was in Leipzig durch eine findige Auslegung des Vereinsrechts praktiziert wird. Das sollte meines Erachtens jetzt mitdiskutiert werden", erklärte der Präsident des Kartellamts, Andreas Mundt, damals in der "Süddeutschen Zeitung".
Die DFL habe in diesem Fall eine große Chance verpasst, findet der ehemalige DFL-Geschäftsführer Rettig. "Hier hätte ich mir im Sinne der Integrität und Chancengleichheit des Wettbewerbs gewünscht, dass solche Umgehungstatbestände nicht mehr möglich sind", sagte er.
Rettig hatte 2014 in seiner damaligen Funktion als DFL-Geschäftsführer Rasenballsport Leipzig die Lizenz für die 2. Bundesliga zunächst verweigert. Der Lizenzierungsausschuss der DFL erteilte schließlich doch noch die Lizenz. Vorausgegangen war ein Kompromiss, der besagte, dass jede Person Fördermitglied bei RB Leipzig werden kann. Das jedoch ohne jegliches Stimmrecht. Dabei bildet das "Letztbestimmungsrecht" der Mitglieder den Kern der 50+1-Regel.
Ein fester Vereinsvertreter in den Gremien
Auch in den von den DFL gemachten Vorschlägen in Bezug auf die Ausnahmeregelung für Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim sieht Rettig nicht den großen Wurf. Das Kartellamt hatte kritisiert, dass bei den "Werksvereinen" der Einfluss des Muttervereins auf "null" reduziert werden könne. Zudem hätten diese Klubs durch die Ausnahmeregelung wirtschaftlich andere Möglichkeiten als der Rest.
In ihrem Schreiben an das Bundeskartellamt, das der Sportschau vorliegt, schlägt die DFL nun neue Regeln für die drei genannten Klubs vor. So soll dort mindestens ein Vertreter des Muttervereins in den Gremien der für den Profifußball ausgegliederten Kapitalgesellschaften sitzen. Dieser soll mit einem Veto-Recht in Bezug auf "identitätsstiftende Merkmale" eines Klubs wie z.B. Namen, Vereinsfarben oder Logo ausgestattet sein.
Komplizierte Berechnung einer "Luxussteuer"
Ein zentraler Kompromissvorschlag der DFL ist die Einführung einer Ausgleichszahlung, wenn der beherrschende Förderer eines "Werksvereins" Verluste der Profiabteilung ausgleichen sollte. Bisher bestehen zwischen den Konzernen VW und dem VfL Wolfsburg sowie Bayer in Leverkusen sogenannte Ergebnisabführungsverträge. Wird in den Fußballklubs ein wirtschaftlicher Verlust verzeichnet, sind die Konzerne verpflichtet, diesen auszugleichen.
Den nun von der DFL vorgeschlagenen Ausgleichszahlungen liegt ein kompliziertes Rechenmodell zugrunde, mit dem eine Art "Luxussteuer" ermittelt werden soll. 7,5 Prozent des Gesamtumsatzes des Klubs gelten dabei als Freibetrag. Bei einem Umsatz von 200 Millionen Euro wären das immerhin 15 Millionen Euro. Erst wenn die Konzerne über diesen Freibetrag hinaus Ausgleichszahlungen leisten, wird die "Luxussteuer" fällig.
Diese wird anhand des jeweiligen 12-Monate-Euribor-Zinssatzes plus ein Prozentpunkt errechnet. Liegt der Zinssatz bei 2,5 Prozent, werden also 3,5 Prozent "Luxussteuer" fällig. Schießt der Konzern eine Million Euro mehr als den Freibetrag zu, betrüge die Ausgleichszahlung also 35.000 Euro. Die "Luxussteuer" soll dann von den Medienerlösen der "Werksvereine" abgezogen werden und laut DFL-Vorschlag u.a. dem Jugendfußball zugutekommen.
Rettig: "Wettbewerbsvorteile in keinster Weise ausgeglichen"
Leverkusens Klubchef Fernando Carro nannte die Vorschläge eine tragfähige Lösung, weil es intensive Diskussionen um die Regel in den vergangenen Monaten im deutschen Profifußball gegeben habe. "Alleine deshalb haben wir dem gefundenen Kompromiss, der für uns teilweise schmerzhaft ist, zugestimmt", erklärte er. Rettig gehen auch diese Vorschläge nicht weit genug: "Das gleicht bisher in keinster Weise die Wettbewerbsvorteile der Ausnahmeklubs aus."
Auf die Lösungsvorschläge der DFL können nun die beim Bundeskartellamt beigeladenen Parteien bis zum 20. März mit eigenen Stellungnahmen reagieren. Dazu gehören neben den drei Ausnahmeklubs der 1. FSV Mainz 05, Borussia Dortmund, der FC St. Pauli, Hannover 96, und der TSV München von 1860 e.V. sowie dessen Investor HAM International Ltd.. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und Rasenballsport Leipzig gehören dazu. Erst wenn deren Rückmeldungen erfolgt sind, legt die oberste Wettbewerbsbehörde das weitere Vorgehen in dieser Frage fest.